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Inland
FDP-nahe Stiftung auf der Seite der Putschisten in Honduras
Die Naumann-Fraktion
Von Hans-Georg und Peter Kleinert
FDP-nahe Kreise haben bis unmittelbar vor dem Staatsstreich gegen den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya dessen liberale Gegner unterstützt. Zu diesen gehört der Zelaya-Rivale und aktuelle Präsidentschaftskandidat Elvin Santos; Kontakte gab es außerdem zu Roberto Micheletti, der nach Zelayas gewaltsamer Entführung am Wochenende das Präsidentenamt an sich gezogen hat.
Wegen geplanter Volksbefragung weg-
geputscht - Manuel Zelaya
Quelle: www.atravesdevenezuela.com/
Zelaya, der noch vor wenigen Jahren selbst von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt worden war, hatte sich im Laufe seiner Präsidentschaft von der neoliberalen Politik der deutschen Organisation abgesetzt und sich stattdessen dem Staatenbund ALBA (Alternativa Bolivariana para las Américas) um Venezuela, Bolivien und Kuba angenähert. Heftige Machtkämpfe mit innerparteilichen Gegnern, die der Naumann-Stiftung eng verbunden sind und zuletzt vor zwei Wochen von einem FDP-nahen Strategen beraten wurden, waren die Folge. Mit dem Staatsstreich wurde der Konflikt zugunsten der Naumann-Partner gelöst. Wie der Repräsentant der Stiftung in Tegucigalpa schreibt, trage Zelaya eine Mitschuld an dem Militärputsch und sei "mehr Täter als Opfer".
Strategieberatung
Manuel Zelaya war im November 2005 als Kandidat der Liberalen Partei (Partido Liberal de Honduras, PLH) bei den Präsidentschaftswahlen angetreten - und gewann. Bereits damals hatte der deutsche Politikberater Peter Schröder den PLH im Wahlkampf unterstützt, damals allerdings noch auf Seiten Zelayas. Schröder war von 1971 bis 1982 für die FDP tätig gewesen, zuletzt als Abteilungsleiter "Kommunikation und Service" in der FDP-Bundesgeschäftsstelle. Heute leitet er eine eigene Kommunikations- und Beratungsfirma bei Bonn (Nordrhein-Westfalen), arbeitet jedoch immer noch für FDP-nahe Organisationen. Seiner Unterstützung maß Zelaya zu Beginn seiner Amtszeit große Bedeutung bei. Er hätte "die Wahlen ohne die Strategieberatungen mit Peter Schröder (...) nicht gewonnen", urteilte der honduranische Staatspräsident im Januar 2006.[1]
Mit Stiftungshintergrund
Über die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hielten die deutschen Liberalen damals eine ungewöhnlich starke Position im PLH. Mehr als die Hälfte der 62 PLH-Parlamentsabgeordneten hatten Kontakte zu der deutschen Stiftung geknüpft und etwa deren Aus- und Fortbildungsseminare absolviert. "Im honduranischen Parlament haben wir jetzt eine 39-köpfige Naumann-Fraktion", triumphierte nach den Wahlen Ende 2005 die Projektkoordinatorin der Friedrich-Naumann-Stiftung in Honduras, Rosbinda Sabillón.[2] Wie die Stiftung damals mitteilte, besaßen vier Minister sowie vier stellvertretende Minister der neuen Regierung Zelaya einen "Stiftungshintergrund", acht Personen "aus dem unmittelbaren Projektumfeld" der Stiftung stiegen unter dem neuen Präsidenten zu Leitern höchster Staatsbehörden auf. "Unter den 165 gewählten liberalen Bürgermeistern befinden sich rund 60 Politiker aus dem Umfeld der Projektarbeit mit der liberalen Jugend", teilte die Naumann-Stiftung damals mit - und sah ihren Nachwuchs "in den Startlöchern für eine politische Karriere". Sie werde sich "in den kommenden vier Jahren liberaler Regierung" bemühen, an der "Konsolidierung dieses Erfolges" mitzuwirken und vor allem die Umsetzung der aus ihrer Sicht "dringend erforderlichen liberalen Reformen in Honduras zu unterstützen".
