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Arbeit und Soziales
Akteure berichten über den Arbeitskampf bei AEG/Electrolux 2005/2007
„Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir!“
Von Werner Ruhoff
Streiktag bei AEG/Electrolux im Oktober 2005
Quelle: www.neue-einheit.com/
Die IG Metall sah sich schließlich durch die selbstbewussten und eigenmächtigen Aktionen und Streiks der Belegschaften gezwungen, in den offiziellen Streik zu gehen. Dabei wurden die Grenzen gewerkschaftlichen Handelns gegen den Willen der IG Metall-Leitung überschritten. Doch im Endeffekt konnte die Werkschließung in Nürnberg aufgrund der eindeutigen Machtverhältnisse und des zahmen Verhaltens der IG-Metall-Chefs nicht verhindert werden. Aber wichtige Ergebnisse dürfte dieser Kampf der AEG-Belegschaft in Nürnberg gezeitigt haben. Die Streikbeteiligung und das Anschwellen der Solidarität innerhalb und außerhalb der Fabrik, in der Waschmaschinen und Geschirrspüler hergestellt wurden, haben sicher bei vielen KollegInnen nachhaltige Spuren hinterlassen. Und der zähe Widerstand der AEG-Beschäftigten, zusammen mit dem vom Nürnberger Sozialforum gestarteten und von der Belegschaft begrüßten Boykott, zwang das Management, die Restrukturierung der westeuropäischen Konzernstruktur um zwei Jahre auszusetzen und das Werk in Rothenburg erst einmal bestehen zu lassen.
Breite und aktive Solidarität
Das Buch besteht überwiegend aus Interviews, was die Wiedergabe der Streikentwicklung mit der Vernetzung von außerbetrieblicher Solidarität, die Stimmungen, Erlebnisse und Einschätzungen sehr authentisch und leicht lesbar macht. Es kommen Streikbeteiligte zu Wort, ebenso VertreterInnen einer breiten und aktiven Solidarität, die von der Aktionsgemeinschaft Nürnberger Arbeitsloser über den langjährigen IG Metaller und Betriebsrat bei AEG-Kanis, Hans Patzelt, dem Nürnberger Sozialforum, der außerbetrieblichen Organisation Autonomie bis hin zum alternativen Radiosender Z reicht. Interviews und Erläuterungen veranschaulichen, wie sich durch Wut in der Belegschaft, aber auch durch eine kluge Unterstützung von außen, womit nicht die politischen Parteien gemeint sind, die sich dort gezeigt haben, ein hartnäckiger, zäher Widerstand entwickelte, der auch in der Bevölkerung breite Unterstützung fand. So hat die Gruppe Organisation Autonomie durch Unterschriftensammlungen und Stadtteildemonstrationen einen ansehnlichen Teil der Menschen außerhalb des Betriebes aktiv für die Unterstützung mobilisieren können.
Kommunikation per "Druckwächter“
Das Redaktionskollektiv des "Druckwächters“, ein Internetprojekt von AEG-Beschäftigten, hat Flugblätter zu den Streikereignissen herausgegeben und dieses Buch zusammengestellt. Die Gruppe nutzte das Internet innerhalb des „Netzwerkes IT“, um die Kommunikation der KollegInnen im Betrieb herzustellen. Die verbreitete Losung dieser Gruppe: „Wir bleiben hier, dafür kämpfen wir!“, die in der Belegschaft auf breite Resonanz stieß, wurde schließlich von der IG Metall übernommen, nachdem sie sich durch das spontane Handeln der Belegschaft gezwungen sah, auch in den Streik zu gehen. Aber da es in Deutschland außerhalb der offiziell-tariflichen Auseinandersetzungen keine gesetzlich zugestandenen Streiks gibt, war die Gewerkschaftsführung trotz der Übernahme dieser Losung aber nur bereit, für einen Sozialtarifvertrag zu streiken.
