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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Medien
Sonia Mikich: "Wir hatten mal Narrenfreiheit, Meinungsfreiheit und keine Angst"
Zensur an Stunksitzung und MONITOR
Von Peter Kleinert

Wenn "Ratze & Meise" und "Pleite & Deppe" es so wollen, dann wird im WDR nicht nur die Kölner Stunksitzung zensiert, dann muss sich sogar die MONITOR-Redaktion Eingriffe in ihrProgramm gefallen lassen. Und das am Weiberfastnachtsabend - obwohl die für das Magazin verantwortliche Redakteurin Sonia Mikich eigentlich eine ganz mutige Frau ist.

Aber der Reihe nach. Am Anfang standen einige Mohammed-Karikaturen in der größten dänischen Zeitung "Jyllands-Posten". Die hätte, damals im September, kaum jemand außerhalb des Landes wahrgenommen, wenn deren Chefredakteur sie nicht etwas später ein paar Moslems nachdrücklich unter die Nase gerieben hätte. Und siehe da: "Die Imame und Ayathollas" traten endlich den "Krieg der Kulturen" los. Inzwischen kamen dadurch ein paar hundert Menschen in der "islamischen Welt" ums Leben. Schlimmer für "unsere Medien" war allerdings der damit verbundene Angriff auf die Presse- und Satire-Freiheit in "unseren westlichen Demokratien".

Etwa zwei Monate nach den Mohammed-Karikaturen im christlichen Dänemark stellte die bekannt freche Narrentruppe der Stunksitzung im "hillige Kölle" auch eine Satire vor: "Ratze und Meise". 30.000 Zuschauer der "Stunker" hatten ihren Spaß an den beiden Figuren, die eigentlich Papst Benedikt XVI. und Joachim Kardinal Meisner heißen, und "laaachten sich kapott", obwohl viele unter ihnen sicher mal katholisch getauft worden sind. Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" gefielen die beiden zunächst gut, dass er sie mit "Ernie und Bert aus der Sesamstraße" verglich: "Mit dem kleinen Unterschied, daß es in der Sesamstraße stets getrennte Betten für die beiden Freunde gab. Ratze und Meise dagegen landen auf derselben Matratze. Gutenachtkuß inklusive."

Meise: 'Ey Alter, die Wandlung ging so was von ab'
Meise: 'Ey Alter, die Wandlung ging so was von ab'
Foto: A. & W. Bartscher / dea-NewsInfo.Net



"Meise" gefiel der Sketch gar nicht. Und weil er, wie man hört, ja mal "Ratzes" Nachfolger werden möchte, damit "wir in Deutschland" weiter Papst bleiben, wies er seine Kirchenzeitung an, zum Boykott der Stunksitzung auf- und den WDR zur Ordnung zu rufen, der die Stunksitzung seit 1991 ausstrahlt. Ein bislang anonymes Mitglied von "Meises" Kirche erstattete Anzeige unter Berufung auf § 166 Strafgesetzbuch, der "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschaungsvereinigungen" unter Strafe stellt, und Oberstaatsanwalt Rainer Wolf ("Wir müssen jeder Anzeige nachgehen.") teilte mit, er werde sich "den Sketch ansehen - notfalls live im E-Werk". Da ist er inzwischen gewesen und hat die "Stunker" anschließend wissen lassen, dass er bis Mitte März brauche, um zu entscheiden, ob Anklage erhoben werde. Die Stunker durften "Ratze und Meise" jedenfalls weiter vorführen.

WDR-Intendant Pleitgen und sein TV-Direktor Deppendorf waren schneller als der Staatsanwalt. Sie entschieden im Sinne von "Meise" und ordneten an, dass der und "Ratze" aus dem Karnevalssamstagabendprogramm gekippt würden, obwohl Herr Wolf sehr wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen wird, dass der "Ratze und Meise"-Sketch zwar ziemlich frech aber eben keine "Beschimpfung von..." ist.

