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Sport
Wem gratulieren die Statistiker am Samstag in München? Dem FC?
Die Wissenschaft der Kellerkinder
Von Hermann

Vergangenen Sonntag kam ich wieder einmal in das zweifelhafte Vergnügen, ein Bundesligaspiel in voller Länge im Fernsehen zu bewundern. Das kommt sehr selten vor, da ich dem gepflegten Rasensport bedeutend lieber auf der Tribüne beiwohne, häufig ohne zu ahnen, was mir dadurch alles erspart bleibt. Kommentatoren zum Beispiel. Im oben angesprochenen Falle wusste der Fernsehreporter doch tatsächlich die genaue Anzahl der Torschüsse eines jeden Stürmers der Bayern zu nennen. Und zwar nicht bezüglich der laufenden Begegnung, sondern sämtliche seit Saisonbeginn. 

Über was wird Poldi sich am Samstag 
freuen dürfen?

Quelle: NRhZ-Archiv

Das sind natürlich wirklich wissenswerte Details, falls sich der Zuschauer zuhause, wie so häufig, grade eben selber fragt, zum wievielundfünfzigsten Mal ein Miroslav Klose in dieser Spielzeit wohl soeben versucht hat, den Ball im gegnerischen Gehäuse unterzubringen. Das kommt scheinbar häufiger vor, als man meinen möchte, andernfalls hätten solche Informationen ja für niemanden einen Nutzen.
 
Solange es Kommentatoren gibt, die eine Minute des Schweigens für eine verschwendete Minute halten, sieht der Arbeitsmarkt für Fußball-Statistiker rosig aus. Diese sitzen bestimmt in dunklen, stickigen Heizungskellern an altmodischem Computerzubehör und präsentieren ihren bildschirmgebräunten Teint nur dem Tageslicht, um einem Kommentator auf dem Weg zum Spielort einen Zettel zuzustecken, auf dem die, in der vergangenen Nachtschicht mühevoll zusammengestellten, informativsten Statistiken für die kommende Begegnung aufgeführt sind.

Laut Statistik...
 
Mit den Worten „vielleicht kannst du die ja irgendwie unterbringen“, zieht sich dann der Statistiker in sein von Energy-Drinks und Pizzakartons beherrschtes Refugium im Souterrain zurück. Wie stolz dieser Statistiker doch später sein muss, wenn er erfährt, dass halb Fußballdeutschland doch tatsächlich durch den Kommentator darüber aufgeklärt wurde, dass ein Platzverweis in dieser Partie laut Statistik sehr wahrscheinlich zwischen der sechzigsten und fünfundsiebzigsten Minute passieren wird, sofern das Eckenverhältnis weiterhin mit einer ungraden Zahl für die Heimmannschaft spricht, da ja sieben Linksfüße auf dem Rasen sind, von denen drei nicht aus EU-Staaten stammen. Oder so ähnlich.

...ein halber Punkt,
 
Ich persönlich habe in der Regel ein viel zu wenig detailliertes Erinnerungsvermögen, was Fußball angeht, um aus den Geschehnissen der Vergangenheit Schlüsse auf ausstehende Spiele schließen zu können. Gelegentlich purzeln jedoch Weisheiten aus mir heraus, die in Sachen Fundiertheit Stammtischparolen in nichts nachstehen. Beim Spiel des 1.FC Köln in München kommenden Samstag zum Beispiel fallen mir spontan zwei Prophetien ein. Erstens: Der FC holt immer einen Punkt bei den Bayern. Zweitens: Der FC verliert an Karneval. Immer. Laut meiner eigenen Statistik können sich die Kölner - und Poldi natürlich auch - also am nächsten Spieltag über einen halben Punkt freuen. Den sieht das Regelwerk allerdings nicht vor. Da ich im Laufe der letzten Jahre zu wenige, um ehrlich zu sein gar keine, stichhaltigen Informationen in meinen Computer eingegeben habe, kann ich jetzt nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit sagen, welche Prognose die andere statistisch überwiegen könnte. Zum Glück speichert das Internet allerhand nützliche und unnütze Informationen für unbestimmte Zeit, wodurch in diesen Dingen mit geringem Aufwand Klarheit geschaffen werden kann.
 
Zur ersten Aussage: Legen wir unserer fundierten Statistik die letzten zehn Jahre zu Grunde. In dieser Zeit trug der FC lediglich vier Bundesligaspiele in München aus sowie ein Pokalspiel, welches wir mal sogleich wieder vergessen wollen, weil es hier nicht hingehört. Von diesen vier Begegnungen endeten tatsächlich drei unentschieden, 2002 siegte der Gastgeber aber doch recht eindeutig mit 3:0. Diese Aussage wurde also anscheinend durch selektive Wahrnehmung geschönt, stimmt also nicht wirklich.

...oder doch ein ganzer?
 
Zur zweiten Aussage: In betreffenden Zeitraum spielte der FC neun Mal an Karneval, 1999 war die Winterpause wohl noch etwas ausgiebiger dimensioniert. Von diesen Partien gewann der FC eine (2000 zuhause gegen Bochum) und spielte drei Mal unentschieden. Alles andere wurde verloren, die meisten Spiele sogar recht souverän mit 0:3 oder schlimmer (für die Statistik ist es an dieser Stelle nicht nötig, weiter ins Detail zu gehen). Die Aussage stimmt zwar auch nicht ganz, lässt aber erstmal wenig Grund zur Hoffnung. Andererseits fand das einzige Karnevalsspiel, das der FC in der ersten Liga im betreffenden Zeitraum nicht verlor in... Überraschung... München statt (1:1). Wenn man also alle störenden Tatsachen weglässt, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass der eine Punkt am Samstag trotz Karneval im Prinzip schon in im Sack ist.
 
Betrachtet man allerdings sämtliche Fakten, haben wir wohl kaum eine Schnitte. Wenn aber der Schiedsrichter ein gelbes Trikot trägt, der Wind aus nordwestlicher Richtung kommt und der Heimtorwart ein kleinere Schuhgröße als 45 hat, könnte das, statistisch gesehen, vielleicht schon wieder die Vorzeichen ändern. Ich gehe gleich mal im Heizungskeller nachfragen. (PK) 

Online-Flyer Nr. 185  vom 18.02.2009

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