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Lokales
Wie das Haus Neven DuMont mit Arisierungsvorwürfen umgeht
"Gesicht zeigen" wäre angesagt
Von Peter Kleinert
"Gesicht zeigen" nennt sich die "Aktion weltoffenes Deutschland e.V.", die am Sonntag - zusammen mit dem Schriftsteller Leon de Winter - die Buber-Rosenzweig-Medaille der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit erhielt. "Gesicht zeigen" sollte endlich auch die Kölner Verlegerfamilie Neven DuMont im Zusammenhang mit dem Kauf jüdischer Häuser und Grundstücke sowie der Rolle, die Vorfahren und Verlag in der Nazi-Zeit spielten.
Köln versteht sich als Stein gewordene Inkarnation der Liberalität. Diese Liberalität geht so weit, dass sich die "Medienstadt" den Luxus gönnt, dem Familienunternehmen M.DuMont Schauberg (MDS) ein Beinahe-Monopol auf dem hiesigen Pressemarkt zuzugestehen. Die 200 Jahre alte Vormachtstellung der Familie Neven DuMont lässt kaum Raum für kritische Berichterstattung über das, was in Stadt und Region passiert. Im Gegenteil: in die MDS-Blätter Kölner Stadt-Anzeiger, EXPRESS und Kölnische Rundschau findet nur Eingang, was den Interessen des Hauses, seiner Inhaber und ihrer Freunde in Wirtschaft und Politik entspricht - es sei denn, man wird durch nicht zum "goldenen Hüüs´chen" gehörende Autoren und Medien dazu gezwungen.
Dazu zählten bislang - seit der Verlag unter der Adenauer-Regierung das nach der Befreiung von der Nazi-Diktatur durch die Alliierten aus guten Gründen ausgesprochene Verbot zum Zeitungmachen überwinden konnte - nicht Informationen über den Erwerb jüdischen Grundbesitzes durch die Familie. Solche Informationen widersprächen dem selbst gestrickten Geschichtsbild des sich gegen die NSDAP angeblich "vehement zu Wehr" setzenden Verlages. Und deshalb mussten interessierte KölnerInnen in den vergangenen Wochen die überregionale Presse (SPIEGEL, BILD, FAZ, SZ u.a.) und unsere zur regionalen Gegeninformation seit sieben Monaten online gestellte NEUE RHEINISCHE ZEITUNG lesen - wenn sie wissen wollen, was am lang gehegten Geschichtsbild von MDS alles nicht stimmt. Grundlage der Berichte war ein Vortrag des Kölner Historikers Ingo Niebel in der Volkshochschule auf einem Kongress zum Thema "Arisierung".
KIZ-Titelbild aus dem Verlag MDS
Foto: KAOS-Archiv
Ans Licht der meist überregionalen Medien-Öffentlichkeit kam dabei, dass die Verlegerfamilie Neven DuMont und die verlagseigene Versorgungskasse zwischen 1938 und 1941 in den Besitz von Grundstücken der drei jüdischen Familien bzw. Firmen Brandenstein, Lippmann und Ottenheimer gelangt waren, deren Angehörige ihrerseits in die Emigration gehen mussten oder in ein KZ gebracht wurden.
Nach den Veröffentlichungen setzte MDS seine lokale Medienmacht zunächst ein, um die Diskussion über den damaligen Verleger Kurt Neven DuMont und die Tätigkeit seines Verlags zwischen 1933 und 1945 auf ein anderes Gleis zu schieben: Der 1945 erst 18 Jahre alte heutige Seniorchef Alfred Neven DuMont wurde als Ziel der Angriffe ausgemacht. EXPRESS-Schlagzeile: "War es Rache für den geplatzten Pro7-Deal?" Untertitel: "EXPRESS beantwortet die wichtigsten Fragen zu den böswilligen Vorwürfen in 'Spiegel' und 'Bild'". Die Fragen kamen nicht etwa aus der Leserschaft, sondern aus der Redaktion. Und diese hatte die Antworten auf ihre Fragen aus einer MDS-Pressemitteilung und aus einem offenen Brief des MDS-Geschäftsführers Heinz Kiegeland an den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Matthias Döpfner. Im Stadt-Anzeiger bekam auch die FAZ ihr Fett ab: an prominenter Stelle auf dessen Medienseite mit einem Artikel über den Prozess, in dem die Zeitung verurteilt worden war, dem Tennis-Star Boris Becker über eine Million Euro Schadenersatz zu zahlen.
