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Inland
Wie die Bundesregierung die Zukunft der EU mit Obama sieht:
„Weltmacht im Werden“
Von Hans Georg
Barack Obama – Eine Chance
für Deutschland? | Quelle: NRhZ-Archiv
Die deutschen Forderungen knüpfen an Konzepte der künftigen US-Administration an, die unter der Bezeichnung "multilateral" firmieren, aber nach Ansicht von Experten lediglich eine neue Phase westlicher Hegemonie einleiten sollen. Um der Forderung nach stärkerer Machtteilhabe Nachdruck zu verleihen, loten Berliner Regierungsberater neue Möglichkeiten für punktuelle Bündnisse mit weiteren aufstrebenden Mächten aus.
Machtinteressen
Einhellig wurde in Berlin der Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama am Dienstag als Chance gesehen, die globale Macht Deutschlands zu stärken. Mit dem Ablauf der Amtszeit von George W. Bush sei auch das "Konzept einer imperialen Weltinnenpolitik" gescheitert, "das mit universalistischer Rhetorik ziemlich unverhohlen partikulare Machtinteressen (...) zum globalen Projekt erhob", schreibt beispielsweise Joscha Schmierer (Bündnis 90/Die Grünen), von 1999 bis 2007 Mitarbeiter im Planungsstab des Auswärtigen Amts.[1]
Schmierer hatte 2003 erklärt, beim damaligen US-Überfall auf den Irak handele es sich um "konsequenteste Weltinnenpolitik", US-Präsident Bush sei "insofern ein Obergrüner".[2] Heute urteilt er angesichts neuer Hoffnung auf deutschen Machtzuwachs, Washington habe in der Vergangenheit die "globale Ordnungsmacht für sich selbst" beansprucht: "Das war ein gewaltiger Missgriff."[3] Barack Obama hingegen habe sich das Ziel gesetzt, Staaten wie Deutschland politisch stärker einzubinden. Sein Ansatz sei "multipolar", heißt es im gängigen Sprachgebrauch in der deutschen Hauptstadt.
Effektiv regieren
Tatsächlich weisen Experten darauf hin, dass das Konzept sogenannter Multipolarität vor allem die westliche Hegemonie stabilisieren soll - auf höchst flexible Art. Demnach zeige das Scheitern der Regierung Bush unter anderem im Irak, dass Alleingänge Washingtons "vor dem Hintergrund langfristiger Machtverschiebungen im internationalen System" nicht mehr zum Erfolg führten. Vielmehr sei es, um die "eigene Führungsrolle zu bewahren", unumgänglich, "aufstrebende Mächte zu integrieren".[4] So könne es leichter gelingen, "internationale Unterstützung für die amerikanischen Ziele zu mobilisieren". Es sei auf diese Weise zudem möglich, "einen Teil der mit der amerikanischen Führungsrolle verbundenen Kosten abzuwälzen". "Multilateralismus" gelte Washington als "Mittel effektiven globalen Regierens", schreibt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und diagnostiziert einen "neue(n) globale(n) Führungsanspruch" der Vereinigten Staaten.[5]
Enger Schulterschluss
In diesem Rahmen sucht die Bundesregierung ihren Einfluss auszubauen. "Kein Land der Welt, und sei es das mächtigste", könne "auch nur eines" der aktuellen Probleme "allein lösen" [6], heißt es in einem Offenen Brief des deutschen Außenministers an den künftigen US-Präsidenten, der vergangene Woche aus Anlass der gestrigen Washingtoner Amtseinführung publiziert worden ist. "Neue Mächte in Asien, Afrika und Lateinamerika" würden "das relative Gewicht der USA und des Westens verringern", heißt es weiter: Es sei unumgänglich, "sie verlässlich in eine neue Ordnung zu integrieren". "Nur wenn sie auf Augenhöhe mit am Tisch sitzen, werden sie bereit sein, weltweite Regeln zu akzeptieren", urteilt Steinmeier. Darüber, wer die "Regeln" zu prägen habe, lässt er keinen Zweifel: "Im engen Schulterschluss" sollten EU und USA "die Welt auch im 21. Jahrhundert gestalten".
Transatlantischer Kitt
Steinmeiers Gedankengang wird von einflussreichen Politikberatern geteilt. So hieß es kürzlich etwa bei einer Konferenz des Centrums für Angewandte Politikforschung (CAP) in München, der "Aufstieg Chinas und Russlands mache gemeinsame Positionen von USA und Europäern notwendig". In einem gemeinsam abgestimmten Vorgehen gegen absehbare Positionsgewinne Moskaus und Beijings liege "mittelfristig die Chance für mehr transatlantischen Kitt".[7]
Offener Brief an Barack Obama – Frank-Walter Steinmeier
Quelle: NRhZ-Archiv
Das strategische Ziel der transatlantischen Zusammenarbeit benennt CAP-Chef Werner Weidenfeld, einer der einflussreichsten deutschen Politikberater. Die EU habe ein Potenzial, das mit demjenigen der USA oder Chinas vergleichbar sei, erklärte Weidenfeld im Dezember: "In dieser Liga ist Europa zu Hause."[8] Das Potenzial gelte es zu entwickeln. Die EU sei eine "Weltmacht im Werden".
