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Kultur und Wissen
Kirchenkritiker Karlheinz Deschner wird am 23. Mai 85 Jahre alt
„Mit Gott und den Faschisten“
Von Peter Kleinert
Karlheinz Deschner, am 23. Mai 1924 in Bamberg geboren - aus einem katholischen Elternhaus stammend, also entsprechend getauft und erzogen, als Freiwilliger Fallschirmjäger im Zweiten Weltkrieg, danach Student der Theologie, Literatur und Geschichte, 1951 aufgrund seiner Heirat mit der geschiedenen Elfi Tuch von allen Sakramenten ausgeschlossen - lebt in Haßfurth am Main. 1956 veröffentlichte er den Roman "Die Nacht steht um mein Haus", 1957 die ästhetische Streitschrift "Kitsch, Konvention und Kunst", 1962 “Und abermals krähte der Hahn“, sein erstes Buch, das sich kritisch mit der katholischen Kirche und ihren “Oberhäuptern“ im Vatikan auseinandersetzt. Es folgten zahlreiche Bücher zur Kirchengeschichte, Schriften zur Literatur- und Gesellschaftskritik, 3 Bände mit Aphorismen und anlässlich des 11. September das USA-kritische Werk "Der Moloch".
Seit 1970 arbeitet Karlheinz Deschner an seiner "Kriminalgeschichte des Christentums", für die er, obwohl alles was er dort z.B. über die Verbrechen der Päpste und die Heuchelei ihrer offiziellen Geschichtsschreiber veröffentlicht hat, wissenschaftlich einwandfrei belegt ist, natürlich von der “Kirche“ und ihren “Würdenträgern“ wie der Teufel gehasst wird. Also trauen sich die üblichen deutschen Medien wohl auch diesmal nicht, ihn den “Gläubigen“ und den “Ungläubigen“ angemessen vorzustellen, auch wenn er für seine Bücher unter anderem mit dem Arno Schmidt-Preis, dem Alternativen Büchner-Preis, dem Giordano Bruno-Preis und, als erster Deutscher, mit dem International Humanist Award ausgezeichnet worden ist. So wird man mit ihm vermutlich auch zu seinem 85sten Geburtstag ähnlich verfahren wie 2005 - einige Monate vor dem "Weltjugendtag" in Köln.
Bei „Maischberger“ telefonisch abgesagt
Eigentlich sollte er damals, am 19. April, 23 Uhr, in der ARD-Sendung "Menschen bei Maischberger" auftreten. Am Mittag des 18. April hielt er bereits die vom Sender zugestellten Fahrkarten in der Hand, als seine Teilnahme bei Maischberger telefonisch abgesagt wurde. Im Verlauf eines "klärenden Gesprächs" fiel der Satz: „Die katholische Kirche setzt sich nicht mit jedem an den Tisch!" Mit Deschner am Tisch sitzen sollte bei Sandra Maischberger - neben Experten für verschiedene Religionen - auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Der aber hatte bei Kardinal Ratzinger promoviert. Von mir gefragt, ob er der NRhZ einen aufklärenden Beitrag zum Weltjugendtag schreiben wolle, stöhnte Deschner: „Sie wissen doch, dass ich zur Zeit an Band 9 (der "Kriminalgeschichte des Christentums", P.K.) arbeite."
Nun arbeitet er an Band 10. Und in Köln haben wir vor zwei Wochen erlebt, wie sich Rechtsextremisten unter den netten Tarnnamen “pro Köln/pro NRW“ gemeinsam mit Neofaschisten aus anderen europäischen Ländern auf die anstehenden Wahlen vorbereiten.