Beeindrucken ließ sich von diesen Breitseiten offenbar die Frankfurter Rundschau. Deren Redaktion brachte als Überschrift die Sichtweise von MDS beim Erwerb der ehemals jüdischen Grundstücke auf den Punkt: "Ein normaler Kauf" - womit sie zusätzlich bewies, dass sie nicht bis Drei zählen kann.
Alfred Neven DuMont - endlich Gesicht zeigen?
Foto: NRhZ-Archiv
Neu unter dem Motto "Gesicht zeigen" - zu dem die Schauspielerin Iris Berben am Sonntag eine bemerkenswerte Rede hielt - war, dass das Haus MDS in seinen Reaktionen auf Niebels Arisierungsvorwürfe immerhin die bis dato verschwiegene NSDAP-Mitgliedschaft von Kurt Neven DuMont gestand. Alle Unternehmer, so die Begründung, mussten damals ja Parteimitglied werden - zum Wohle ihrer Betriebe und Mitarbeiter...
Dass er - wie nicht alle Unternehmer - von Goebbels´ Reichspropagandaministerium 1944 mit dem "Kriegsverdienstkreuz Erster Klasse mit Schwertern" ausgezeichnet wurde, das auch Obersturmbannführer Adolf Eichmann für seine Verdienste am Holocaust erhielt, wird vielleicht auch der vom Verlag aufgrund des Niebel-Vortrags angekündigte aber bis heute nicht benannte "unabhängige Historiker" eines Tages im sorgsam gehüteten MDS-Archiv entdecken. Daneben vielleicht noch Artikel in der Kölnischen Zeitung wie jenen aus dem Jahre 1930, in dem es hieß, "dass die Nationalsozialisten an der Verantwortung beteiligt werden sollten, weil ihre Partei zu groß geworden ist, um in der Opposition zu bleiben". Oder die Schlagzeile von Anfang Januar 1933 "Auf Hitler kommt es an", mit der Nevens "Kölnische Zeitung" Hitler vor die "Entscheidung" stellte, "ob er vor den Toren der Politik stehen bleiben will oder ob er die Verantwortung zu tragen bereit ist, die positiven Kräfte seiner Bewegung in die Waagschale der praktischen Politik zu werfen".
Kurt Neven DuMont - mit Nazi-Orden ausgezeichnet
Foto: KAOS-Archiv
Am 25. Januar 1996 konnten Stadt-Anzeiger-LeserInnen in einem Artikel von Lokalchef Klaus Zöller dazu folgendes lesen: "Stadt-Anzeiger und Kölnische Zeitung bekämpften die Nationalsozialisten bis zu deren Machtübernahme. Und die wehrten sich..." - Sie wehrten sich so nachhaltig, dass sie ihrem "Gefolgschaftsmitglied" Kurt Neven DuMont nicht nur den Eichmann-Orden verliehen, sondern seine Kölnische Zeitung sogar Profit steigernd an "die Frontsoldaten" versandten. "Die Braunen saßen auch im Pressehaus" hieß die Überschrift zu dem o.g. Artikel. Klaus Zöller hat das allerdings etwas anders gemeint. Etwa so wie sein Chef Alfred Neven DuMont in der Jubiläumsausgabe 2002: "Nach 1933 probten die braunen Machthaber die Übernahme. Gezielte Pressionen trafen das Haus." Das sei nur gut gegangen, weil "sich ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft bei den Angriffen des NS-Regimes mannhaft um den Verleger scharte".
