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Aktueller Online-Flyer vom 25. November 2024  

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Inland
Massenagitation der NPD am 1.Mai anlässlich der Wirtschaftskrise
„Nationale Antworten“
Von Hans Georg

Die NPD nutzt die Weltwirtschaftskrise und verschärfte zum 1. Mai ihre Massenagitation. Mit "nationalen Antworten auf die Wirtschaftskrise" werde man künftig noch aktiver als bisher intervenieren und "überall, wo sich Volkes Widerstand regt", dafür kämpfen, den "Weg in Richtung einer nationalen und sozialen Erneuerung" zu gehen, kündigte die Partei an.

NPD-Kundgebung in Göttingen
Quelle: www.npd-goettingen.de
 
300 Neonazis störten am "Tag der Arbeit" eine Mai-Kundgebung in Dortmund. In Mainz verhinderten mehr als 2.500 Bürger eine NPD-Demonstration durch die Innenstadt, die u.a. unter Rückgriff auf NS-Strategien mit dem Slogan "Kauft bei Deutschen!" für sich warb. Neue Untersuchungen zeigen eine zunehmende Stärke der extremen Rechten, die besonders unter jungen Menschen deutliche Positionsgewinne erzielt und ihre Gewaltattacken gegen Nichtdeutsche und gegen ihre innenpolitischen Gegner ausweitet. Im vergangenen Jahr nahmen rechts motivierte Straftaten um 16 Prozent zu; fünf Prozent aller Fünfzehnjährigen sind in einer rechtsextremen Gruppe organisiert. Grundlage dieser Entwicklung ist ein dramatisch gestiegener deutscher Nationalismus. Einer jetzt publizierten Studie zufolge sind gut 60 Prozent der Bevölkerung "stolz, Deutscher zu sein"; 70 Prozent erklären, ihr "Deutsch-Sein" sei durch Zuwanderung bedroht.
 
Nationaler Sozialismus
 
Mit den Mai-Kundgebungen im gesamten Bundesgebiet wollte die NPD demonstrieren, dass sie seit Jahren die maßgebliche Kraft der extremen Rechten in Deutschland ist. Sie ist in zwei Landtagen vertreten und erhofft sich von den zahlreichen Wahlgängen, die in diesem Jahr in der Bundesrepublik bevorstehen, neue Erfolge. Ihre zentrale Kundgebung zum 1. Mai fand in Berlin statt, wo neben dem Parteivorsitzenden mehrere prominente Rechtsextreme sprachen werden. Während ein bekennendes ehemaliges Mitglied der Leibstandarte Adolf Hitler auf Druck der Behörden von der Rednerliste der Berliner NPD-Kundgebung entfernt worden war, warb ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten für ihre Demonstration in Neu-Ulm mit dem Slogan: "Wir demonstrieren für den Nationalen Sozialismus".[1]
 
Krisen-Kampagne
 
Rechtzeitig vor dem1. Mai hatte die NPD eine "Kampagne zur Wirtschaftskrise" gestartet. Die Partei sucht damit gezielt den ökonomischen Zusammenbruch zu nutzen, um ihre Anhängerschaft zu erweitern und zu stabilisieren. „Die nächsten Monate werden von Kurzarbeit, Massenentlassungen und zunehmender sozialer Ungerechtigkeit geprägt sein", heißt es da: „Immer mehr Deutsche erkennen, daß es so nicht weiter gehen kann."[2] Sie biete „Nationale Antworten auf die Wirtschaftskrise" an und wolle „an vorderster Front Flagge zeigen": „Egal, ob Werksschließung, Demo vor dem Arbeitsamt oder Protestaktion gegen das kapitalistische Ausbeutersystem", man sei entschlossen, „die nationale und soziale Alternative ins Volk zu tragen". Mit ähnlichen Kampagnen ("Gegen Hartz IV") gelang es der NPD schon vor Jahren, in krisengeschüttelten Regionen Wahlerfolge zu erzielen: bei Landtagswahlen im Saarland (4,0 Prozent im Jahr 2004), in Sachsen (9,2 Prozent 2004) und in Mecklenburg-Vorpommern (7,4 Prozent 2006).
 
Kauft bei Deutschen!
 