Deshalb hier ein Text, den Deschner in dem später von NRW-Ministerpräsident Clement und seiner Landesrundfunkanstalt platt gemachten unabhängigen Fernsehsender KANAL 4 in Nordrhein-Westfalen als "Wort am Sonntag" vorgetragen hat – in der Sendereihe "Mit Gott und den Faschisten - Zur Politik der Päpste im 20. Jahrhundert". Der Beitrag gibt einen Hinweis darauf, was uns bevorstehen könnte, wenn wir mit den deutschen Veranstaltern und europäischen “Ehrengästen“ des "Anti-Islamisierungs-Kongresses" ähnlich vertrauensselig umgehen würden, wie unsere Großeltern mit den Nazis von Adolf Hitler im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren.
In den insgesamt zwölf Fernseh-Essays “Das Wort am Sonntag“ beweist Karlheinz Deschner, dass die "Stellvertreter Gottes" im Vatikan - von Leo XIII. bis Pius XII - wesentlich zur Herrschaft des Faschismus in Italien, Deutschland, Spanien und Jugoslawien und damit zu den politischen Katastrophen und zum Völkermord im 20. Jahrhundert beigetragen haben. Auch der deutsche Episkopat und die deutsche Geistlichkeit waren in ihrer großen Mehrheit damit einverstanden, dass die Nazis Liberale, Sozialdemokraten, Kommunisten, Juden und Zigeuner verfolgten. So manche, die heute als Widerstandskämpfer gefeiert werden, wie die Kardinäle Faulhaber oder von Galen, sind keineswegs immer und entschieden gegen die Faschisten eingetreten. Und der Kölner Oberbürgermeister und Abgeordnete der katholischen Zentrumspartei, Konrad Adenauer, beglückwünschte damals Benito Mussolini, sein Name werde „in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen werden".
“Das Ermächtigungsgesetz“
Das römische Papsttum, durch Kriege und Betrug groß geworden, durch Kriege und Betrug groß geblieben, hatte durch Pius X. den Ausbruch des mörderischen Ersten Weltkriegs gefördert und durch Pius XI. entscheidend die Heraufkunft des Faschismus - eine klero-faschistische Verbrüderung, die zunächst 1929 in den Lateran-Verträgen gipfelte, von Adolf Hitler ebenso begeistert gepriesen, wie von dessen späterem Gefolgsmann Kardinal Faulhaber oder dem Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer.
Pius XI. aber, der durch die Preisgabe der katholischen Volkpartei Italiens und die Erhebung Mussolinis so sensationelle Erfolge in Italien errungen hatte, versuchte nun einen ganz ähnlichen Umsturz in Deutschland durch Preisgabe der katholischen Zentrumspartei. Beide Male betrieb der Papst die Auflösung der eigenen katholischen Partei, um dort Mussolini, hier Hitler an die Macht zu bringen.
Wie Katholik Mussolini hatte Katholik Hitler ein sehr ambivalentes, wenn auch ganz anders geartetes Verhältnis zum Katholizismus. Als Schüler besuchte er das Benediktinerstift Lambach, war dort Ministrant, was auch Heinrich Himmler gewesen, und wollte einmal Abt werden. Später verdankte Hitler den katholischen Mönchen so gut wie alles: Hier stützten und schützten ihn katholisch-konservative Politiker und katholisch-konservative Gerichte; er gewann in Bayern Boden, indem er sich als künftiger Vernichter des jüdischen Bolschewismus präsentierte, indem er in seinem Buch "Mein Kampf" und in Reden die römische Kirche, deren enormen Einfluss er in Österreich kennen gelernt, über alles schonte.
Ja ausdrücklich bekannte er sich zum "Werk des Herrn", betonte wiederholt, seine Bewegung für immer frei zu halten von allen religiösen Diskussionen und Kämpfen und erklärte 1928 in Passau: "In unseren Reihen dulden wir keinen, der die Gedanken des Christentums verletzt, der einem anders Gesinnten Widerstand entgegen trägt, ihn bekämpft oder sich als Erbfeind des Christentums provoziert. Diese unsere Bewegung ist tatsächlich christlich." An seiner politischen Gegnerschaft zum Zentrum aber ließ Hitler stets so wenig einen Zweifel wie andererseits das Zentrum an seinem Antinazismus, ebenso der deutsche Episkopat - jedenfalls vor 1933.
