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Wirtschaft und Umwelt
Über Urantransporte in Deutschland und internationale Geschäfte – Teil 3
Gronau: Deutschlands strahlende Zukunft
Von Michael Schulze von Glaßer

Vor kurzem gingen sie wieder „on“, die Atomkraftwerke Krümmel und Brockdorf, und der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall hofft, auch das pannenträchtige AKW Brunsbüttel noch bis Ende des Jahres wieder anschalten zu können. Krümmel ist nach einer Woche und neuem Störfall schon wieder vom Netz, der Kraftwerksleiter hat sich selbst entlassen. Doch derweil tuckert an- und abgereichertes Uran weiterhin durch stark bevölkerte Gebiete. Lesen Sie hier die dritte Folge von Michael Schulze von Glaßers Hintergrundartikel über internationale Geschäfte für eine „strahlende Zukunft“.

Fortsetzung aus der NRhZ, Ausgabe 204.


Urenco auf Expansionskurs

Zurzeit kann die Firma Urenco mit der Anreicherungsanlage in Gronau maximal 1.800 Tonnen Uran im Jahr trennen, womit rund fünfzehn große Atomkraftwerke mit Spaltstoff versorgt werden können: fast ausreichend, um alle deutschen Meiler mit spaltbarem Material zu „füttern“ – doch gehören nicht nur deutsche Kraftwerksbetreiber zu den Abnehmern des angereicherten Urans aus Gronau. Skandalöser Weise ist Urenco nicht vom sogenannten Atomausstieg betroffen. Stattdessen setzt das Atomunternehmen auf Export und Expansion: Der zweite Teil der Anreicherungsanlage soll nach langer Verzögerung bald in Betrieb gehen.


Die UAA in Gronau – kräftig im Ausbau | Foto: Michael Schulze von Glaßer
Die UAA in Gronau: kräftig im Ausbau | Foto: Michael Schulze von Glaßer

Schon im Sommer 2007 kündigte Urenco die Inbetriebnahme der sogenannten „UAG-2“ für Oktober gleichen Jahres an. Daraus wurde allerdings nichts. Über die genaue Ursache schweigt sich die Firma aus; mutmaßlich gab es beim Bau der komplizierten Anlage Probleme. Und auch über die geplante Kapazität der Anlage lässt man nichts verlauten. Die Entwürfe des Projekts aus dem Jahr 2005 sahen allerdings eine Kapazität von 4.500 Tonnen „Urantrennarbeit“ jährlich vor – was einer Menge von 7.000 Tonnen Natururan entspricht. Damit hätte die UAA-Gronau die weltweit fünftgrößte Kapazität bei der Urantrennung und könnte laut Experten rund fünfunddreißig große Atommeiler versorgen.

Mit dem Ausbau aber steigt das Risiko: Gegen einen Flugzeugabsturz ist die Urananreicherungsanlage nicht geschützt – bei der „UAG-2“ wurde dieses Szenario allem Anschein nach ebenfalls nicht bedacht. Die Wahrscheinlichkeit von Pannen wird durch den Ausbau zunehmen: Bereits im Sommer 2006 trat aus der Anlage uranhaltiges Wasser aus und verseuchte die Umwelt. Bei Reparaturarbeiten wurde danach festgestellt, „dass die vorgesehene Gesamtmenge an verflüssigtem Uranhexafluorid überschritten war“, so die Firmensprecher. Dem Ziel, ihren Marktanteil, der heute bei 23 Prozent liegt, zu erhöhen und Weltmarktführer bei der Urananreicherung zu werden, kommt das Unternehmen mit der Inbetriebnahme der „UAG-2“ einen gewaltigen Schritt näher – wenn die Anlage denn auch in Betrieb gehen sollte.

NRWs „Umweltminister“ Eckhard Uhlenberg mit bunter Plastikkuh | Quelle: Umweltministerium NRW
NRWs „Umweltminister“ Eckhard Uhlenberg mit bunter Plastikkuh
Quelle: Umweltministerium NRW

Durch den Ausbau der Anlage verschärft sich jedoch auch das Müllproblem in Gronau. Im Oktober 2008 gab die „Föderale Agentur für Atomenergie Russlands“ bekannt, der die Firma Tenex (siehe NRhZ, Ausgabe 204) angehört, die bestehenden Atommüllimportverträge nicht weiter zu verlängern. Doch damit scheint nunmehr festzustehen, dass Urenco auf dem Gelände der in Gronau ein Zwischenlager für Atommüll errichten wird. Mit dem letzten Genehmigungsbescheid für die „UAG-2“ hat sich das Konsortium in Zusammenarbeit mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung auch die Erlaubnis zum Bau eines atomaren Zwischenlagers für 60.000 Tonnen Uranoxid eingeholt.