Richtungsstreit
Eine Wende der gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Zelaya und der Friedrich-Naumann-Stiftung trat ein, als der Staatspräsident sich Laufe seiner Präsidentschaft dem lateinamerikanischen Staatenbündnis ALBA und dessen politischen Zielen zuwandte. ALBA sucht sich aus der US-amerikanisch-europäischen Hegemonie zu lösen und hat eine scharfe Abkehr von neoliberalen Wirtschaftsmodellen vollzogen. Mit der deutschen Stiftung ist eine solche Politik nicht zu machen. Die Berliner Naumann-Zentrale reagierte empört, als zwei ihrer Zöglinge entlassen wurden, weil sie sich Maßnahmen des Präsidenten verweigerten. So verlor Präsidialminister Yani Rosenthal sein Amt; Zentralbankpräsidentin Gabriela Nuñez musste gehen, als sie sich hartnäckig weigerte, Banktransfers aus dem ALBA-Mitgliedstaat Venezuela durchzuführen.[3]
Volksbefragung
Mit der Ankündigung des Staatspräsidenten, eine Volksbefragung anzuberaumen, eskalierte schließlich der Streit. Durch dieses Votum sollte die honduranische Bevölkerung darüber entscheiden, ob im kommenden November parallel zu den allgemeinen Wahlen (Präsident, Parlament, Kommunalräte) eine "vierte Urne" ("cuarta urna") eingerichtet wird. Mit dieser "vierten Urne" sollte über ein Referendum zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung abgestimmt werden. Ein solcher Schritt gilt als Charakteristikum der ALBA-Staaten und als Maßnahme zu entschlossener Abkehr von neoliberaler Wirtschaftspolitik.
Intensivierte "Beratung"
Um diesen Absichten entgegenzuwirken, verstärkten FDP-Kreise zuletzt ihre Bemühungen. Bereits im Februar vergangenen Jahres beriet sich der stellvertretende Vorsitzende und außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, mit dem damaligen Parlamentsvorsitzenden und nunmehrigen Putschpräsidenten Micheletti.
Dabei ging es laut FDP um eine "Intensivierung der Beratungstätigkeit der (Friedrich-Naumann-)Stiftung besonders im Hinblick auf die im November (2008, d. Red.) anstehenden parteiinternen Vorwahlen."[4] Aus diesen ging schließlich der ehemalige Vizepräsident Elvin Santos als Sieger hervor. Santos ist dem "traditionellen"
Werner Hoyer - traf Micheletti vor dem Putsch
Quelle: www.politik-fuer-die-freiheit.de
Parteiflügel des PLH zuzurechnen, der stets eng mit der Naumann-Stiftung und der FDP kooperiert; er hatte für den Fall seines Wahlsieges den ALBA-Austritt angekündigt.