(Zum Thema siehe auch den NRhZ-Filmclip)
Online-Flyer Nr. 34 vom 07.03.2006
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Wie das Haus Neven DuMont mit Arisierungsvorwürfen umgeht
"Gesicht zeigen" wäre angesagt
Von Peter Kleinert
"Gesicht zeigen" nennt sich die "Aktion weltoffenes Deutschland e.V.", die am Sonntag - zusammen mit dem Schriftsteller Leon de Winter - die Buber-Rosenzweig-Medaille der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit erhielt. "Gesicht zeigen" sollte endlich auch die Kölner Verlegerfamilie Neven DuMont im Zusammenhang mit dem Kauf jüdischer Häuser und Grundstücke sowie der Rolle, die Vorfahren und Verlag in der Nazi-Zeit spielten.
Köln versteht sich als Stein gewordene Inkarnation der Liberalität. Diese Liberalität geht so weit, dass sich die "Medienstadt" den Luxus gönnt, dem Familienunternehmen M.DuMont Schauberg (MDS) ein Beinahe-Monopol auf dem hiesigen Pressemarkt zuzugestehen. Die 200 Jahre alte Vormachtstellung der Familie Neven DuMont lässt kaum Raum für kritische Berichterstattung über das, was in Stadt und Region passiert. Im Gegenteil: in die MDS-Blätter Kölner Stadt-Anzeiger, EXPRESS und Kölnische Rundschau findet nur Eingang, was den Interessen des Hauses, seiner Inhaber und ihrer Freunde in Wirtschaft und Politik entspricht - es sei denn, man wird durch nicht zum "goldenen Hüüs´chen" gehörende Autoren und Medien dazu gezwungen.
Dazu zählten bislang - seit der Verlag unter der Adenauer-Regierung das nach der Befreiung von der Nazi-Diktatur durch die Alliierten aus guten Gründen ausgesprochene Verbot zum Zeitungmachen überwinden konnte - nicht Informationen über den Erwerb jüdischen Grundbesitzes durch die Familie. Solche Informationen widersprächen dem selbst gestrickten Geschichtsbild des sich gegen die NSDAP angeblich "vehement zu Wehr" setzenden Verlages. Und deshalb mussten interessierte KölnerInnen in den vergangenen Wochen die überregionale Presse (SPIEGEL, BILD, FAZ, SZ u.a.) und unsere zur regionalen Gegeninformation seit sieben Monaten online gestellte NEUE RHEINISCHE ZEITUNG lesen - wenn sie wissen wollen, was am lang gehegten Geschichtsbild von MDS alles nicht stimmt. Grundlage der Berichte war ein Vortrag des Kölner Historikers Ingo Niebel in der Volkshochschule auf einem Kongress zum Thema "Arisierung".
KIZ-Titelbild aus dem Verlag MDS
Foto: KAOS-Archiv
Ans Licht der meist überregionalen Medien-Öffentlichkeit kam dabei, dass die Verlegerfamilie Neven DuMont und die verlagseigene Versorgungskasse zwischen 1938 und 1941 in den Besitz von Grundstücken der drei jüdischen Familien bzw. Firmen Brandenstein, Lippmann und Ottenheimer gelangt waren, deren Angehörige ihrerseits in die Emigration gehen mussten oder in ein KZ gebracht wurden.
Nach den Veröffentlichungen setzte MDS seine lokale Medienmacht zunächst ein, um die Diskussion über den damaligen Verleger Kurt Neven DuMont und die Tätigkeit seines Verlags zwischen 1933 und 1945 auf ein anderes Gleis zu schieben: Der 1945 erst 18 Jahre alte heutige Seniorchef Alfred Neven DuMont wurde als Ziel der Angriffe ausgemacht. EXPRESS-Schlagzeile: "War es Rache für den geplatzten Pro7-Deal?" Untertitel: "EXPRESS beantwortet die wichtigsten Fragen zu den böswilligen Vorwürfen in 'Spiegel' und 'Bild'". Die Fragen kamen nicht etwa aus der Leserschaft, sondern aus der Redaktion. Und diese hatte die Antworten auf ihre Fragen aus einer MDS-Pressemitteilung und aus einem offenen Brief des MDS-Geschäftsführers Heinz Kiegeland an den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Matthias Döpfner. Im Stadt-Anzeiger bekam auch die FAZ ihr Fett ab: an prominenter Stelle auf dessen Medienseite mit einem Artikel über den Prozess, in dem die Zeitung verurteilt worden war, dem Tennis-Star Boris Becker über eine Million Euro Schadenersatz zu zahlen.
