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Sport
DFB Frauen-Team mit leichten Schwächen, aber im Aufwärtstrend
Testspiele Europameisterschaft 2009
Von Bernd J.R. Henke

Länderspiele in der Vorbereitung vor internationalen Meisterschaften haben ihre eigenen Regeln. Denn jede Spielerin kämpft nun um einen Stammplatz im Kader. Die meisten Spielerinnen sind gesetzt. Sie gehören zu den Spitzenmannschaften Potsdam, Frankfurt und Duisburg. Shooting-Star ist diesmal Kim Kulig aus dem Schwabenland, geboren in Herrenberg, Mittelfeldspielerin beim Hamburger SV.


Kim Kulig in ihrem Superspiel gegen Brasilien

Dass die Neu-Münchnerin Isabell Bachor wieder nach Hause fahren musste, lag an der Jüngsten, der 19-jährigen Hamburgerin. Das enorm schussstarke Nesthäkchen erspielte sich in allen drei Begegnungen in Sinsheim, Mannheim und Bochum die Gunst der Zuschauer sowie den Respekt der Mannschaft. Vor allem kaufte sie im Mittelfeldraum den Gegnerinnen den Schneid ab. Als Kim Kulig mit der Mannschaft  beim DFB Hauptsponsor, der ALNO AG, zu einem Kochevent eingeladen war, musste sie spülen. Sie, die Newcomerin, tat es völlig selbstverständlich und privilegienlos. Dafür genoss sie es, auf dem Fußballplatz in der Mitte zu stehen und das Spiel zu bestimmen. Für Fußball-Experte Johann Blaha ist Kim seit ihrem Auftritt im April gegen die Nationalmannschaft von Brasilien in der Frankfurter Commerzbank Arena schon lange erste Wahl für die DFB Formation. „Bei der WM 2011 wird sie die Nummer Eins im Mittelfeld sein und spülen werden dann andere“, sagt der Experte.
 
Wiedersehen mit alten Bekannten


Rekordinternationale Fußballerinnen wie Kerstin Stegemann und Ariane Hingst kehrten zwar nach langer Verletzungspause in das Team zurück, zeigten aber immer noch Schwächen in der Defensive, Ballannahme und Abstimmung untereinander, was besonders in den Spielen gegen die Niederlande und Japan sichtbar wurde. „Nur mit mehr mannschaftlicher Geschlossenheit aus der Defensive heraus kann man Europameister werde“, mahnte Bundestrainerin Silvia Neid. Ex-Weltfußballerin und Psychologiedtudentin Birgit Prinz dagegen wirkte in jedem der drei Länderspiele spritzig und konzentriert, wie zuletzt 2008 als sie mit ihrer Vereinsmannschaft, dem 1.FFC Frankfurt, das glanzvolle Triple Deutsche Meisterschaft, Pokalsieger und UEFA European Women Cup-Sieger schaffen konnte. Sie ist sichtbar in aufsteigender Form, von einem Trainingslagerkoller keine Spur. Die Trainingseinheiten taten ihr gut. Ihr Heimtrainer Günter Wegmann vom FFC sollte es selbstkritisch und zugleich freudig feststellen. Birgit strotzt voller Spielfreude.


Kim Kulig mit Trikotnummer 34, im Hintergrund die Zweite im Mittelfeld: Linda Bresonik | Fotos: Bildagentur Oliver Vogler 
 
Kantersieg gegen die Niederlande

Drei Wochen vor der UEFA Women´s Euro Meisterschaft 2009 in Finnland schienen Teamgeist und Kondition der DFB-Fußballfrauen im Aufwind zu stehen. Jedenfalls zeigte der Spielerinnenkader von Bundestrainerin Silvia Neid und Co-Trainerin Ulrike Ballweg eine ansprechende Leistung gegen ein relativ schwaches Oranje-Team. „Man ist immer nur so stark wie es der Gegner zulässt. Die Niederländerinnen sind kein Maßstab“, meinte HR-Hörfunk-Reporterin Martina Knief. Im ersten Vorbereitungsspiel in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena gewann Deutschland mit 6:0 (4:0). Die deutsche Elf hatte sich in Speyer vorbereitet. Die ersten Wochen im Juni/Juli wurde an Grundlagen der Athletik gearbeitet. Da die Niederländerinnen die EM-Vorbereitung erst gerade begonnen und Trainingsrückstände hatten, lief das Spiel für die deutschen Frauen vor einer sehr aktiven begeisterungsfähigen Kulisse von 22.537 Zuschauern im Rhein-Neckar-Stadion in Sinsheim ohne Probleme.
 