Jugendliche: 'Ah, Benedetto. Ich will kein  Kind von Dir'
Jugendliche: 'Ah, Benedetto. Ich will kein Kind von Dir'
Foto: A. & W. Bartscher / dea-NewsInfo.Net



Diese und andere "Folgen des Karikaturenstreits jetzt hier vor unserer Haustür", so Sonia Mikich in ihrer Einleitung, sollten Thema der MONITOR-Sendung am Donnerstag vor Karneval sein, an dem seit 1824 eigentlich die Frauen das Sagen haben. Nur im WDR nicht, wie man in der Sendung sah. Zwar durften Mikichs Autoren über das berichten, was Agenturen und Presse längst gebracht hatten. Zwar durften Winni Rau und Bruno Schmitz von den "Stunkern" sagen, sie fänden es "schade, was der WDR macht, also dass er nicht den Mut hat, diese Szene der Öffentlichkeit zu präsentieren". Ausschnitte aus der Szene zeigen, damit die Zuschauer sich selbst ein Bild von dem machen konnten, was da von den Herren im Haus WDR verboten worden war, durften sie aber nicht, obwohl das von Mikich und ihren Redakteuren vorgesehen war.

Vorführen durfte MONITOR nur eine "Stunksitzungs"-Szene aus dem "Bekennervideo" eines "islamischen Selbstmordattentäters" - vermutlich weil der WDR die tapfer gesendet hat, obwohl der stellvertretende Kölner Bürgermeister Jupp Müller (CDU) das gar nicht mochte. Müllers gestammelte Begründung gegenüber dem Reporter: "Das könnte diese Menschen wiederum davor... darin bestärken, andere Maßnahmen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen."

Danach konnte Fernsehdirektor Deppendorf seinen und Intendant Pleitgens Eingriff in die im Karikaturenstreit so hochgehaltene "Presse- und Satirefreiheit" gleich zweimal rechtfertigen - mit den "WDR-Programmgrundsätzen". Und das hörte sich so an, als hätten "Ratze und Meise" die selbst geschrieben: "Die religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu stärken und zu achten." - So schlimm, wie "Deppe" den Zuschauern es mit diesem Satz weismachen wollte, sind die Programmgrundsätze des WDR gottseidank nun doch nicht, wie jeder auf dessen Website nachlesen kann. Ob der Direktor absichtlich übertrieben oder sich nur aus Angst vor "Ratze und Meise" versprochen hat, fragen wir ihn hiermit einfach mal. Vielleicht antwortet er sogar.

Nevio: 'Wir haben der Familie Treue geschworen, bis in den Tod!'
Nevio: 'Wir haben der Familie Treue geschworen, bis in den Tod!'
Foto: A. & W. Bartscher / dea-NewsInfo.Net



"Wir hatten mal Narrenfreiheit, Meinungsfreiheit und keine Angst - das waren tolle Tage!" hatte Sonia Mikich als letzten Satz ihrer Einleitung zu dieser nach den Wünschen von "Pleite und Deppe" gestalteten MONITOR-Sendung bedauernd gesagt. Die trug übrigens den durchaus passenden Titel: "Religionskritik oder Gotteslästerung: Wo beginnt Zensur?"

Ach ja, beinahe hätte ich was vergessen. Inzwischen findet der "Kölner Stadt-Anzeiger" das, was die "Stunker" machen, auch nicht mehr so gut: Ein bereits vorbereiteter Hinweis auf die zensierte WDR-Stunksitzungssendung vom Samstag wurde "gekippt". Grund: Chefredakteur Sommerfeld und seine Getreuen hatten gerade noch rechtzeitig kapiert, dass "Nevio" - eine ähnlich komische Figur wie "Meise" - im "Stunker"-Sketch "Esch-Fond" eigentlich Alfred Neven DuMont heißt. Und der tut da natürlich nichts lieber, als "Frederico Schramma" beizubringen, warum seine Zeitungen nicht die Wahrheit über die "Familie" seines "Paten Don Oppenheim" ans Kölner Tageslicht bringen. Nevio wörtlich: "Warum sollen wir den Kölnern ihre Unschuld rauben?"

Hier gibts den unzensierten Clip der Stunker "Ratzi und Meisi" in der NRhZ.

Weitere Informationen: www.stunksitzung.de

Online-Flyer Nr. 33  vom 28.02.2006

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