In einem Interview von Radio Z mit drei Arbeitern der Fabrik kommen nach Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses von IG Metall und Unternehmen unterschiedliche Bewertungen heraus, die das Ergebnis mit der Verunsicherung über die eigene Zukunft erklären. Die Belegschaft ist mit dem Verhandlungsergebnis der Tarifkommission zwar unzufrieden, aber am Ende sind es laut IG Metall bei der Urabstimmung dann angeblich doch 81 Prozent, die das Ergebnis akzeptieren, eine Zustimmungsquote, die die "Druckwächter“ nach eigenen Berechnungen bestreiten, da die nicht abgegebenen Stimmen entgegen der Satzung nicht als Neinstimmen mitgezählt wurden.
Anti-Aufstandspolizei und Naziseite im Internet
Auch die dunkelsten Seiten der Macht kommen zum Vorschein. Am Anfang wird geschildert, wie der Einsatz der bayerischen Anti-Aufstandspolizei USK mit gewaltsamen Eingriffen dafür sorgt, dass Streikbrecher genügend breiten Zugang zum Werk haben. Eine große Zahl von StreikunterstützerInnen wurde mit Foto, Personalien und einer willkürlichen Zusammenstellung von Zugehörigkeiten zu linken Gruppen im Internet auf einer Naziseite veröffentlicht.
Am Schluss wird über einen Workshop berichtet, der sich damit beschäftigt, wie sich der Gegner letztendlich doch besiegen lässt. Dabei mutet es mir fremd an, sich an militärischen Regeln zu orientieren, die dem Konzept der Kommunistischen Internationale bzw. der Roten Gewerkschaftsinternationale aus den zwanziger Jahren entspringen.
Das Buch veranschaulicht durch die Interviews und die ausführlichen Schilderungen, warum und wie konkret Klassenkämpfe ausbrechen und wieder aufhören. Das bedeutet, dass die Zeit der Klassenkämpfe nicht vorbei ist, zeigt aber auch die engen Grenzen, solange diese Kämpfe nicht zu einem Kampf in breiter Solidarität über die Fabriktore hinweg zusammenschmelzen. Aber das wäre Stoff für ein anderes Buch.
„Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir!“ - Akteure berichten über den Arbeitskampf bei AEG/Electrolux in Nürnberg 2005-07, Verlag „Die Buchmacherei“ 293 Seiten, 12 €
Online-Flyer Nr. 206 vom 15.07.2009
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Arbeit und Soziales
Akteure berichten über den Arbeitskampf bei AEG/Electrolux 2005/2007
„Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir!“
Von Werner Ruhoff
Streiktag bei AEG/Electrolux im Oktober 2005
Quelle: www.neue-einheit.com/
Die IG Metall sah sich schließlich durch die selbstbewussten und eigenmächtigen Aktionen und Streiks der Belegschaften gezwungen, in den offiziellen Streik zu gehen. Dabei wurden die Grenzen gewerkschaftlichen Handelns gegen den Willen der IG Metall-Leitung überschritten. Doch im Endeffekt konnte die Werkschließung in Nürnberg aufgrund der eindeutigen Machtverhältnisse und des zahmen Verhaltens der IG-Metall-Chefs nicht verhindert werden. Aber wichtige Ergebnisse dürfte dieser Kampf der AEG-Belegschaft in Nürnberg gezeitigt haben. Die Streikbeteiligung und das Anschwellen der Solidarität innerhalb und außerhalb der Fabrik, in der Waschmaschinen und Geschirrspüler hergestellt wurden, haben sicher bei vielen KollegInnen nachhaltige Spuren hinterlassen. Und der zähe Widerstand der AEG-Beschäftigten, zusammen mit dem vom Nürnberger Sozialforum gestarteten und von der Belegschaft begrüßten Boykott, zwang das Management, die Restrukturierung der westeuropäischen Konzernstruktur um zwei Jahre auszusetzen und das Werk in Rothenburg erst einmal bestehen zu lassen.