Verweigerung
Mit Santos und dessen Anhängern wiederum traf vom 13. bis 16. Juni dieses Jahres der ebenfalls FDP-nahe Politik- und Strategieberater Peter Schröder zusammen.[5] Die Zusammenkunft, die unter dem Mantel der Naumann-Stiftung abgehalten wurde, stand im Zeichen der für Sonntag angesetzten Volksbefragung. Von dieser habe man annehmen müssen, dass die von Zelaya gewünschte "cuarta urna" und damit das Referendum über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung Zustimmung fände, erklärte Schröder gegenüber german-foreign-policy.com. Ihm zufolge wurde bei seinen Gesprächen ein Auftritt des Zelaya-Gegners Santos für den gestrigen Montag (29. Juni) vereinbart. Dabei sollte der Präsidentschaftskandidat des PLH öffentlich dazu aufrufen, das durch die Volksbefragung - wie man vermutete - beschlossene Referendum über eine Verfassunggebende Versammlung zurückzuweisen, berichtet Schröder. Zelaya, behauptet der deutsche Strategieberater im Einklang mit den meisten westlichen Medien, habe mit der "cuarta urna" ausschließlich seine Amtszeit verlängern wollen. Tatsächlich hat Zelaya diese Anschuldigungen noch kurz vor dem Putsch zurückgewiesen. "Ich habe keine Option, an der Macht zu bleiben", erklärte er gegenüber der spanischen Zeitung "El País": "Die einzige wäre, die Verfassung zu verletzen, und das werde ich nicht tun. (...) Ich werde meine Regierungszeit am 27. Januar 2010 beenden."[6]
"Keine andere Wahl"
Nach dem Putsch schreibt nun der Repräsentant der Naumann-Stiftung in Tegucigalpa Zelaya selbst eine Mitschuld an dem Staatsstreich zu. Demnach sei Zelaya nicht "ganz unschuldig" an der Entwicklung, da er Legislative sowie Exekutive mit der Volksbefragung provoziert habe. Der entführte Präsident sei "mehr Täter als Opfer". Letztlich habe sein Vorgehen den Putschisten "keine andere Wahl" gelassen.[7]
Anti-ALBA-Interventionen
Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit politischen Aktivitäten gegen die Regierungen von ALBA-Staaten hervorgetan, etwa mit der Unterstützung von Sezessionisten, die auf eine erhebliche Schwächung der Regierung Boliviens abzielten (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Dabei stößt die Stiftung immer wieder, ohne dass dies in ihrem Heimatland wahrgenommen wird, auf öffentlichen Protest gegen ihre Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten.[9] Ihre Unterstützung für Zelayas Gegner in Honduras setzt ihre politischen Interventionen in Lateinamerika fort.
ALBA-Pressekonferenz in Berlin
Am Montag haben die Botschafter mehrerer ALBA-Staaten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin ihre Solidarität mit dem Manuel Zelaya erklärt. Wie www.amerika21.de berichtet, nahmen an der Konferenz in der diplomatischen Vertretung Venezuelas die Botschafter von Kuba, Ecuador und Venezuela teil. Nicaragua war durch die Geschäftsträgerin vertreten. Für die Botschaft Boliviens nahm die Zweite Sekretärin teil.
"Wir verurteilen aufs Schärfste den brutalen Putsch in unserer Schwesterrepublik Honduras", sagte Venezuelas Botschafterin in Deutschland, Blancanieve Portocarrero, die zu der Konferenz eingeladen hatte. Portocarrero erinnerte daran, dass zahlreiche Organisationen wie die ALBA, die OAS, die UNASUR, die Rio-Gruppe, die UNO und die EU den Staatsstreich bereits verurteilt haben. "Die Staaten der ALBA unterstützen auch die geplante Volksbefragung, die am Sonntag stattfinden sollte", fügte Portocarrero hinzu.
Kubas Botschafter in Berlin, Gerardo Peñalver Portal, erinnerte an das gewaltsame Vorgehen der Putschisten. So seien die Botschafter von Kuba, Nicaragua und Venezuela attackiert worden, als sie die Außenministerin Patricia Rodas vor den Putschistentruppen schützen wollten. "Wir machen uns deswegen besonders Sorgen um die 486 kubanischen Ärzte und humanitären Helfer, die in Honduras ihren Dienst tun", sagte Peñalver.
Offener Brief an Minister Steinmeier
In einem offenen Brief haben das bischöfliche Hilfswerk MISEREOR und die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN Außenminister Steinmeier gebeten, sich für die Wiederherstellung der Demokratie und den Schutz der Menschenrechte in Honduras einzusetzen. "Minister Steinmeier muss sich gegen Verhaftungen und Repressalien gegen Regierungsmitglieder, führende Persönlichkeiten der sozialen Protestbewegung und Menschenrechtsverteidiger einsetzen und diesen über die Botschaft Schutzmaßnahmen zukommen lassen", fordern Misereor und FIAN.