Neue Partner
Ergänzend loten Berliner Regierungsberater die Chancen für punktuelle Bündnisse mit weiteren aufstrebenden Mächten aus. Demnach können auch sogenannte neue Führungsmächte genutzt werden, um "die globale Ordnung zu gestalten".[9] Die SWP hat vor kurzem ein Projekt durchgeführt, dessen Ziel es war, "Möglichkeiten der Kooperation" mit solchen "neuen Partnern auszuloten". Untersucht wurden etwa Indien, Brasilien und Südafrika. Mit solchen Erwägungen verleiht die Bundesregierung ihrer Forderung an die USA nach einer stärkeren Machtteilhabe Nachdruck. Zugleich weitet sie mit Hilfe potenzieller Bündnispartner ihre Spielräume für den Aufbau einer eigenständigen Weltmachtposition aus. (PK)
[1] Zwischenruf zur Außenpolitik: Die postimperiale Präsidentschaft; www.boell.de
[2] George W. Bush, der Obergrüne; taz 12.05.2003
[3] Zwischenruf zur Außenpolitik: Die postimperiale Präsidentschaft; www.boell.de
[4], [5] Peter Rudolf: Amerikas neuer globaler Führungsanspruch. Außenpolitik unter Barack Obama; SWP-Aktuell 77, November 2008
[6] "Im engen Schulterschluss". Offener Brief von Außenminister Frank-Walter Steinmeier an Barack Obama; Der Spiegel 3/2009
[7] Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen. C·A·P-Forschungskolloquium mit Prof. Dr. Stefan Fröhlich; www.cap-lmu.de 18.01.2009
[8] Weltmacht Europa; Neue Westfälische Zeitung 27.12.2008. S. auch "Untergang oder Aufstieg zur Weltmacht?"
[9] Neue Führungsmächte als Partner deutscher Außenpolitik; Stiftung Wissenschaft und Politik
Weitere Informationen zur Entwicklung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses finden Sie unter den Stichworten "Zeitenwende", "Vom Dollar zum Euro", "Wann, wenn nicht jetzt", "Vom Dollar zum Euro (II)", "Ringen der großen Mächte" und "Stürzende Giganten" auf der Seite German foreign policy, von der wir diesen Beitrag übernommen haben.
Online-Flyer Nr. 181 vom 21.01.2009
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Inland
Wie die Bundesregierung die Zukunft der EU mit Obama sieht:
„Weltmacht im Werden“
Von Hans Georg
Barack Obama – Eine Chance
für Deutschland? | Quelle: NRhZ-Archiv
Machtinteressen
Einhellig wurde in Berlin der Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama am Dienstag als Chance gesehen, die globale Macht Deutschlands zu stärken. Mit dem Ablauf der Amtszeit von George W. Bush sei auch das "Konzept einer imperialen Weltinnenpolitik" gescheitert, "das mit universalistischer Rhetorik ziemlich unverhohlen partikulare Machtinteressen (...) zum globalen Projekt erhob", schreibt beispielsweise Joscha Schmierer (Bündnis 90/Die Grünen), von 1999 bis 2007 Mitarbeiter im Planungsstab des Auswärtigen Amts.[1]
Schmierer hatte 2003 erklärt, beim damaligen US-Überfall auf den Irak handele es sich um "konsequenteste Weltinnenpolitik", US-Präsident Bush sei "insofern ein Obergrüner".[2] Heute urteilt er angesichts neuer Hoffnung auf deutschen Machtzuwachs, Washington habe in der Vergangenheit die "globale Ordnungsmacht für sich selbst" beansprucht: "Das war ein gewaltiger Missgriff."[3] Barack Obama hingegen habe sich das Ziel gesetzt, Staaten wie Deutschland politisch stärker einzubinden. Sein Ansatz sei "multipolar", heißt es im gängigen Sprachgebrauch in der deutschen Hauptstadt.
