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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Antifa verhagelt auch zweite Pro-Köln-„Samstagsdemo“ gegen Moscheebau
Zahlenschwindel und Parolen gegen „Türkisierung“
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Daß sich Pro Köln für die monatliche „Mahnwache“ gegen den Bau der Ehrenfelder Moschee ausgerechnet die eisige Jahreszeit ausgesucht hat, hielt den antifaschistischen Widerstand nicht davon ab, am Samstag auch dem zweiten einschlägigen Monatsaufmarsch der Rechten entgegenzutreten. Etwa siebzig, zeitweise vielleicht knapp einhundert Pro-Köln-Anhängern standen, abgetrennt von einer Hundertschaft Polizei, in Sicht- und vor allem Hörweite circa 200 AntifaschistInnen gegenüber, so die Schätzung des NRhZ-Korrespondenten. - Die Redaktion


Wenn Beisicht (rechts) OB wird, könnte Frau Wolter ja auch da seine Stellvertreterin werden | Quelle: NRhZ-Archiv

Der „OB gegen die Moschee“
 
Herrn Beisichts bundesweiter Internet-Aufruf, am Samstag zur Anti-Moschee-Zeremonie nach Köln zu kommen, hatte nur mäßigen Widerhall gefunden. Der Nachhall auf der Pro-Website war dafür von der üblichen Prahlerei gekennzeichnet. Mit „250 Personen“ sei die „zweite Samstagsdemo“ gegen die Moschee „erfolgreich durchgeführt“ worden, behaupten die Pro-Rechenkünstler in schierer Verdoppelung ihrer Teilnehmerzahl und phantasievoller Erfindung eines angeblichen „Erfolges“. Darüber prangt das Bild des erwähnten Markus Beisicht, der sich als „Der OB gegen die Moschee!“ anzupreisen versucht.
 
Auch Haider 2.0 kommt in Köln nicht an
 
Angekündigt war auch der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche, der nunmehr als Vorsitzender einer sächsischen Wählervereinigung namens „Arbeit, Familie, Vaterland“ fraktionslos weiter bundestagt. Nitzsche versucht sich seit geraumer Zeit mit vorwiegend holzschnittartigen Rede- und Schriftbeiträgen als inner- und außerparlamentarischer Wortführer rechtspopulistischer, nationalistischer Ansichten zu profilieren. Der Haider-Imitator hatte bereits den Anti-Islam-„Kongreß“ von Pro Köln und Pro NRW am 20. September 2008 mit einem Aufruf unterstützt. Der Populismus aber verfing bekanntlich nicht; vielmehr scheiterte der Anti-Islam-Kongreß am breiten Widerstand der Kölner Bevölkerung. Und wenn wir uns in Köln und den KölnerInnen nicht täuschen, wird auch der angekündigte Nachfolge-„Anti-Islamkongreß“ scheitern. Den haben die Unbelehrbaren auf den 9. Mai 2009 terminiert – als bewusste Provokation in unmittelbare Zeitnähe des 64. Jahrestages der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands am 8. Mai.
 
Akustische Neutralisierung rechter Hetze
 
Am Samstag allerdings mußten sich die Kölner „Rechtspopulisten“ mitsamt ihres prominenten Parlaments-Hiwis wiederum mit einem recht schmalen Anteil der Kölner Volksmassen zufriedengeben. Großzügig sei eingeräumt, dass sich gegenüber der Moschee bestenfalls an die einhundert Personen hinter schwarz-rot-goldenem Fahnentuch versammelt hatten und letztere sowie Transparente mit Bannformeln wider die angebliche islamische Eroberung hochhielten. Den Reden ihrer Anführer irgendeinen Sinn zu entnehmen, dürfte der rechten Versammlung allerdings nicht leicht gefallen sein, und zwar schon aus rein akustischen Gründen. Denn die antifaschistische Gegen-Geräuschkulisse, mit Trillerpfeifen, Trommeln, Megaphonen und Alarmsirenen symphonisch verstärkt, übertönte die Parolen- und Redegeräusche der Rechtsradikalen dankenswerterweise so effizient, daß von der nationalistischen Agitation schon 50 Meter vom Standort der Pro-SektiererInnen entfernt kaum ein Fetzen zu verstehen war. Da trugen die Antifa-Parolen wie etwa „Nie wieder Deutschland“ oder die „Internationale“ via Megaphon rein hörtechnisch doch weiter. Allerdings blieb auch diesmal die Frage des NRhZ-Korrespondenten angesichts der Standardforderung „Nazis raus!“ unbeantwortet, nämlich: Wohin denn bitte?
 