Mit dem Bau der unpopulären Lagerstätte soll aber so spät wie möglich begonnen werden. Das Zwischenlager wäre dann neben Ahaus das zweite dieser Art im Münsterland. Der Bau würde für Urenco aber nicht nur immense Kosten und einen erheblichen Imageverlust in der Region bedeuten, sondern auch weitere Atommülltransporte erfordern. Da in dem Zwischenlager nur Uranoxid gelagert werden dürfte, müsste Uranhexafluorid als Abfallprodukt umgewandelt werden. Die notwendige Dekonversionsanlage gibt es im südfranzösischen Atomkomplex Pierrelatte/Tricastin der Betreiberfirma Areva. Urenco plant allerdings die Errichtung einer eigenen Dekonversionsanlage an ihrem britischen Standort Capenhurst. Das langfristig angelegte Projekt befindet sich jedoch noch in der Planungsphase. Doch ganz gleich, wo das Hexafluorid in Oxid umgewandelt wird, es wird mehr Transporte geben als bisher.

Zwischenlager in Ahaus | Foto: Stahlkocher
Ahaus: Ob ein Uran-Zwischenlager für das ganze Münsterland ausreicht?!
Foto: Stahlkocher

Wie nachlässig die Transporte durchgeführt werden, zeigte eine Panne am 4. Oktober 2007: Ein Uranmüllzug von Gronau nach Russland überquerte bei Burgsteinfurt im Dunkeln einen völlig ungesicherten Bahnübergang, obwohl sowohl die Schranken als auch das Warnlicht wegen eines Defekts ausgefallen waren. Gegenüber der Lokalpresse behauptete Urenco noch am folgenden Tag, der Mülltransport sei völlig reibungslos verlaufen. Die Deutsche Bahn AG wie auch die Bundes- und Kreispolizei verschwiegen die Schrankenpanne. Erst als sich nach sechs Tagen AugenzeugInnen bei der Lokalzeitung meldeten und von der defekten Schranke und dem „Geisterzug“ berichteten, kam die Wahrheit ans Licht.

Deutschlands atomare Zukunft: zementiert

„Richie Enrichment“: Urencos „Aufklärung“ schon für die Kleinen (Ausschnitt „Wallpaper“)
„Richie Enrichment“: Urencos „Aufklärung“      
schon für die Kleinen
(Ausschnitt „Wallpaper“)
Da die Urananreicherungsanlage im nordrhein-westfälischen Gronau nicht vom sogenannten Atomausstieg betroffen ist, ist sie Bestandteil der atomaren Zukunft der Bundesrepublik. Und der massive Ausbau der Anlage zementiert diese Tatsache zusätzlich. Die gefährlichen Atommülltransporte werden in absehbarer Zeit zunehmen. Den skrupellosen Machenschaften von Urenco werden die AtomkraftgegnerInnen aus dem Münsterland jedoch wohl nicht tatenlos zusehen – weitere Proteste wurden angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch die ganz unmittelbar betroffene Bevölkerung der 49.000 Einwohnerstadt an einer neuen Diskussion über die Urananreicherungsanlage, die gefährlichen Atommülltransporte und das atomare Zwischenlager beteiligt.

Gronauer Wasserturm: nicht dass die Bürger der statt der Firma da einen Strich durch die Rechnung machen...
Gronauer Wasserturm: nicht dass die Bürger
der Stadt der Firma da einen Strich durch die
Rechnung machen...
Schon heute kämpft Urenco um ihr Image, sponsert das Gronauer Jazzfest und bezuschusst die Stadtbücherei jährlich mit 20.000 Euro. „In Gronau gibt es kaum einen Verein, kaum eine Schule, die nicht gesponsert wird“, erklärte Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt Gronau. Ob die Propagandamaschine funktioniert oder die Argumente der AtomkraftgegnerInnen zur Schließung der Urenco-Anlage führen, wird die Zukunft zeigen.


Der Artikel von Michael Schulze von Glaßer erschien unter dem Titel „Das Geschäft mit dem Uran“ in Kurzfassung in der Wochenzeitung Freitag (2008). (CH)



Online-Flyer Nr. 205  vom 08.07.2009

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