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Globales
Chefankläger des Rote Khmer-Tribunals in Kambodscha gibt auf
Mit großer Frustration
Von Alexander Goeb
Der Kanadier war immer wieder dafür eingetreten, die Anklage nicht nur auf die fünf inhaftierten Führungsfiguren zu beschränken. Die Ausweitung der Anklage auf mindestens weitere sechs ehemalige führende Rote Khmer hatte die kambodschanische Co-Staatsanwältin Chea Leang, eine nahe Verwandte des stellvertretenden Ministerpräsidenten Sok An, blockiert. Sie argumentierte dabei ähnlich wie der Ministerpräsident und ehemalige Rote Khmer-Kommandant Hun Sen, der bei weiteren Verhaftungen und Anklagen einen neuen Bürgerkrieg kommen sieht.
Schlüsselfigur
William Schabas, Jura-Professor und enger Freund Petits, sagte zur Demission des Franko-Kanadiers: „Er war die Schlüsselfigur der Bemühungen, die Arbeit des Tribunals voran zu bringen. Er machte seinen Job und arbeitete hart.“ Zuletzt waren wohl die dabei auftretenden Widerstände zuviel geworden. „Er geht mit großer Frustration“, sagte Schabas. Robert Petit arbeitete drei Jahre in Kambodscha. Zuvor war er als Jurist in Ruanda, Sierra Leone, Kosovo und Ost-Timor tätig.
Bei meinem Besuch in Kambodscha 2007 ging es in einem längeren Gespräch mit Robert Petit u.a. um das Unverständnis der Bevölkerung über die komplizierte Arbeitsweise des Gerichtes. Zu der Zeit war niemand verhaftet und waren auch keine Namen möglicher Angeklagter bekannt. Die Verbrechen lagen 30 Jahre und länger zurück. Petit: „Sie müssen in der Lage sein, den Menschen auf überzeugende Weise ihre Entscheidungen zu erklären. Sie müssen den Opfern erklären können, warum die Person, die Tür an Tür mit ihnen lebt, nicht verfolgt wird, dafür aber ein anderer, von dem sie nur gehört haben, obwohl der Nachbar die ganze Familie umgebracht hat und sie die andere Person noch nie gesehen haben. Warum verfolgen sie diese und nicht den Nachbarn? Das müssen sie erklären können. Das ist in den seltensten Fällen befriedigend. Gewöhnlich macht es die Menschen nicht glücklich.“
Interne Regeln
Als ein Grund für die Demission Petits kann sicherlich die Auslegung und Praxis der sogenannten Internen Regeln gelten. Sie wurden im Nachhinein geschaffen, um das Internationale Tribunal überhaupt funktionsfähig zu machen. Sie sollten das internationale und das kambodschanische Recht, die beide Basis des Tribunals sind, kompatibel machen. 2007 sagte Staatsanwalt Petit in unserem Gespräch: „Es gab zu viele Erwartungen und zu wenig Zeit und ungenügende Vorbereitung. Ein anderer Teil ist meiner Meinung nach eine grundlegende fundamentale Meinungsverschiedenheit darüber, wie das internationale und kambodschanische Recht koexistieren können.“
Zur Praxis des Tribunals meinte Petit: „Das Niveau ist anders. In Ruanda war es so: wenn sie ein Tutsi waren, wussten sie warum sie umgebracht wurden. Und sie wissen heute, warum ihre Mutter oder ihr Vater umgebracht wurden. Von uns wird erwartet, dass wir den Menschen sagen, warum es geschah. Alle Tribunale müssen oder können darauf nur eine Teilantwort haben. Aber hier spielt das vermutlich eine größere Rolle wegen der Besonderheit der Verbrechen. Oft ist es schwer zu verstehen, warum die Dinge hier unter diesen Bedingungen geschahen. Während das in anderen Tribunals sehr viel klarer ist, so dass auch das ein sehr eigener, besonderer Aspekt dieses Tribunals ist.“
Vor der Demission Petits gab schon die Frankfurter Juristin Pamela Reusch ihren Job als Senior-Assistant des Kanadiers auf. Sie berät jetzt für die EU im Westjordanland die Palästinensische Autonomiebehörde beim Aufbau eines Justizwesens. (PK)
Online-Flyer Nr. 204 vom 01.07.2009
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Chefankläger des Rote Khmer-Tribunals in Kambodscha gibt auf
Mit großer Frustration
Von Alexander Goeb
Der Kanadier war immer wieder dafür eingetreten, die Anklage nicht nur auf die fünf inhaftierten Führungsfiguren zu beschränken. Die Ausweitung der Anklage auf mindestens weitere sechs ehemalige führende Rote Khmer hatte die kambodschanische Co-Staatsanwältin Chea Leang, eine nahe Verwandte des stellvertretenden Ministerpräsidenten Sok An, blockiert. Sie argumentierte dabei ähnlich wie der Ministerpräsident und ehemalige Rote Khmer-Kommandant Hun Sen, der bei weiteren Verhaftungen und Anklagen einen neuen Bürgerkrieg kommen sieht.