Beeindrucken ließ sich von diesen Breitseiten offenbar die Frankfurter Rundschau. Deren Redaktion brachte als Überschrift die Sichtweise von MDS beim Erwerb der ehemals jüdischen Grundstücke auf den Punkt: "Ein normaler Kauf" - womit sie zusätzlich bewies, dass sie nicht bis Drei zählen kann.
Alfred Neven DuMont - endlich Gesicht zeigen?
Foto: NRhZ-Archiv
Neu unter dem Motto "Gesicht zeigen" - zu dem die Schauspielerin Iris Berben am Sonntag eine bemerkenswerte Rede hielt - war, dass das Haus MDS in seinen Reaktionen auf Niebels Arisierungsvorwürfe immerhin die bis dato verschwiegene NSDAP-Mitgliedschaft von Kurt Neven DuMont gestand. Alle Unternehmer, so die Begründung, mussten damals ja Parteimitglied werden - zum Wohle ihrer Betriebe und Mitarbeiter...
Dass er - wie nicht alle Unternehmer - von Goebbels´ Reichspropagandaministerium 1944 mit dem "Kriegsverdienstkreuz Erster Klasse mit Schwertern" ausgezeichnet wurde, das auch Obersturmbannführer Adolf Eichmann für seine Verdienste am Holocaust erhielt, wird vielleicht auch der vom Verlag aufgrund des Niebel-Vortrags angekündigte aber bis heute nicht benannte "unabhängige Historiker" eines Tages im sorgsam gehüteten MDS-Archiv entdecken. Daneben vielleicht noch Artikel in der Kölnischen Zeitung wie jenen aus dem Jahre 1930, in dem es hieß, "dass die Nationalsozialisten an der Verantwortung beteiligt werden sollten, weil ihre Partei zu groß geworden ist, um in der Opposition zu bleiben". Oder die Schlagzeile von Anfang Januar 1933 "Auf Hitler kommt es an", mit der Nevens "Kölnische Zeitung" Hitler vor die "Entscheidung" stellte, "ob er vor den Toren der Politik stehen bleiben will oder ob er die Verantwortung zu tragen bereit ist, die positiven Kräfte seiner Bewegung in die Waagschale der praktischen Politik zu werfen".
Kurt Neven DuMont - mit Nazi-Orden ausgezeichnet
Foto: KAOS-Archiv
Am 25. Januar 1996 konnten Stadt-Anzeiger-LeserInnen in einem Artikel von Lokalchef Klaus Zöller dazu folgendes lesen: "Stadt-Anzeiger und Kölnische Zeitung bekämpften die Nationalsozialisten bis zu deren Machtübernahme. Und die wehrten sich..." - Sie wehrten sich so nachhaltig, dass sie ihrem "Gefolgschaftsmitglied" Kurt Neven DuMont nicht nur den Eichmann-Orden verliehen, sondern seine Kölnische Zeitung sogar Profit steigernd an "die Frontsoldaten" versandten. "Die Braunen saßen auch im Pressehaus" hieß die Überschrift zu dem o.g. Artikel. Klaus Zöller hat das allerdings etwas anders gemeint. Etwa so wie sein Chef Alfred Neven DuMont in der Jubiläumsausgabe 2002: "Nach 1933 probten die braunen Machthaber die Übernahme. Gezielte Pressionen trafen das Haus." Das sei nur gut gegangen, weil "sich ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft bei den Angriffen des NS-Regimes mannhaft um den Verleger scharte".
(Zum Thema siehe auch den NRhZ-Filmclip)
Online-Flyer Nr. 34 vom 07.03.2006
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