"Die Lage spitzt sich zu. Das Regime agiert mit Verhaftungen, Gewalt und Zensur gegen die Protestbewegung. Die internationale Staatengemeinschaft muss schnell und entschieden handeln, um ein Blutbad in Honduras zu verhindern", warnt Martin Wolpold-Bosien, Mittelamerika-Referent bei FIAN International. Laut FIAN-Honduras sind der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Union (UD), Guillermo Jiménez, der Gewerkschaftsführer Carlos H. Reyes sowie fünf weitere MenschenrechtsverteidigerInnen verprügelt und verhaftet worden. Laut Bauernbewegung Vía Campesina gibt es Haftbefehle gegen 30 führende AktivistInnen der Protestbewegung, darunter auch den international bekannten Bauernführer Rafael Alegría.
"Gemeinsam mit unseren honduranischen Partnern verurteilen wir den Staatsstreich vom vergangenen Sonntag, die Festnahme und erzwungene Ausreise des Staatspräsidenten Manuel Zelaya Rosales sowie die weit reichenden Eingriffe in die Meinungs- und Medienfreiheit durch das Militär", sagt MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. MISEREOR und FIAN unterstreichen, dass es nach der einhelligen internationalen Verurteilung des Staatsstreichs nun darauf ankomme, dass die selbsternannte, demokratisch nicht legitimierte "Regierung" unter Roberto Micheletti nicht anerkannt und der Ausnahmezustand aufgehoben werde. Für Donnerstag hat der gewählte Präsident Zelaya seine Rückkehr nach Honduras angekündigt. Diplomatischer Druck sei dringend notwendig, damit die Lage in Honduras nicht weiter eskaliere und die massiven Menschenrechtsverletzungen beendet würden. (PK)
[1], [2] Ex-Alumni der Stiftung in politischen Spitzenpositionen; www.freiheit.org
[3] Christian Lüth: Opportunismus und 'Kontinuismus'. Der Präsident von Honduras missachtet die Verfassung und seine Liberale Partei; Hintergrundpapier der Friedrich-Naumann-Stiftung Nr. 5, April 2009
[4] Hoyer trifft liberale Spitzenpolitiker Nicaraguas und Honduras; www.liberale.de
[5] Peter Schröder en Honduras; www.la.fnst-freiheit.org
[6] "El jefe del Ejército desobedeció a su comandante, que soy yo"; El País 28.06.2009
[7] Mehr Täter als Opfer; www.freiheit.org 28.06.2009
[8] s. dazu Balkanisierung in Südamerika, Spalte und herrsche, Neoliberale Netze und Profit und Autonomie
[9] s. dazu Neoliberale Netze
Siehe auch www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57565www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2009/jun/botschafter-78374847-alba-berlin/
Online-Flyer Nr. 204 vom 01.07.2009
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Inland
FDP-nahe Stiftung auf der Seite der Putschisten in Honduras
Die Naumann-Fraktion
Von Hans-Georg und Peter Kleinert
FDP-nahe Kreise haben bis unmittelbar vor dem Staatsstreich gegen den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya dessen liberale Gegner unterstützt. Zu diesen gehört der Zelaya-Rivale und aktuelle Präsidentschaftskandidat Elvin Santos; Kontakte gab es außerdem zu Roberto Micheletti, der nach Zelayas gewaltsamer Entführung am Wochenende das Präsidentenamt an sich gezogen hat.