Dabei nimmt die NPD nicht nur sprachlich offen auf den Nationalsozialismus Bezug. Man strebe nach einer „raumorientierten Volkswirtschaft", erklärt die Partei unter Anknüpfung an NS-Wirtschaftskonzeptionen. Deutschland erweise sich derzeit als „willfähriger Vollstrecker raumfremder Mächte wie der USA", heißt es in NPD-Propagandamaterialien, die als Konsequenz aus der Krise die nationale Abschottung verlangen: Im Ausland hergestellte Billigprodukte müssten „mit einer Abgabe belastet werden"; wer in Deutschland verkaufen wolle, „muß auch hier mit deutschen Arbeitskräften produzieren".[3] Betriebe, „die Ausländer beschäftigen, müssen eine Sonderabgabe entrichten", fordert die NPD. Die so gewonnenen Mittel sollten „in die Rückkehr der Ausländer investiert werden".[4] „Kauft bei Deutschen!" heißt es in einer Zeitung der Partei über nationale „Maßnahmen gegen die Krise".[5]
 
Führer
 
Positionen, wie sie die NPD vertritt, finden zunehmend Anklang in der deutschen Bevölkerung. Mehrere Umfragen der vergangenen Monate zeigen, dass die Partei ihr Potenzial bei Wahlen bislang nicht annähernd ausgeschöpft hat. So hält fast ein Drittel aller Deutschen die Bundesrepublik für „in einem gefährlichen Maß überfremdet". Rund 18 Prozent bezeichnen den angeblichen „Einfluss der Juden" als „zu groß". Etwa 13 Prozent wünschen sich einen "Führer", „der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert".[6] Der Rechtsextremismus breitet sich vor allem unter Jugendlichen aus. Wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie hervorgeht, vertritt jeder siebte Heranwachsende in hohem Maße ausländerfeindliche Positionen.[7] Fast fünf Prozent aller männlichen Fünfzehnjährigen sind darüber hinaus in rechtsextremen Organisationen aktiv. Zugleich werden Rechtsextreme in Deutschland immer gewalttätiger. So führt die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2008 insgesamt 20.422 rechts motivierte Straftaten auf - das sind rund 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die rechts motivierten Gewalttaten stiegen um 5,6 Prozent an und lagen bei 1.113 - das sind mehr als drei Gewalttaten pro Tag.[8]
 
Ein Herz für Deutschland
 
Grundlage dieser Entwicklung ist ein dramatisches Anwachsen des deutschen Nationalismus, das eine jetzt publizierte Studie dokumentiert. Demnach sind 60 Prozent der Bevölkerung „stolz, Deutscher zu sein".[9] Rund 70 Prozent verspüren angesichts der Zuwanderung in die Bundesrepublik „ein Unwohlsein im Hinblick auf die Bewahrung ihres Deutsch-Seins". Ebenso viele wünschen sich „ein stärkeres Wir-Gefühl unter den Deutschen" und meinen, es sei nun an der Zeit, „trotz der Geschichte wieder stolz auf Deutschland sein zu können".
 
Der Mittelpunkt des neuen deutschen Nationalismus gleicht dabei ganz dem alten: Er basiert nicht auf politischen Errungenschaften wie etwa der Demokratie, sondern auf Sekundärtugenden und einem irrationalen Gefühl. Der Studie zufolge ist der "typische Deutsche" nach Auffassung von 90 Prozent der Befragten „pflichtbewusst und leistungsorientiert" und schätzt „Regeln und Ordnung". 70 Prozent fühlen sich „dem Land verbunden", weil „ihr Herz an Deutschland" hängt. Der Slogan "Ein Herz für Deutschland" wird zu Propagandazwecken vor allem von der Partei genutzt, die am Freitag ihre neue Kampagne zur Wirtschaftskrise in die Öffentlichkeit trug - von der NPD. (PK) 
 
[1] 1mai.jn-bw.de
[2] Auf die Straße! Vor die Werkstore!; www.npd.de
[3] Faltblatt "Globalisierung stoppen - Gerechtigkeit schaffen"; www.npd.de
[4] Deutsche Arbeit zuerst für Deutsche; www.npd.de
[5] Jetzt reicht's!; www.npd.de
[6] Elmar Brähler, Oliver Decker: Bewegung in der Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008, Leipzig/Berlin 2008
[7] Dirk Baier, Christian Pfeiffer: Mitgliedschaft in rechten Gruppen und Kameradschaften, Hannover 2009
[8] Bundesinnenministerium legt bundesweite Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität für das Jahr 2008 vor; www.bmi.bund.de 20.04.2009
[9] Wieder eins mit der Nation, sogar im Herzen; Presseinformation der Identity Foundation 29.04.2009 

Online-Flyer Nr. 196  vom 06.05.2009

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