Schöner Torreigen für das Publikum
 
Vor den Augen von DFB-Präsident Theo Zwanziger und Vize-Präsidentin Hannelore Ratzeburg übernahm der sechsmalige Europameister von Anfang an die Initiative und erspielte sich Chancen im Minutentakt. Schon in der 9. Minute erwischte Torfrau Loes Geurts eine Flanke von Birgit Prinz sehr unglücklich und lenkte den Ball ins eigene Gehäuse. Großer Jubel bei den 22.537 Zuschauern kam auf, als Inka Grings in Minute 16 mit einem Sturmlauf von links zwei Verteidigerinnen überspielte und mit kurzer Körpertäuschung zum 2:0 einschoss. In der ersten halben Stunde spazierten die DFB-Stürmerinnen nach Belieben durch die niederländische Abwehrkette und mit etwas mehr Konsequenz im Abschluss hätten die verdutzten Niederländerinnen schon früher das halbe Dutzend Tore kassieren können. Ein Gradmesser dafür, dass die deutsche Mannschaft noch weit vom EM-Niveau entfernt ist. Birgit Prinz analysierte nach dem Spiel folgerichtig: „Es war ein schöner Test, aber die EM in Finnland hat ein anderes Kaliber."
 
Mit einem 25 Meter-Schuss erhöhte Melanie Behringer in der 37. Minute zum 3:0 und zwei Minuten später köpfte Birgit Prinz nach einer Flanke von Kerstin Garefrekes zum 4:0 ein. Dass die dreimalige Weltfußballerin und Rekordnationalspielerin die DFB-Elf als Kapitänin bei der EM auf das Feld führen wird, schien nach dieser Leistung in Sinsheim sicher. Nach mehreren Blessuren - bedingt insbesondere durch die extrem hohen Belastungen in 15 Jahren Leistungssport - präsentierte sie sich in einer Spielfreude und Spritzigkeit wie bei den Olympischen Spielen in Peking 2008. Simone Laudehr erhöhte nach der Halbzeit (57.) auf 5:0. Mit zahlreichen Einwechselungen ging in der zweiten Halbzeit der Spielfluß merklich verloren. Als Prinz und Grings das Spielfeld verließen, gab es in der Offensive kaum noch herausragende, spielentscheidende Momente. In der letzten Spielminute aber machte dann die eingewechselte Stürmerin aus Bad Neuenahr, Célia Okoyino da Mbabi, mit einem Flachschuss das halbe Dutzende perfekt. Es war eigentlich die schönste Szene des ganzen Spieles, als auf das leichtfüßige Anspiel der Wolfsburgerin Martina Müller die Rheinländerin da Mbabi platziert und überlegt ins linke Eck ein schoss. Ein tolles Tor.
 
Kritische Trainerinnen
 
Bundestrainerin Silvia Neid meinte nach dem Spiel in der Pressekonferenz: „Es war eine engagiert geführte Partie meiner Mannschaft mit viel Leidenschaft. Der Spielaufbau und das Pressing im Mittelfeld waren gut, in der Defensive haben mir zwei Situationen nicht gefallen. Jetzt kommen andere Gegner, aber wir sind auf dem besten Weg. Wir haben junge, hungrige und auch erfahrene Spielerinnen, mit der Mischung bin ich zufrieden.“ Die niederländische Trainerin Vera Pauw zeigte sich im Pressegespräch nach dem Spiel vor 22.537 Zuschauern im Sinsheimer Rhein-Neckar-Stadion erleichtert darüber, dass nach Aussage der Bundestrainerin das gruppenspezifische Angriffsspiel, das flotte Kombinieren in die Spitze und das Verwerten von Torchancen noch gar nicht auf dem Lehrplan der Deutschen Mannschaft gestanden hatte. Sie bilanzierte deshalb: „Wir sind überrannt worden. Für uns war das eine Erfahrung zur rechten Zeit. Nun wissen wir, wo wir stehen und dass wir bis zur EM noch viel Arbeit haben.“

Gegen den Olympiavierten Japan                                                
 
Im zweiten Testspiel traf die Deutsche Mannschaft dann im Mannheimer Carl-Benz-Stadion auf die Nationalmannschaft von Japan. In der letzten gemeinsamen Begegnung während der Olympischen Spiele im August 2008 hatten die Deutschen in Peking das Spiel mit 2:0 für sich entschieden. Beide Tore schoss Fatimire Bajramai. Doch die neu formierte japanische Elf hatte mit dieser japanischen Olympiamannschaft nichts mehr gemein. Der bekannte japanische Sportjournalist und Trainer Kenji Yuasa, der ebenso fließend Deutsch spricht wie Japanisch denkt und über den japanischen Fußball philosophische Bücher schrieb, wies darauf hin, dass viele Nationalspielerinnen von Peking 2008 nicht dabei wären. Die besten und bekanntesten Spielerinnen in der US-Profiliga WPS wie Homare Sawa (Washington Freedom),  Aya Miyama (Los Angeles Sol) und Eriko Arakawa (FC Gold Pride) hätten alle darauf verzichtet im Länderspiel gegen Deutschland und den beiden Duellen gegen Frankreich anzutreten.
 