Wegen geplanter Volksbefragung weg-
geputscht - Manuel Zelaya
Quelle: www.atravesdevenezuela.com/
Strategieberatung
Manuel Zelaya war im November 2005 als Kandidat der Liberalen Partei (Partido Liberal de Honduras, PLH) bei den Präsidentschaftswahlen angetreten - und gewann. Bereits damals hatte der deutsche Politikberater Peter Schröder den PLH im Wahlkampf unterstützt, damals allerdings noch auf Seiten Zelayas. Schröder war von 1971 bis 1982 für die FDP tätig gewesen, zuletzt als Abteilungsleiter "Kommunikation und Service" in der FDP-Bundesgeschäftsstelle. Heute leitet er eine eigene Kommunikations- und Beratungsfirma bei Bonn (Nordrhein-Westfalen), arbeitet jedoch immer noch für FDP-nahe Organisationen. Seiner Unterstützung maß Zelaya zu Beginn seiner Amtszeit große Bedeutung bei. Er hätte "die Wahlen ohne die Strategieberatungen mit Peter Schröder (...) nicht gewonnen", urteilte der honduranische Staatspräsident im Januar 2006.[1]
Mit Stiftungshintergrund
Über die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hielten die deutschen Liberalen damals eine ungewöhnlich starke Position im PLH. Mehr als die Hälfte der 62 PLH-Parlamentsabgeordneten hatten Kontakte zu der deutschen Stiftung geknüpft und etwa deren Aus- und Fortbildungsseminare absolviert. "Im honduranischen Parlament haben wir jetzt eine 39-köpfige Naumann-Fraktion", triumphierte nach den Wahlen Ende 2005 die Projektkoordinatorin der Friedrich-Naumann-Stiftung in Honduras, Rosbinda Sabillón.[2] Wie die Stiftung damals mitteilte, besaßen vier Minister sowie vier stellvertretende Minister der neuen Regierung Zelaya einen "Stiftungshintergrund", acht Personen "aus dem unmittelbaren Projektumfeld" der Stiftung stiegen unter dem neuen Präsidenten zu Leitern höchster Staatsbehörden auf. "Unter den 165 gewählten liberalen Bürgermeistern befinden sich rund 60 Politiker aus dem Umfeld der Projektarbeit mit der liberalen Jugend", teilte die Naumann-Stiftung damals mit - und sah ihren Nachwuchs "in den Startlöchern für eine politische Karriere". Sie werde sich "in den kommenden vier Jahren liberaler Regierung" bemühen, an der "Konsolidierung dieses Erfolges" mitzuwirken und vor allem die Umsetzung der aus ihrer Sicht "dringend erforderlichen liberalen Reformen in Honduras zu unterstützen".
Richtungsstreit
Eine Wende der gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Zelaya und der Friedrich-Naumann-Stiftung trat ein, als der Staatspräsident sich Laufe seiner Präsidentschaft dem lateinamerikanischen Staatenbündnis ALBA und dessen politischen Zielen zuwandte. ALBA sucht sich aus der US-amerikanisch-europäischen Hegemonie zu lösen und hat eine scharfe Abkehr von neoliberalen Wirtschaftsmodellen vollzogen. Mit der deutschen Stiftung ist eine solche Politik nicht zu machen. Die Berliner Naumann-Zentrale reagierte empört, als zwei ihrer Zöglinge entlassen wurden, weil sie sich Maßnahmen des Präsidenten verweigerten. So verlor Präsidialminister Yani Rosenthal sein Amt; Zentralbankpräsidentin Gabriela Nuñez musste gehen, als sie sich hartnäckig weigerte, Banktransfers aus dem ALBA-Mitgliedstaat Venezuela durchzuführen.[3]
Volksbefragung
Mit der Ankündigung des Staatspräsidenten, eine Volksbefragung anzuberaumen, eskalierte schließlich der Streit. Durch dieses Votum sollte die honduranische Bevölkerung darüber entscheiden, ob im kommenden November parallel zu den allgemeinen Wahlen (Präsident, Parlament, Kommunalräte) eine "vierte Urne" ("cuarta urna") eingerichtet wird. Mit dieser "vierten Urne" sollte über ein Referendum zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung abgestimmt werden. Ein solcher Schritt gilt als Charakteristikum der ALBA-Staaten und als Maßnahme zu entschlossener Abkehr von neoliberaler Wirtschaftspolitik.
Intensivierte "Beratung"
Um diesen Absichten entgegenzuwirken, verstärkten FDP-Kreise zuletzt ihre Bemühungen. Bereits im Februar vergangenen Jahres beriet sich der stellvertretende Vorsitzende und außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, mit dem damaligen Parlamentsvorsitzenden und nunmehrigen Putschpräsidenten Micheletti.