Schlüsselfigur
William Schabas, Jura-Professor und enger Freund Petits, sagte zur Demission des Franko-Kanadiers: „Er war die Schlüsselfigur der Bemühungen, die Arbeit des Tribunals voran zu bringen. Er machte seinen Job und arbeitete hart.“ Zuletzt waren wohl die dabei auftretenden Widerstände zuviel geworden. „Er geht mit großer Frustration“, sagte Schabas. Robert Petit arbeitete drei Jahre in Kambodscha. Zuvor war er als Jurist in Ruanda, Sierra Leone, Kosovo und Ost-Timor tätig.
Bei meinem Besuch in Kambodscha 2007 ging es in einem längeren Gespräch mit Robert Petit u.a. um das Unverständnis der Bevölkerung über die komplizierte Arbeitsweise des Gerichtes. Zu der Zeit war niemand verhaftet und waren auch keine Namen möglicher Angeklagter bekannt. Die Verbrechen lagen 30 Jahre und länger zurück. Petit: „Sie müssen in der Lage sein, den Menschen auf überzeugende Weise ihre Entscheidungen zu erklären. Sie müssen den Opfern erklären können, warum die Person, die Tür an Tür mit ihnen lebt, nicht verfolgt wird, dafür aber ein anderer, von dem sie nur gehört haben, obwohl der Nachbar die ganze Familie umgebracht hat und sie die andere Person noch nie gesehen haben. Warum verfolgen sie diese und nicht den Nachbarn? Das müssen sie erklären können. Das ist in den seltensten Fällen befriedigend. Gewöhnlich macht es die Menschen nicht glücklich.“
Interne Regeln
Als ein Grund für die Demission Petits kann sicherlich die Auslegung und Praxis der sogenannten Internen Regeln gelten. Sie wurden im Nachhinein geschaffen, um das Internationale Tribunal überhaupt funktionsfähig zu machen. Sie sollten das internationale und das kambodschanische Recht, die beide Basis des Tribunals sind, kompatibel machen. 2007 sagte Staatsanwalt Petit in unserem Gespräch: „Es gab zu viele Erwartungen und zu wenig Zeit und ungenügende Vorbereitung. Ein anderer Teil ist meiner Meinung nach eine grundlegende fundamentale Meinungsverschiedenheit darüber, wie das internationale und kambodschanische Recht koexistieren können.“
Zur Praxis des Tribunals meinte Petit: „Das Niveau ist anders. In Ruanda war es so: wenn sie ein Tutsi waren, wussten sie warum sie umgebracht wurden. Und sie wissen heute, warum ihre Mutter oder ihr Vater umgebracht wurden. Von uns wird erwartet, dass wir den Menschen sagen, warum es geschah. Alle Tribunale müssen oder können darauf nur eine Teilantwort haben. Aber hier spielt das vermutlich eine größere Rolle wegen der Besonderheit der Verbrechen. Oft ist es schwer zu verstehen, warum die Dinge hier unter diesen Bedingungen geschahen. Während das in anderen Tribunals sehr viel klarer ist, so dass auch das ein sehr eigener, besonderer Aspekt dieses Tribunals ist.“
Vor der Demission Petits gab schon die Frankfurter Juristin Pamela Reusch ihren Job als Senior-Assistant des Kanadiers auf. Sie berät jetzt für die EU im Westjordanland die Palästinensische Autonomiebehörde beim Aufbau eines Justizwesens. (PK)
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