Stand jedoch die Phalanx des deutschen Katholizismus bis zum Frühjahr 1933 nahezu geschlossen gegen die Nazipartei, so dachte man über sie im Vatikan bereits ganz anders: Im kommunistischen Russland, die größte Christenbekämpfung der neuesten Zeit, in Deutschland Hitlers spektakuläre Erfolge zu Beginn der 30iger Jahre vor Augen, konnte für das stets opportunistische Papsttum, das durch Anpassung an den jeweils Stärksten lebt und überlebt, die Entscheidung nicht anders ausfallen.
Nichts betet die römische Kurie mehr an, als Macht und Erfolg. Hatte sie auch keine Sympathie für die nazistische Rassenideologie, so jagte und mordete ihr eigener Anhang doch selbst die Juden durch zwei Jahrtausende. War Rom auch der wilde Antiklerikalismus eines Streicher oder Rosenberg verhasst, Hitler persönlich hatte sich immer wieder auf den Boden des Christentums gestellt und seine Geneigtheit, mit den Kirchen zu kooperieren, signalisiert.
So plädierte Pius XI. schon 1931 für ein Zusammengehen des Zentrums und der katholischen Bayerischen Volkspartei mit dem Nationalsozialismus. Ähnlich äußerte sich im Sommer des folgenden Jahres Kardinalstaatssekretär Pacelli, der nächste Papst, den am meisten am Wahlausgang nicht die 120 Mandate beunruhigten, die Hitler dazu gewonnen - übrigens vor allem mit amerikanischem Geld - sondern die elf weiteren der Kommunisten. Sofort nach der Wahl 1932 hoffte und wünschte der Kardinalstaatssekretär gegenüber dem bayerischen Vatikangesandten Baron Ritter, dass "die auf christlicher Grundlage stehenden Parteien", zu denen sich gleichfalls die nunmehr stärkste Partei des Reichstags, die nationalsozialistische Partei, zähle, "alles daran setzen werden, den hinter der kommunistischen Partei marschierenden Kulturbolschewismus von Deutschland fernzuhalten."
Notwendig erschien Pacelli nun eine neue Koalition im Reichstag, was für das Zentrum und die katholische Bayerische Volkspartei hieß, wörtlich: "...sich jetzt mehr nach rechts zu orientieren und dort eine für ihre Grundsätze tragbare Koalition zu suchen". Ergo steuerte der Kardinal, der als einstiger Nuntius in München und Berlin die Verhältnisse im Reich genau kannte, die Zentrumspartei, das politische Instrument der Kurie in Deutschland, den Nazis nun direkt in die Arme.
Einer seiner Paladine, der päpstliche Kammerherr und nachmalige Stellvertreter Hitlers, Franz von Papen, beseitigte im Sommer 1932 als Reichskanzler die sozialdemokratische Regierung Braun/Severing, hob das Verbot der SA, der SS auf und tat alles, um Hitler an die Macht zu bringen.
Zweiter im Bund: Pacelli-Freund Prälat Ludwig Kaas, Professor für Kirchenrecht, der als Zentrumsführer keine wichtige Entscheidung ohne Pacellis Zustimmung fällte. Kaum hatte Kaas das Votum seiner Fraktion für Hitlers Ermächtigungsgesetz, das diesem die Diktatur ermöglichte, verschwand er nach Rom. Von dort sandte er Hitler, mit dem er unmittelbar zuvor - ohne Wissen selbst seiner nächsten Parteifreunde - unter vier Augen konferiert hatte, "aufrichtige Segenswünsche", forderte die Auflösung des Zentrums, die auch prompt erfolgte, und beschwichtigte, nach Rücksprache mit dem Papst und Pacelli, viele protestierende Katholiken: "Hitler weiß das Staatsschiff wohl zu lenken. Noch ehe er Kanzler wurde, traf ich ihn wiederholt und war sehr beeindruckt von seiner Art, den Tatsachen ins Auge zu sehen und dabei doch seinen edlen Idealen treu zu bleiben."