Kenji Yuasa erklärte: „Diese 20 Spielerinnen, die heute im Aufgebot in Mannheim stehen, sind in erster Linie in japanischen Vereinen aktiv, außer Mami Yamaguchi, die in Schweden beim Umea IK Fußball spielt. Wir haben in Japan nur eine kleine Liga mit wenigen Vereinen, doch unsere Spielerinnen sind hoch motiviert, denn für die japanische Nationalmannschaft beginnen schon nächstes Jahr WM-Qualifikationsspiele für die WM 2011 in Deutschland. Ich werde natürlich dabei sein, entweder als Betreuer oder als Kommentator für eine TV-Station.“
 
Hitzetaugliche Japanerinnen

Vier Tage nach der 6:0 Tore-Gala in Sinsheim gegen die Niederlande begann die deutsche Mannschaft vor 10.158 Zuschauer gegen die Asiatinnen nur mit einer Spitze. Folglich hatte Deutschland zunächst nur eine gute Torchance (15.) durch Inka Grings. Mit ihrem frühen Pressing im Mittelfeld und dem gepflegten Kurzpassspiel erwiesen sich die Japanerinnen als versierte, unbequeme Gegner. Nationalspielerin Linda Bresonik war im Spiel stark beschäftigt und wechselte ständig von der rechten Verteidigerposition in das Mittelfeld und zurück. „Ich bin ein kleiner Fan der Japanerinnen. Sie spielen sehr diszipliniert, sind kombinationssicher und spielen einen intelligenten Fußball“, bekannte Linda vor dem Duell. Die Japanerinnen stellten sich geschickt auf das deutsche Spiel ein, obwohl sie erst zwei Tage vorher direkt aus Tokio, wo es gerade über 37 Grad heiß war, angereist waren. Die sommerliche Hitze in Mannheim behinderte deshalb eher die Deutsche Mannschaft, die während des Spieles wegen ihres hohen Anfangstempos in der Anfangsphase der Hitze Tribut zollen musste. Die an Hitze gewöhnteren Asiatinnen aus Tokio und Kobe kamen immer besser ins Spiel und hatten durch Shinobu Ohno die bis dahin beste Möglichkeit der Partie (24.). Vor der Pause hatten die Gastgeberinnen noch zwei gute Chancen zur Führung. Zunächst traf Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz den Pfosten (32.), dann verfehlte Inka Grings aus kurzer Distanz das Tor der Japanerinnen (45.)
 
Nach dem Seitenwechsel sorgten zunächst drei Lattentreffer für Aufregung. Auf Seiten der DFB-Auswahl trafen Grings (47.) und Simone Laudehr (64.) den Querbalken, das gleiche Kunststück gelang der Japanerin Kozue Ando (55.).Auch Kerstin Garefrekes vergab eine große Möglichkeit zur Führung (69.) „Die Chancenauswertung war insgesamt nicht gut,“ bemängelte Bundestrainerin Silvia Neid.,“ das wird hoffentlich bei der WM besser, sonst werden wir in der Vorrunde ausscheiden.“
 
Jetzt wissen wir, was auf uns zukommt
 
Das Spiel endete also Remis mit 0:0. Drei Tage später präsentierte sich die japanische Mannschaft gegen Deutschlands EM-Gruppengegner Frankreich weiter in hervorragender Verfassung und feierte einen fulminanten Sieg mit 4:0 (2:0). Shinobu Ohno (15.), Kozue Ando (38.), Yukari King (55.) und Mami Yamaguchi (90.) erzielten die Treffer gegen die Französinnen, die nach einer intensiven Trainingswoche nie zu ihrem Rhythmus fanden. Die Spielweise der quirligen, zweikampfstarken Japanerinnen ähnelt sehr stark dem Spielsystem von Frankreich. Inka Grings meinte nach dem Spiel: „Die Japanerinnen spielen wie die Französinnen. Wir wissen jetzt, was auf uns zukommt.“ (PK)

 


Online-Flyer Nr. 210  vom 12.08.2009

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