Neueintrag ins Wörterbuch des Unmenschen
 
Angesichts mangelnder akustischer Durchsetzungsfähigkeit blieb den erneut recht beklagenswert gestrandeten anti-islamistischen MahnwächterInnen also nur übrig, ihre Ansichten optisch und gestisch zu vermitteln. Den Kältegraden ebenso wie der Gegendemo trotzend, schwenkten sie die Vaterlandsfahnen wie exorzistische Wischlappen wider die feindlichen Kräfte und den Ort des Bösen.
 
Immerhin fielen die Treudeutschen durch eine originelle, dem NRhZ-Korrespondenten bisher jedenfalls noch nicht bekannte, Wortschöpfung auf: Eines ihrer Transparente wandte sich nicht einfach nur, wie schon bis zur Langeweile gewohnt, gegen „Islamisierung“, sondern auch gegen „Türkisierung“. Für solche Anreicherung des nationalen Sprachschatzes hätten die des Deutschen gelegentlich nur unter Mühen mächtigen Vaterlandsverteidiger ohne weiteres eine höhere kulturelle Auszeichnung verdient. Wir schlagen daher vor, den Begriff „Türkisierung“ als Versuch einer gesellschaftlichen Feindstigmatisierung und Kriegserklärung bei der anstehenden Kür zum „Unwort des Jahres“ in die nähere Auswahl zu ziehen.
 
Völkische Hassappelle – in Köln bisher weithin ungehört
 
Wenn also die Moschee in Ehrenfeld gebaut wird, so werden wir alle nicht nur zu Moslems zwangs-„islamisiert“, sondern auch „türkisiert“, mithin 320 Jahre nach dem Scheitern der Türkenheere vor Wien nun endlich doch noch der osmanischen Fremdherrschaft unterworfen. So oder ähnlich muß es in rechten deutschen Wirr-Köpfen wohl vorgehen, wenn sie derartige Wortungetüme ausbrüten.
 
Dabei geht es nicht nur abstrakt ums „Abendland“. Vielmehr versuchen auch Pro Köln und Pro NRW auf der völkischen Propagandawelle zu reiten, die „Ausländer“ und „die Türken“ zumal nähmen „uns“ die Arbeit weg. „Letztlich sollen sie für Arbeitslosigkeit und soziale Not verantwortlich gemacht werden und nicht die Vorstände von Ford, Deutscher Bank oder Bayer-LanXess“, stellte zutreffend ein Flugblatt der Antifa fest, das am Samstag bei der Gegenaktion verteilt wurde. Ziel der Rechten sei, so das Flugblatt, daß „der/die normale BürgerIn nach unten tritt und nicht die Verantwortlichen oben benennt“. In Köln scheint diese Strategie allerdings bislang nicht von besonderem Erfolg gekrönt, jedenfalls, was die einschlägigen „Bemühungen“ der Herren Beisicht, Rouhs & Co. betrifft. Auch das so parolenträchtig ausgedachte Schlagwort „Türkisierung“ dürfte „den/die normale BürgerIn“ in Köln wohl kaum in größerer Zahl gegen den Ehrenfelder Moscheebau aufbringen oder bei der anstehenden Kommunalwahl Pro Köln zutreiben.

Beisicht in die Produktion!
 
Ob Herr Beisicht mit den bisher eher bescheidenen Resultaten der so mühsam ausgedachten Anti-Moschee-Kampagne wirklich eine realistische Aussicht hat, wie geplant der Oberbürgermeister aller KölnerInnen außer denen nichtdeutschen Geblütes zu werden, scheint denn auch erheblich zweifelhaft.
 
Vor allem aber: Wie viele Rechtspopulisten und Pro-Funktionäre die als Konsequenz der Forderung „Gegen Türkisierung“ vakant werdenden Stellen bei der Stadtreinigung oder am Fabrikband annehmen würden, steht überdies erst recht dahin. Wir haben freilich einen Vorschlag, der dem Leben der Herren Beisicht und Rouhs gleichwohl noch einen Sinn und gesellschaftlichen Nutzen zudem verleihen könnte. Dieser Vorschlag denkt das rechte Gehetze gegen die „Türkisierung“, siehe oben, logisch zuende und knüpft damit sogar an eine alte Parolentradition der 68er kreativ an. Wir fordern daher: Rouhs zur Stadtreinigung und Beisicht in die Produktion! (PK)

Online-Flyer Nr. 177  vom 17.12.2008

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