Nicht das Gros der Katholiken also ging zuerst zu Hitler über, wie man der Welt so gern vorgelogen, dann der Episkopat, dann die Kurie, sondern umgekehrt: Der Papst entschloss sich, das mit Mussolini geglückte Experiment mit Hitler zu wiederholen. Die deutschen Bischöfe gehorchten, und die Gläubigen mussten folgen.
In Ansprachen im November 1933 bekannte der päpstliche Kammerherr von Papen: "Dass ich damals bei der Übernahme der Kanzlerschaft dafür geworben habe, der jungen kämpfenden Freiheitsbewegung den Weg zur Macht zu ebnen, dass die Vorsehung mich dazu bestimmt hatte, ein Wesentliches zur Geburt der Regierung der nationalen Erhebung beizutragen, dass das wundervolle Aufbauwerk des Kanzlers und seiner großen Bewegung unter keinen Umständen gefährdet werden (dürfe) und dass die Strukturelemente des Nationalsozialismus der katholischen Lebensauffassung nicht wesensfremd (seien), sondern (damals oft zu hören) sie entsprechen ihr in fast allen Beziehungen."
"Der liebe Gott", rief Papen, "hat Deutschland gesegnet, dass er ihm in Zeiten tiefer Not einen Führer gab." (PK)
Hierzu auch der Filmclip "Ketzerverbrennung" in dieser NRhZ-Ausgabe
Mehr über Karlheinz Deschner unter http://www.deschner.info
Filme von KAOS Film-und Video-Team Köln mit Karlheinz Deschner:
“Mit Gott und den Faschisten – Zur Politik der Päpste im 20.Jahrhundert“ - 12 Folgen
„Ketzerverbrennung"
"Im Grunde bin ich ein aus lauter Zweifeln bestehender gläubiger Mensch"
Mehr unter http://www.kaos-archiv.de/
Online-Flyer Nr. 198 vom 20.05.2009
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Kultur und Wissen
Kirchenkritiker Karlheinz Deschner wird am 23. Mai 85 Jahre alt
„Mit Gott und den Faschisten“
Von Peter Kleinert
Karlheinz Deschner, am 23. Mai 1924 in Bamberg geboren - aus einem katholischen Elternhaus stammend, also entsprechend getauft und erzogen, als Freiwilliger Fallschirmjäger im Zweiten Weltkrieg, danach Student der Theologie, Literatur und Geschichte, 1951 aufgrund seiner Heirat mit der geschiedenen Elfi Tuch von allen Sakramenten ausgeschlossen - lebt in Haßfurth am Main. 1956 veröffentlichte er den Roman "Die Nacht steht um mein Haus", 1957 die ästhetische Streitschrift "Kitsch, Konvention und Kunst", 1962 “Und abermals krähte der Hahn“, sein erstes Buch, das sich kritisch mit der katholischen Kirche und ihren “Oberhäuptern“ im Vatikan auseinandersetzt. Es folgten zahlreiche Bücher zur Kirchengeschichte, Schriften zur Literatur- und Gesellschaftskritik, 3 Bände mit Aphorismen und anlässlich des 11. September das USA-kritische Werk "Der Moloch".
Seit 1970 arbeitet Karlheinz Deschner an seiner "Kriminalgeschichte des Christentums", für die er, obwohl alles was er dort z.B. über die Verbrechen der Päpste und die Heuchelei ihrer offiziellen Geschichtsschreiber veröffentlicht hat, wissenschaftlich einwandfrei belegt ist, natürlich von der “Kirche“ und ihren “Würdenträgern“ wie der Teufel gehasst wird. Also trauen sich die üblichen deutschen Medien wohl auch diesmal nicht, ihn den “Gläubigen“ und den “Ungläubigen“ angemessen vorzustellen, auch wenn er für seine Bücher unter anderem mit dem Arno Schmidt-Preis, dem Alternativen Büchner-Preis, dem Giordano Bruno-Preis und, als erster Deutscher, mit dem International Humanist Award ausgezeichnet worden ist. So wird man mit ihm vermutlich auch zu seinem 85sten Geburtstag ähnlich verfahren wie 2005 - einige Monate vor dem "Weltjugendtag" in Köln.
Bei „Maischberger“ telefonisch abgesagt
Eigentlich sollte er damals, am 19. April, 23 Uhr, in der ARD-Sendung "Menschen bei Maischberger" auftreten. Am Mittag des 18. April hielt er bereits die vom Sender zugestellten Fahrkarten in der Hand, als seine Teilnahme bei Maischberger telefonisch abgesagt wurde. Im Verlauf eines "klärenden Gesprächs" fiel der Satz: „Die katholische Kirche setzt sich nicht mit jedem an den Tisch!" Mit Deschner am Tisch sitzen sollte bei Sandra Maischberger - neben Experten für verschiedene Religionen - auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Der aber hatte bei Kardinal Ratzinger promoviert. Von mir gefragt, ob er der NRhZ einen aufklärenden Beitrag zum Weltjugendtag schreiben wolle, stöhnte Deschner: „Sie wissen doch, dass ich zur Zeit an Band 9 (der "Kriminalgeschichte des Christentums", P.K.) arbeite."
Nun arbeitet er an Band 10. Und in Köln haben wir vor zwei Wochen erlebt, wie sich Rechtsextremisten unter den netten Tarnnamen “pro Köln/pro NRW“ gemeinsam mit Neofaschisten aus anderen europäischen Ländern auf die anstehenden Wahlen vorbereiten.
Deshalb hier ein Text, den Deschner in dem später von NRW-Ministerpräsident Clement und seiner Landesrundfunkanstalt platt gemachten unabhängigen Fernsehsender KANAL 4 in Nordrhein-Westfalen als "Wort am Sonntag" vorgetragen hat – in der Sendereihe "Mit Gott und den Faschisten - Zur Politik der Päpste im 20. Jahrhundert". Der Beitrag gibt einen Hinweis darauf, was uns bevorstehen könnte, wenn wir mit den deutschen Veranstaltern und europäischen “Ehrengästen“ des "Anti-Islamisierungs-Kongresses" ähnlich vertrauensselig umgehen würden, wie unsere Großeltern mit den Nazis von Adolf Hitler im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren.
In den insgesamt zwölf Fernseh-Essays “Das Wort am Sonntag“ beweist Karlheinz Deschner, dass die "Stellvertreter Gottes" im Vatikan - von Leo XIII. bis Pius XII - wesentlich zur Herrschaft des Faschismus in Italien, Deutschland, Spanien und Jugoslawien und damit zu den politischen Katastrophen und zum Völkermord im 20. Jahrhundert beigetragen haben. Auch der deutsche Episkopat und die deutsche Geistlichkeit waren in ihrer großen Mehrheit damit einverstanden, dass die Nazis Liberale, Sozialdemokraten, Kommunisten, Juden und Zigeuner verfolgten. So manche, die heute als Widerstandskämpfer gefeiert werden, wie die Kardinäle Faulhaber oder von Galen, sind keineswegs immer und entschieden gegen die Faschisten eingetreten. Und der Kölner Oberbürgermeister und Abgeordnete der katholischen Zentrumspartei, Konrad Adenauer, beglückwünschte damals Benito Mussolini, sein Name werde „in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen werden".
“Das Ermächtigungsgesetz“
Das römische Papsttum, durch Kriege und Betrug groß geworden, durch Kriege und Betrug groß geblieben, hatte durch Pius X. den Ausbruch des mörderischen Ersten Weltkriegs gefördert und durch Pius XI. entscheidend die Heraufkunft des Faschismus - eine klero-faschistische Verbrüderung, die zunächst 1929 in den Lateran-Verträgen gipfelte, von Adolf Hitler ebenso begeistert gepriesen, wie von dessen späterem Gefolgsmann Kardinal Faulhaber oder dem Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer.
Pius XI. aber, der durch die Preisgabe der katholischen Volkpartei Italiens und die Erhebung Mussolinis so sensationelle Erfolge in Italien errungen hatte, versuchte nun einen ganz ähnlichen Umsturz in Deutschland durch Preisgabe der katholischen Zentrumspartei. Beide Male betrieb der Papst die Auflösung der eigenen katholischen Partei, um dort Mussolini, hier Hitler an die Macht zu bringen.
Wie Katholik Mussolini hatte Katholik Hitler ein sehr ambivalentes, wenn auch ganz anders geartetes Verhältnis zum Katholizismus. Als Schüler besuchte er das Benediktinerstift Lambach, war dort Ministrant, was auch Heinrich Himmler gewesen, und wollte einmal Abt werden. Später verdankte Hitler den katholischen Mönchen so gut wie alles: Hier stützten und schützten ihn katholisch-konservative Politiker und katholisch-konservative Gerichte; er gewann in Bayern Boden, indem er sich als künftiger Vernichter des jüdischen Bolschewismus präsentierte, indem er in seinem Buch "Mein Kampf" und in Reden die römische Kirche, deren enormen Einfluss er in Österreich kennen gelernt, über alles schonte.
Ja ausdrücklich bekannte er sich zum "Werk des Herrn", betonte wiederholt, seine Bewegung für immer frei zu halten von allen religiösen Diskussionen und Kämpfen und erklärte 1928 in Passau: "In unseren Reihen dulden wir keinen, der die Gedanken des Christentums verletzt, der einem anders Gesinnten Widerstand entgegen trägt, ihn bekämpft oder sich als Erbfeind des Christentums provoziert. Diese unsere Bewegung ist tatsächlich christlich." An seiner politischen Gegnerschaft zum Zentrum aber ließ Hitler stets so wenig einen Zweifel wie andererseits das Zentrum an seinem Antinazismus, ebenso der deutsche Episkopat - jedenfalls vor 1933.
Stand jedoch die Phalanx des deutschen Katholizismus bis zum Frühjahr 1933 nahezu geschlossen gegen die Nazipartei, so dachte man über sie im Vatikan bereits ganz anders: Im kommunistischen Russland, die größte Christenbekämpfung der neuesten Zeit, in Deutschland Hitlers spektakuläre Erfolge zu Beginn der 30iger Jahre vor Augen, konnte für das stets opportunistische Papsttum, das durch Anpassung an den jeweils Stärksten lebt und überlebt, die Entscheidung nicht anders ausfallen.
Nichts betet die römische Kurie mehr an, als Macht und Erfolg. Hatte sie auch keine Sympathie für die nazistische Rassenideologie, so jagte und mordete ihr eigener Anhang doch selbst die Juden durch zwei Jahrtausende. War Rom auch der wilde Antiklerikalismus eines Streicher oder Rosenberg verhasst, Hitler persönlich hatte sich immer wieder auf den Boden des Christentums gestellt und seine Geneigtheit, mit den Kirchen zu kooperieren, signalisiert.
So plädierte Pius XI. schon 1931 für ein Zusammengehen des Zentrums und der katholischen Bayerischen Volkspartei mit dem Nationalsozialismus. Ähnlich äußerte sich im Sommer des folgenden Jahres Kardinalstaatssekretär Pacelli, der nächste Papst, den am meisten am Wahlausgang nicht die 120 Mandate beunruhigten, die Hitler dazu gewonnen - übrigens vor allem mit amerikanischem Geld - sondern die elf weiteren der Kommunisten. Sofort nach der Wahl 1932 hoffte und wünschte der Kardinalstaatssekretär gegenüber dem bayerischen Vatikangesandten Baron Ritter, dass "die auf christlicher Grundlage stehenden Parteien", zu denen sich gleichfalls die nunmehr stärkste Partei des Reichstags, die nationalsozialistische Partei, zähle, "alles daran setzen werden, den hinter der kommunistischen Partei marschierenden Kulturbolschewismus von Deutschland fernzuhalten."
Notwendig erschien Pacelli nun eine neue Koalition im Reichstag, was für das Zentrum und die katholische Bayerische Volkspartei hieß, wörtlich: "...sich jetzt mehr nach rechts zu orientieren und dort eine für ihre Grundsätze tragbare Koalition zu suchen". Ergo steuerte der Kardinal, der als einstiger Nuntius in München und Berlin die Verhältnisse im Reich genau kannte, die Zentrumspartei, das politische Instrument der Kurie in Deutschland, den Nazis nun direkt in die Arme.
Einer seiner Paladine, der päpstliche Kammerherr und nachmalige Stellvertreter Hitlers, Franz von Papen, beseitigte im Sommer 1932 als Reichskanzler die sozialdemokratische Regierung Braun/Severing, hob das Verbot der SA, der SS auf und tat alles, um Hitler an die Macht zu bringen.
Zweiter im Bund: Pacelli-Freund Prälat Ludwig Kaas, Professor für Kirchenrecht, der als Zentrumsführer keine wichtige Entscheidung ohne Pacellis Zustimmung fällte. Kaum hatte Kaas das Votum seiner Fraktion für Hitlers Ermächtigungsgesetz, das diesem die Diktatur ermöglichte, verschwand er nach Rom. Von dort sandte er Hitler, mit dem er unmittelbar zuvor - ohne Wissen selbst seiner nächsten Parteifreunde - unter vier Augen konferiert hatte, "aufrichtige Segenswünsche", forderte die Auflösung des Zentrums, die auch prompt erfolgte, und beschwichtigte, nach Rücksprache mit dem Papst und Pacelli, viele protestierende Katholiken: "Hitler weiß das Staatsschiff wohl zu lenken. Noch ehe er Kanzler wurde, traf ich ihn wiederholt und war sehr beeindruckt von seiner Art, den Tatsachen ins Auge zu sehen und dabei doch seinen edlen Idealen treu zu bleiben."
Nicht das Gros der Katholiken also ging zuerst zu Hitler über, wie man der Welt so gern vorgelogen, dann der Episkopat, dann die Kurie, sondern umgekehrt: Der Papst entschloss sich, das mit Mussolini geglückte Experiment mit Hitler zu wiederholen. Die deutschen Bischöfe gehorchten, und die Gläubigen mussten folgen.
In Ansprachen im November 1933 bekannte der päpstliche Kammerherr von Papen: "Dass ich damals bei der Übernahme der Kanzlerschaft dafür geworben habe, der jungen kämpfenden Freiheitsbewegung den Weg zur Macht zu ebnen, dass die Vorsehung mich dazu bestimmt hatte, ein Wesentliches zur Geburt der Regierung der nationalen Erhebung beizutragen, dass das wundervolle Aufbauwerk des Kanzlers und seiner großen Bewegung unter keinen Umständen gefährdet werden (dürfe) und dass die Strukturelemente des Nationalsozialismus der katholischen Lebensauffassung nicht wesensfremd (seien), sondern (damals oft zu hören) sie entsprechen ihr in fast allen Beziehungen."
"Der liebe Gott", rief Papen, "hat Deutschland gesegnet, dass er ihm in Zeiten tiefer Not einen Führer gab." (PK)
Hierzu auch der Filmclip "Ketzerverbrennung" in dieser NRhZ-Ausgabe
Mehr über Karlheinz Deschner unter http://www.deschner.info
Filme von KAOS Film-und Video-Team Köln mit Karlheinz Deschner:
“Mit Gott und den Faschisten – Zur Politik der Päpste im 20.Jahrhundert“ - 12 Folgen
„Ketzerverbrennung"
"Im Grunde bin ich ein aus lauter Zweifeln bestehender gläubiger Mensch"
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