Breite und aktive Solidarität
Das Buch besteht überwiegend aus Interviews, was die Wiedergabe der Streikentwicklung mit der Vernetzung von außerbetrieblicher Solidarität, die Stimmungen, Erlebnisse und Einschätzungen sehr authentisch und leicht lesbar macht. Es kommen Streikbeteiligte zu Wort, ebenso VertreterInnen einer breiten und aktiven Solidarität, die von der Aktionsgemeinschaft Nürnberger Arbeitsloser über den langjährigen IG Metaller und Betriebsrat bei AEG-Kanis, Hans Patzelt, dem Nürnberger Sozialforum, der außerbetrieblichen Organisation Autonomie bis hin zum alternativen Radiosender Z reicht. Interviews und Erläuterungen veranschaulichen, wie sich durch Wut in der Belegschaft, aber auch durch eine kluge Unterstützung von außen, womit nicht die politischen Parteien gemeint sind, die sich dort gezeigt haben, ein hartnäckiger, zäher Widerstand entwickelte, der auch in der Bevölkerung breite Unterstützung fand. So hat die Gruppe Organisation Autonomie durch Unterschriftensammlungen und Stadtteildemonstrationen einen ansehnlichen Teil der Menschen außerhalb des Betriebes aktiv für die Unterstützung mobilisieren können.
Kommunikation per "Druckwächter“
Das Redaktionskollektiv des "Druckwächters“, ein Internetprojekt von AEG-Beschäftigten, hat Flugblätter zu den Streikereignissen herausgegeben und dieses Buch zusammengestellt. Die Gruppe nutzte das Internet innerhalb des „Netzwerkes IT“, um die Kommunikation der KollegInnen im Betrieb herzustellen. Die verbreitete Losung dieser Gruppe: „Wir bleiben hier, dafür kämpfen wir!“, die in der Belegschaft auf breite Resonanz stieß, wurde schließlich von der IG Metall übernommen, nachdem sie sich durch das spontane Handeln der Belegschaft gezwungen sah, auch in den Streik zu gehen. Aber da es in Deutschland außerhalb der offiziell-tariflichen Auseinandersetzungen keine gesetzlich zugestandenen Streiks gibt, war die Gewerkschaftsführung trotz der Übernahme dieser Losung aber nur bereit, für einen Sozialtarifvertrag zu streiken.
In einem Interview von Radio Z mit drei Arbeitern der Fabrik kommen nach Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses von IG Metall und Unternehmen unterschiedliche Bewertungen heraus, die das Ergebnis mit der Verunsicherung über die eigene Zukunft erklären. Die Belegschaft ist mit dem Verhandlungsergebnis der Tarifkommission zwar unzufrieden, aber am Ende sind es laut IG Metall bei der Urabstimmung dann angeblich doch 81 Prozent, die das Ergebnis akzeptieren, eine Zustimmungsquote, die die "Druckwächter“ nach eigenen Berechnungen bestreiten, da die nicht abgegebenen Stimmen entgegen der Satzung nicht als Neinstimmen mitgezählt wurden.
Anti-Aufstandspolizei und Naziseite im Internet
Auch die dunkelsten Seiten der Macht kommen zum Vorschein. Am Anfang wird geschildert, wie der Einsatz der bayerischen Anti-Aufstandspolizei USK mit gewaltsamen Eingriffen dafür sorgt, dass Streikbrecher genügend breiten Zugang zum Werk haben. Eine große Zahl von StreikunterstützerInnen wurde mit Foto, Personalien und einer willkürlichen Zusammenstellung von Zugehörigkeiten zu linken Gruppen im Internet auf einer Naziseite veröffentlicht.
Am Schluss wird über einen Workshop berichtet, der sich damit beschäftigt, wie sich der Gegner letztendlich doch besiegen lässt. Dabei mutet es mir fremd an, sich an militärischen Regeln zu orientieren, die dem Konzept der Kommunistischen Internationale bzw. der Roten Gewerkschaftsinternationale aus den zwanziger Jahren entspringen.
Das Buch veranschaulicht durch die Interviews und die ausführlichen Schilderungen, warum und wie konkret Klassenkämpfe ausbrechen und wieder aufhören. Das bedeutet, dass die Zeit der Klassenkämpfe nicht vorbei ist, zeigt aber auch die engen Grenzen, solange diese Kämpfe nicht zu einem Kampf in breiter Solidarität über die Fabriktore hinweg zusammenschmelzen. Aber das wäre Stoff für ein anderes Buch.
„Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir!“ - Akteure berichten über den Arbeitskampf bei AEG/Electrolux in Nürnberg 2005-07, Verlag „Die Buchmacherei“ 293 Seiten, 12 €
Online-Flyer Nr. 206 vom 15.07.2009
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