NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 17. April 2024  

zurück  
Druckversion

Wirtschaft und Umwelt
Industrieller Agrospritanbau verdrängt Natur und Kleinbauern in Brasilien
Landraub und Mord
Von Peter Kleinert

Im nordostbrasilianischen Bundesstaat Bahia versuchen seit Anfang 2008 Investoren, sich mit allen Mitteln Land zum Anbau von Agrosprit anzueignen. Im Dorf Casa Nova droht nach Informationen der Initiative “Rettet den Regenwald“ 366 Familien und ihren 13.000 Ziegen und Schafen Existenz- und Landverlust. Am 4. Februar wurde dort die Symbolfigur des Widerstandes gegen den Agrospritwahn, der 56-jährige Kleinbauer José Campos Braga, erschossen. Hinter dem Verbrechen sollen Investoren stecken, die sich in Verbindung mit dem staatlichen Agrospritprogramm BAHIABIO das Land seines Dorfes zum Anbau von Zuckerrohr aneignen wollen.

Maria da Rocha Braga – Verwandte des Ermordeten und Koordinatorin der
Landpastorale in Bahia bei der Trauerfeier
Foto: Kirsten Bredenbeck (KoBra)
 
Das zum Dorf Casa Nova gehörende Gebiet Areia Grande ist nur eines von vielen, das dem Agrospritwahn im brasilianischen Bundesstaat Bahia zum Opfer fallen soll. In Bahia schafft auch das staatliche Agrospritprogramm BAHIABIO großes Interesse, mit Hilfe der gewährten Subventionen und Steueranreize geeignete Landflächen mit industriellen Monokulturen zum Anbau von Agrosprit zu belegen. BAHIABIO hat die Anlage von 870.000 Hektar Zuckerrohr-Monokulturen sowie den großflächigen Anbau von Ölpflanzen wie Rizinus, Indische Brechnuss, Ölpalmen und Baumwolle auf weiteren 868.000 Hektar zum Ziel. Allein die im Tal des São Francisco-Flusses geplanten 510.000 Hektar bewässerter Zuckerrohrplantagen würden dem Fluss pro Sekunde im Schnitt über 500 m3 von dem knappen Nass entziehen.
 
Opfer: Kleinbauern, Trockenwälder und Savannen

 
Die Opfer von BAHIABI sind die artenreichen Trockenwälder und Savannen des Cerrado- und Caatinga, die traditionellen Weiden in Gemeindebesitz, Küstenwälder sowie die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Das Weidegebiet Areia Grande von Casa Nova ist eine von etwa 300 traditionellen, gemeinschaftlich genutzten Weideflächen. Über 100.000 Menschen leben nach Angaben der Landpastorale CPT von dieser nachhaltigen, angepassten Nutzungsform der semiariden Caatinga-Gebiete. In Folge von BAHIABIO werden die traditionellen Landrechte mit Füssen getreten und Kleinbauern, Schaf- und Ziegenhalter von den Investoren von ihren Weidegründen vertrieben.
 
Der organisierte Landraub ist direkte Folge des Agrospritbooms in Brasilien und der Aussicht auf satte Gewinne. Daran mitverantwortlich ist auch die Agrospritpolitik von EU und Bundesregierung, die auf massive Importe aus Ländern wie Brasilien setzt. Im Mai 2008 hatte Bundeskanzlerin Merkel dazu ein Deutsch-Brasilianisches Energieabkommen unterzeichnet.
 
Von Großgrundbesitzern beauftragte Pistoleros

 
Zé de Antero - unter diesem Namen war José Campos Braga bekannt - lebte wie die anderen DörflerInnen in Casa Nova von den Erträgen der Familienlandwirtschaft. Er kämpfte 56 Jahre lang an ihrer Spitze für das Recht, auf dieser Fläche, die ihnen rechtsmäßig zusteht, weiterhin wohnen, leben und arbeiten zu dürfen. Seine Ermordung steht nach Auffassung seiner Familie und Nachbarn im direkten Zusammenhang mit dem Landkonflikt. Im März 2008 wurden in seinem Dorf im Beisein der Vertreter der Landräuber - Alberto Martins Pires Matos und Carlos Niyan Lima Silva - Häuser, Tiere, Ziegenställe und landwirtschaftliche Ackerflächen der Familien zerstört. Maskierte und illegal bewaffnete Pistoleiros, die von den Großgrundbesitzern beauftragt waren, verletzten dabei zahlreiche Frauen und Männer.
 
Die Bauernfamilien der Landgemeinden bestanden trotzdem weiter auf ihrem traditionellen Recht auf ihren Landbesitz, wurden jedoch im Lauf des Jahres 2008 immer wieder von den Pistoleiros bedroht. Anzeigen wegen dieser Übergriffe sind die Behörden in keinem einzigen der Fälle nachgegangen. Im November, wurde den Familien der Besitz der traditionellen Weideflächen garantiert. Kurz darauf aber wurde José Campos Braga von Pistoleros ermordet.

Offener Brief an die Behörden Bahias

 
Ein jetzt veröffentlichter offener Brief an die Behörden enthält eine Solidaritätserklärung mit der Familie von José Campos Braga und den Familien der Landgemeinden Salina da Brinca, Jurema, Melancia und Riacho Grande. Die Verantwortlichen in Bahia werden zum Schutz der gemeinschaftlichen Rechte der Bauern und Bäuerinnen von Areia Grande, des Lebens der BewohnerInnen der Landgemeinden und zur Aufklärung des Mordes an José Campos Braga aufgefordert.  (PK)
 
Mehr Informationen und den Offenen Brief zum Unterzeichnen finden Sie unter  http://www.regenwald.org/protestaktion.php?id=369&zusatz=1.



Online-Flyer Nr. 186  vom 25.02.2009

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE