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Arbeit und Soziales
Zu dünn, zu schwach, zu konsensfähig – aber:
Vielleicht ein Anfang
Von Hans-Dieter Hey
Zu weit weg vom Generalstreik
„Umdenken – gegenlenken“ hieß die sperrige Überschrift auf dem Kapitalismus-Kongress des DGB am 14. Mai in Berlin. Die Parole „Für Arbeit und soziale Gerechtigkeit! Profiteure zur Kasse!“ am 16.5. war auch nicht besser. Es war jedenfalls weniger als das „Aufstehen für eine andere Politik“ im Jahr 2002 – aber immer noch mehr als „Deine Würde ist unser Maß“ vom Mai 2006. Was sind das für schwache Töne, haben wir doch immerhin die schwerste Wirtschaftskrise seit Ende der 1920er Jahre mit inzwischen ziemlich verheerenden Auswirkungen, die sich über Jahre ankündigte.
Und wir stehen erst am Beginn dieser Krise. Und die ist nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde so gemacht, wie immer. Nämlich in einem Rausch „schöpferischer Zerstörung“ – so heißt das wirklich – mit dem Ziel der Erneuerung des Kapitalismus, damit alles so weitergeht, wie bisher. Und das bedeutet den Fortgang weiterer Ausbeutung durch die sitten- und verantwortungslosen Strolche aus den Chefetagen, der Politik und aus Lobbyistenkreisen. „Die Eliten in Politik und Wirtschaft haben versagt! Versagt auf der ganzen Linie!“, sagte DGB-Chef Michael Sommer am Samstag und forderte Umkehr. Immerhin – verkündete er Tage zuvor –erwarte man ja soziale Unruhen.
Zu weit weg vom Kanzlerinnenbungalow, um gehört zu werden
Das kommt reichlich spät und etwas dünn. Und dass solche Demonstrationen wie am Samstag kaum noch irgendwen in Politik und Wirtschaft beeindrucken, zeigen die Demonstrationen der vergangenen Jahre z.B. gegen Agenda 2010 und Hartz IV. So ist das eben in einer postdemokratischen Gesellschaft, in der die Arroganz der Macht herrscht – und merkwürdiger Weise auch immer wieder gewählt wird. Irgendwie scheint man bei den Gewerkschaften nur träge in die Gänge zu kommen, obwohl längst begriffen wurde, wo in diesem Land der Frosch die Locken hat. Die jahrelange Konsensorientierung hat nämlich mit dazu beigetragen, das nun alles so ist wie es ist.
Obwohl man seit Jahren in wirklich guten Gewerkschaftsveröffentlichungen wie „Wirtschaftspolitik aktuell“ von ver.di oder den Fachaufsätzen der Hans-Böckler-Stiftung die krisenhaften Entwicklungen und Fehlsteuerungen der Politik nachlesen konnte. Wirtschafts- und strukturpolitische Alternativen lagen also längst vor. Zu wirkungsvollen Aktivitäten zu ihrer Durchsetzung haben weder Veröffentlichungen noch Demos bisher geführt. Dabei wäre es längst notwendig gewesen, die Beschäftigten in den Betrieben massiv zu mobilisieren und sie zum Widerstand gegen die katastrophalen Entwicklungen infolge der politisch völlig falscher Weichenstellungen aufzufordern. Den Generalstreik wünschen sich aber immer mehr Menschen. Einer von ihnen ist der Gewerkschafter Bernd Riexinger. „Meiner Meinung nach müssen wir den Generalstreik in Deutschland etappenweise vorbereiten“, äußerte er in der Jungen Welt vom 28. März.
Zu weit weg, damit „die da oben" verstehen
Doch gäbe man den Gewerkschaften allein die Schuld, wäre das sicher zu kurz gegriffen. Ein weiterer Grund könnte nämlich auch sein, dass viele Menschen die Dramatik der Situation einfach immer noch nicht begreifen wollen, weil die Krise bei ihnen persönlich noch nicht angekommen ist. Das könnte sich allerdings sehr schnell ändern. Manche Fachleute sprechen schon von einer Arbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent. Und wenn die Bundesregierung jetzt den Anspruch auf Kurzarbeitergeld auf 24 Monate ausdehnt, muss jeder wissen, dass viele der KurzarbeiterInnen finanziell an den Rand von Hartz IV gedrückt werden und praktisch arbeitslos sind, aber nicht in den Arbeitslosenzahlen auftauchen. Zur Erinnerung: Hartz IV war das sozialpolitische Gangsterstück der rot-grünen Regierung mit Unterstützung der CDU, die das Überlebensniveau von Erwerbslosen im Jahr 2005 ff. auf das Sozialhilfeniveau von 1989 kürzte. Keine guten Aussichten für viele.
Und es gibt genügend Anzeichen, dass alles so weitergeht. Aus dem neoliberalen Lager ist bereits der Schwachsinn vernehmen, Hartz IV sei überflüssig. Doch das ist noch nicht alles, wie die kosmetischen Korrekturen, verschiedenen „Rettungsversuche" und wirkungslosen Maßnahmen gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise inzwischen zeigen. Die meisten werden dies nach den Wahlen noch bitter zu spüren bekommen. Vor allem, wenn eine schwarz-gelbe Regierung so weitermachen würde, wie bisher. Man stelle sich einfach vor, dass die selbsternannte Ikone der Freiheit, Guido Westerwelle, mitredet. Der Mann mit den schlichten Antworten, der mit Bierdeckelsteuerlösungen und Steuererleichterungen für Vermögende schwierigste gesellschaftliche Fragen lösen will. Und mit einer Kanzlerin Angela Merkel, die mit ihrer kabarettfähigen Knopfleiste und unverbesserlicher Lernunfähigkeit in die Annalen der Geschichte einzugehen droht. Für manche sind solche Gedanken, das mit einer solchen Regierung des „mehr vom unwirksamen Alten“ auf uns zukommt, schier unerträglich.
Zu weit weg von der Realität der Menschen
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Es könnte also gut sein, dass die Demonstration am Samstag zu spät und zu dünn war und allein von der Hoffnung getragen wurde, dass Einsicht in die ökonomischen und politischen Akteure einkehrt. Doch hier geht es nicht um Einsicht und besseres Wissen, sondern um Macht und Unterwerfung. Uns Deutschen ist in diesem Punkt nämlich nicht zu trauen. Hoffentlich werden das die meisten nicht zu spät begreifen. Ein Generalstreik als demokratisches Mittel sollte dann doch lieber in den Überlegungen und vor allem das kleinere Übel sein. Und vielleicht wirkt es ja, wenn auf einen Schlag drei Millionen Gewerkschaftsmitglieder auf die Straße gingen. Also ein richtigs Thema für die Gewerkschaften. Und das könnte alles durchaus auch etwas zackiger gehen. Letzten Samstag kann man diesbezüglich aber nur als Übung sehen. (HDH)
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Online-Flyer Nr. 198 vom 20.05.2009
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Arbeit und Soziales
Zu dünn, zu schwach, zu konsensfähig – aber:
Vielleicht ein Anfang
Von Hans-Dieter Hey
Zu weit weg vom Generalstreik
Und wir stehen erst am Beginn dieser Krise. Und die ist nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde so gemacht, wie immer. Nämlich in einem Rausch „schöpferischer Zerstörung“ – so heißt das wirklich – mit dem Ziel der Erneuerung des Kapitalismus, damit alles so weitergeht, wie bisher. Und das bedeutet den Fortgang weiterer Ausbeutung durch die sitten- und verantwortungslosen Strolche aus den Chefetagen, der Politik und aus Lobbyistenkreisen. „Die Eliten in Politik und Wirtschaft haben versagt! Versagt auf der ganzen Linie!“, sagte DGB-Chef Michael Sommer am Samstag und forderte Umkehr. Immerhin – verkündete er Tage zuvor –erwarte man ja soziale Unruhen.
Zu weit weg vom Kanzlerinnenbungalow, um gehört zu werden
Das kommt reichlich spät und etwas dünn. Und dass solche Demonstrationen wie am Samstag kaum noch irgendwen in Politik und Wirtschaft beeindrucken, zeigen die Demonstrationen der vergangenen Jahre z.B. gegen Agenda 2010 und Hartz IV. So ist das eben in einer postdemokratischen Gesellschaft, in der die Arroganz der Macht herrscht – und merkwürdiger Weise auch immer wieder gewählt wird. Irgendwie scheint man bei den Gewerkschaften nur träge in die Gänge zu kommen, obwohl längst begriffen wurde, wo in diesem Land der Frosch die Locken hat. Die jahrelange Konsensorientierung hat nämlich mit dazu beigetragen, das nun alles so ist wie es ist.
Obwohl man seit Jahren in wirklich guten Gewerkschaftsveröffentlichungen wie „Wirtschaftspolitik aktuell“ von ver.di oder den Fachaufsätzen der Hans-Böckler-Stiftung die krisenhaften Entwicklungen und Fehlsteuerungen der Politik nachlesen konnte. Wirtschafts- und strukturpolitische Alternativen lagen also längst vor. Zu wirkungsvollen Aktivitäten zu ihrer Durchsetzung haben weder Veröffentlichungen noch Demos bisher geführt. Dabei wäre es längst notwendig gewesen, die Beschäftigten in den Betrieben massiv zu mobilisieren und sie zum Widerstand gegen die katastrophalen Entwicklungen infolge der politisch völlig falscher Weichenstellungen aufzufordern. Den Generalstreik wünschen sich aber immer mehr Menschen. Einer von ihnen ist der Gewerkschafter Bernd Riexinger. „Meiner Meinung nach müssen wir den Generalstreik in Deutschland etappenweise vorbereiten“, äußerte er in der Jungen Welt vom 28. März.
Zu weit weg, damit „die da oben" verstehen
Doch gäbe man den Gewerkschaften allein die Schuld, wäre das sicher zu kurz gegriffen. Ein weiterer Grund könnte nämlich auch sein, dass viele Menschen die Dramatik der Situation einfach immer noch nicht begreifen wollen, weil die Krise bei ihnen persönlich noch nicht angekommen ist. Das könnte sich allerdings sehr schnell ändern. Manche Fachleute sprechen schon von einer Arbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent. Und wenn die Bundesregierung jetzt den Anspruch auf Kurzarbeitergeld auf 24 Monate ausdehnt, muss jeder wissen, dass viele der KurzarbeiterInnen finanziell an den Rand von Hartz IV gedrückt werden und praktisch arbeitslos sind, aber nicht in den Arbeitslosenzahlen auftauchen. Zur Erinnerung: Hartz IV war das sozialpolitische Gangsterstück der rot-grünen Regierung mit Unterstützung der CDU, die das Überlebensniveau von Erwerbslosen im Jahr 2005 ff. auf das Sozialhilfeniveau von 1989 kürzte. Keine guten Aussichten für viele.
Und es gibt genügend Anzeichen, dass alles so weitergeht. Aus dem neoliberalen Lager ist bereits der Schwachsinn vernehmen, Hartz IV sei überflüssig. Doch das ist noch nicht alles, wie die kosmetischen Korrekturen, verschiedenen „Rettungsversuche" und wirkungslosen Maßnahmen gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise inzwischen zeigen. Die meisten werden dies nach den Wahlen noch bitter zu spüren bekommen. Vor allem, wenn eine schwarz-gelbe Regierung so weitermachen würde, wie bisher. Man stelle sich einfach vor, dass die selbsternannte Ikone der Freiheit, Guido Westerwelle, mitredet. Der Mann mit den schlichten Antworten, der mit Bierdeckelsteuerlösungen und Steuererleichterungen für Vermögende schwierigste gesellschaftliche Fragen lösen will. Und mit einer Kanzlerin Angela Merkel, die mit ihrer kabarettfähigen Knopfleiste und unverbesserlicher Lernunfähigkeit in die Annalen der Geschichte einzugehen droht. Für manche sind solche Gedanken, das mit einer solchen Regierung des „mehr vom unwirksamen Alten“ auf uns zukommt, schier unerträglich.
Zu weit weg von der Realität der Menschen
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Es könnte also gut sein, dass die Demonstration am Samstag zu spät und zu dünn war und allein von der Hoffnung getragen wurde, dass Einsicht in die ökonomischen und politischen Akteure einkehrt. Doch hier geht es nicht um Einsicht und besseres Wissen, sondern um Macht und Unterwerfung. Uns Deutschen ist in diesem Punkt nämlich nicht zu trauen. Hoffentlich werden das die meisten nicht zu spät begreifen. Ein Generalstreik als demokratisches Mittel sollte dann doch lieber in den Überlegungen und vor allem das kleinere Übel sein. Und vielleicht wirkt es ja, wenn auf einen Schlag drei Millionen Gewerkschaftsmitglieder auf die Straße gingen. Also ein richtigs Thema für die Gewerkschaften. Und das könnte alles durchaus auch etwas zackiger gehen. Letzten Samstag kann man diesbezüglich aber nur als Übung sehen. (HDH)
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Online-Flyer Nr. 198 vom 20.05.2009
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