Effektiv regieren
Tatsächlich weisen Experten darauf hin, dass das Konzept sogenannter Multipolarität vor allem die westliche Hegemonie stabilisieren soll - auf höchst flexible Art. Demnach zeige das Scheitern der Regierung Bush unter anderem im Irak, dass Alleingänge Washingtons "vor dem Hintergrund langfristiger Machtverschiebungen im internationalen System" nicht mehr zum Erfolg führten. Vielmehr sei es, um die "eigene Führungsrolle zu bewahren", unumgänglich, "aufstrebende Mächte zu integrieren".[4] So könne es leichter gelingen, "internationale Unterstützung für die amerikanischen Ziele zu mobilisieren". Es sei auf diese Weise zudem möglich, "einen Teil der mit der amerikanischen Führungsrolle verbundenen Kosten abzuwälzen". "Multilateralismus" gelte Washington als "Mittel effektiven globalen Regierens", schreibt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und diagnostiziert einen "neue(n) globale(n) Führungsanspruch" der Vereinigten Staaten.[5]
Enger Schulterschluss
In diesem Rahmen sucht die Bundesregierung ihren Einfluss auszubauen. "Kein Land der Welt, und sei es das mächtigste", könne "auch nur eines" der aktuellen Probleme "allein lösen" [6], heißt es in einem Offenen Brief des deutschen Außenministers an den künftigen US-Präsidenten, der vergangene Woche aus Anlass der gestrigen Washingtoner Amtseinführung publiziert worden ist. "Neue Mächte in Asien, Afrika und Lateinamerika" würden "das relative Gewicht der USA und des Westens verringern", heißt es weiter: Es sei unumgänglich, "sie verlässlich in eine neue Ordnung zu integrieren". "Nur wenn sie auf Augenhöhe mit am Tisch sitzen, werden sie bereit sein, weltweite Regeln zu akzeptieren", urteilt Steinmeier. Darüber, wer die "Regeln" zu prägen habe, lässt er keinen Zweifel: "Im engen Schulterschluss" sollten EU und USA "die Welt auch im 21. Jahrhundert gestalten".
Transatlantischer Kitt
Steinmeiers Gedankengang wird von einflussreichen Politikberatern geteilt. So hieß es kürzlich etwa bei einer Konferenz des Centrums für Angewandte Politikforschung (CAP) in München, der "Aufstieg Chinas und Russlands mache gemeinsame Positionen von USA und Europäern notwendig". In einem gemeinsam abgestimmten Vorgehen gegen absehbare Positionsgewinne Moskaus und Beijings liege "mittelfristig die Chance für mehr transatlantischen Kitt".[7]
Offener Brief an Barack Obama – Frank-Walter Steinmeier
Quelle: NRhZ-Archiv
Das strategische Ziel der transatlantischen Zusammenarbeit benennt CAP-Chef Werner Weidenfeld, einer der einflussreichsten deutschen Politikberater. Die EU habe ein Potenzial, das mit demjenigen der USA oder Chinas vergleichbar sei, erklärte Weidenfeld im Dezember: "In dieser Liga ist Europa zu Hause."[8] Das Potenzial gelte es zu entwickeln. Die EU sei eine "Weltmacht im Werden".
Neue Partner
Ergänzend loten Berliner Regierungsberater die Chancen für punktuelle Bündnisse mit weiteren aufstrebenden Mächten aus. Demnach können auch sogenannte neue Führungsmächte genutzt werden, um "die globale Ordnung zu gestalten".[9] Die SWP hat vor kurzem ein Projekt durchgeführt, dessen Ziel es war, "Möglichkeiten der Kooperation" mit solchen "neuen Partnern auszuloten". Untersucht wurden etwa Indien, Brasilien und Südafrika. Mit solchen Erwägungen verleiht die Bundesregierung ihrer Forderung an die USA nach einer stärkeren Machtteilhabe Nachdruck. Zugleich weitet sie mit Hilfe potenzieller Bündnispartner ihre Spielräume für den Aufbau einer eigenständigen Weltmachtposition aus. (PK)
[1] Zwischenruf zur Außenpolitik: Die postimperiale Präsidentschaft; www.boell.de
[2] George W. Bush, der Obergrüne; taz 12.05.2003
[3] Zwischenruf zur Außenpolitik: Die postimperiale Präsidentschaft; www.boell.de
[4], [5] Peter Rudolf: Amerikas neuer globaler Führungsanspruch. Außenpolitik unter Barack Obama; SWP-Aktuell 77, November 2008
[6] "Im engen Schulterschluss". Offener Brief von Außenminister Frank-Walter Steinmeier an Barack Obama; Der Spiegel 3/2009
[7] Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen. C·A·P-Forschungskolloquium mit Prof. Dr. Stefan Fröhlich; www.cap-lmu.de 18.01.2009
[8] Weltmacht Europa; Neue Westfälische Zeitung 27.12.2008. S. auch "Untergang oder Aufstieg zur Weltmacht?"
[9] Neue Führungsmächte als Partner deutscher Außenpolitik; Stiftung Wissenschaft und Politik
Weitere Informationen zur Entwicklung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses finden Sie unter den Stichworten "Zeitenwende", "Vom Dollar zum Euro", "Wann, wenn nicht jetzt", "Vom Dollar zum Euro (II)", "Ringen der großen Mächte" und "Stürzende Giganten" auf der Seite German foreign policy, von der wir diesen Beitrag übernommen haben.
Online-Flyer Nr. 181 vom 21.01.2009
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