Dabei ging es laut FDP um eine "Intensivierung der Beratungstätigkeit der (Friedrich-Naumann-)Stiftung besonders im Hinblick auf die im November (2008, d. Red.) anstehenden parteiinternen Vorwahlen."[4] Aus diesen ging schließlich der ehemalige Vizepräsident Elvin Santos als Sieger hervor. Santos ist dem "traditionellen"
Werner Hoyer - traf Micheletti vor dem Putsch
Quelle: www.politik-fuer-die-freiheit.de
Verweigerung
Mit Santos und dessen Anhängern wiederum traf vom 13. bis 16. Juni dieses Jahres der ebenfalls FDP-nahe Politik- und Strategieberater Peter Schröder zusammen.[5] Die Zusammenkunft, die unter dem Mantel der Naumann-Stiftung abgehalten wurde, stand im Zeichen der für Sonntag angesetzten Volksbefragung. Von dieser habe man annehmen müssen, dass die von Zelaya gewünschte "cuarta urna" und damit das Referendum über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung Zustimmung fände, erklärte Schröder gegenüber german-foreign-policy.com. Ihm zufolge wurde bei seinen Gesprächen ein Auftritt des Zelaya-Gegners Santos für den gestrigen Montag (29. Juni) vereinbart. Dabei sollte der Präsidentschaftskandidat des PLH öffentlich dazu aufrufen, das durch die Volksbefragung - wie man vermutete - beschlossene Referendum über eine Verfassunggebende Versammlung zurückzuweisen, berichtet Schröder. Zelaya, behauptet der deutsche Strategieberater im Einklang mit den meisten westlichen Medien, habe mit der "cuarta urna" ausschließlich seine Amtszeit verlängern wollen. Tatsächlich hat Zelaya diese Anschuldigungen noch kurz vor dem Putsch zurückgewiesen. "Ich habe keine Option, an der Macht zu bleiben", erklärte er gegenüber der spanischen Zeitung "El País": "Die einzige wäre, die Verfassung zu verletzen, und das werde ich nicht tun. (...) Ich werde meine Regierungszeit am 27. Januar 2010 beenden."[6]
"Keine andere Wahl"
Nach dem Putsch schreibt nun der Repräsentant der Naumann-Stiftung in Tegucigalpa Zelaya selbst eine Mitschuld an dem Staatsstreich zu. Demnach sei Zelaya nicht "ganz unschuldig" an der Entwicklung, da er Legislative sowie Exekutive mit der Volksbefragung provoziert habe. Der entführte Präsident sei "mehr Täter als Opfer". Letztlich habe sein Vorgehen den Putschisten "keine andere Wahl" gelassen.[7]
Anti-ALBA-Interventionen
Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit politischen Aktivitäten gegen die Regierungen von ALBA-Staaten hervorgetan, etwa mit der Unterstützung von Sezessionisten, die auf eine erhebliche Schwächung der Regierung Boliviens abzielten (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Dabei stößt die Stiftung immer wieder, ohne dass dies in ihrem Heimatland wahrgenommen wird, auf öffentlichen Protest gegen ihre Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten.[9] Ihre Unterstützung für Zelayas Gegner in Honduras setzt ihre politischen Interventionen in Lateinamerika fort.
ALBA-Pressekonferenz in Berlin
Am Montag haben die Botschafter mehrerer ALBA-Staaten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin ihre Solidarität mit dem Manuel Zelaya erklärt. Wie www.amerika21.de berichtet, nahmen an der Konferenz in der diplomatischen Vertretung Venezuelas die Botschafter von Kuba, Ecuador und Venezuela teil. Nicaragua war durch die Geschäftsträgerin vertreten. Für die Botschaft Boliviens nahm die Zweite Sekretärin teil.
"Wir verurteilen aufs Schärfste den brutalen Putsch in unserer Schwesterrepublik Honduras", sagte Venezuelas Botschafterin in Deutschland, Blancanieve Portocarrero, die zu der Konferenz eingeladen hatte. Portocarrero erinnerte daran, dass zahlreiche Organisationen wie die ALBA, die OAS, die UNASUR, die Rio-Gruppe, die UNO und die EU den Staatsstreich bereits verurteilt haben. "Die Staaten der ALBA unterstützen auch die geplante Volksbefragung, die am Sonntag stattfinden sollte", fügte Portocarrero hinzu.
Kubas Botschafter in Berlin, Gerardo Peñalver Portal, erinnerte an das gewaltsame Vorgehen der Putschisten. So seien die Botschafter von Kuba, Nicaragua und Venezuela attackiert worden, als sie die Außenministerin Patricia Rodas vor den Putschistentruppen schützen wollten. "Wir machen uns deswegen besonders Sorgen um die 486 kubanischen Ärzte und humanitären Helfer, die in Honduras ihren Dienst tun", sagte Peñalver.
Offener Brief an Minister Steinmeier
In einem offenen Brief haben das bischöfliche Hilfswerk MISEREOR und die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN Außenminister Steinmeier gebeten, sich für die Wiederherstellung der Demokratie und den Schutz der Menschenrechte in Honduras einzusetzen. "Minister Steinmeier muss sich gegen Verhaftungen und Repressalien gegen Regierungsmitglieder, führende Persönlichkeiten der sozialen Protestbewegung und Menschenrechtsverteidiger einsetzen und diesen über die Botschaft Schutzmaßnahmen zukommen lassen", fordern Misereor und FIAN.
"Die Lage spitzt sich zu. Das Regime agiert mit Verhaftungen, Gewalt und Zensur gegen die Protestbewegung. Die internationale Staatengemeinschaft muss schnell und entschieden handeln, um ein Blutbad in Honduras zu verhindern", warnt Martin Wolpold-Bosien, Mittelamerika-Referent bei FIAN International. Laut FIAN-Honduras sind der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Union (UD), Guillermo Jiménez, der Gewerkschaftsführer Carlos H. Reyes sowie fünf weitere MenschenrechtsverteidigerInnen verprügelt und verhaftet worden. Laut Bauernbewegung Vía Campesina gibt es Haftbefehle gegen 30 führende AktivistInnen der Protestbewegung, darunter auch den international bekannten Bauernführer Rafael Alegría.
"Gemeinsam mit unseren honduranischen Partnern verurteilen wir den Staatsstreich vom vergangenen Sonntag, die Festnahme und erzwungene Ausreise des Staatspräsidenten Manuel Zelaya Rosales sowie die weit reichenden Eingriffe in die Meinungs- und Medienfreiheit durch das Militär", sagt MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon. MISEREOR und FIAN unterstreichen, dass es nach der einhelligen internationalen Verurteilung des Staatsstreichs nun darauf ankomme, dass die selbsternannte, demokratisch nicht legitimierte "Regierung" unter Roberto Micheletti nicht anerkannt und der Ausnahmezustand aufgehoben werde. Für Donnerstag hat der gewählte Präsident Zelaya seine Rückkehr nach Honduras angekündigt. Diplomatischer Druck sei dringend notwendig, damit die Lage in Honduras nicht weiter eskaliere und die massiven Menschenrechtsverletzungen beendet würden. (PK)
[1], [2] Ex-Alumni der Stiftung in politischen Spitzenpositionen; www.freiheit.org
[3] Christian Lüth: Opportunismus und 'Kontinuismus'. Der Präsident von Honduras missachtet die Verfassung und seine Liberale Partei; Hintergrundpapier der Friedrich-Naumann-Stiftung Nr. 5, April 2009
[4] Hoyer trifft liberale Spitzenpolitiker Nicaraguas und Honduras; www.liberale.de
[5] Peter Schröder en Honduras; www.la.fnst-freiheit.org
[6] "El jefe del Ejército desobedeció a su comandante, que soy yo"; El País 28.06.2009
[7] Mehr Täter als Opfer; www.freiheit.org 28.06.2009
[8] s. dazu Balkanisierung in Südamerika, Spalte und herrsche, Neoliberale Netze und Profit und Autonomie
[9] s. dazu Neoliberale Netze
Siehe auch www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57565www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2009/jun/botschafter-78374847-alba-berlin/
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