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ver.di Jugend steigt in die Wahlen mit einer Offensive gegen Rechts ein
NPD-Plakate enttarnt
Von Peter Kleinert
Alle Fotos: Florentine Sievers
Frage: Kollege Bischoff, ihr wart mit einer Gruppe Aktiver in Dresden unterwegs und habt die Wahlplakate der NPD “begutachtet“. Warum?
Ringo Bischoff: Zunächst mal – aktiv zu sein gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist fester Bestandteil der Arbeit von ver.di Jugend. Wo immer die Neonazis sich zeigen sind wir da und halten dagegen. Ganz konkret sind in Sachsen Ende August Landtagswahlen und die NPD geht mit viel Wahlwerbung ins Rennen. Bei der letzten Landtagswahl haben sie in Sachsen 9,2 Prozent der Stimmen bekommen. Bei den Kommunalwahlen vor einigen Wochen haben sie in Gera, Eisenach und Weimar Sitze in den Stadtparlamenten erhalten und konnten bei den Gemeinderatswahlen insgesamt mehr als 60 Mandate erobern. Das sind alarmierende Zahlen. Wir als ver.di Jugend wollen jetzt zeigen, was wir von den rechten Parteien halten. Wir wollen deutlich machen, dass sich unter dem Deckmantel einer vermeintlich demokratischen Partei Verbrecher verstecken. Die NPD versucht, die sozialen Probleme der Menschen aufzugreifen und für ihre antisemitische und nationalistische Propaganda zu nutzen. Das lassen wir nicht zu!
Und warum diese Art des Protestes – warum die „Verfremdung“ der Wahlplakate?
Ringo Bischoff: Die Aktion gegen die Nazis ist Teil unserer aktuellen Kampagne „Was soll Politik?“. Wir sind damit in diesem so genannten “Super-Wahljahr“ gestartet, um zu zeigen, was die Jugend hier im Land von der aktuellen Politik und ihren Macherinnen und Machern hält. Ein wichtiger Teil davon sind unsere Ad-Busting Aktionen.
Ad-Busting?
Ringo Bischoff: Ja genau, das ist der Begriff. Er meint das temporäre Verfremden von Wahlplakaten, und ich sage bewusst „verfremden“, nicht zerstören. Die gesamte Kampagne “Was soll Politik?“ ist gedacht als öffentliche Plattform, eine zeitgemäße Form zu zeigen, was wir - und alle anderen - von der aktuellen Politik in diesem Land halten. Und speziell die Jungen zeigen ihren Unmut eben damit, dass sie die Wahlplakate der Parteien verfremden. Das ist ja auch eine altbewährte Art - das Verändern von Plakaten gibt es ja schon lange, das wird in jedem Wahlkampf gemacht.
Also geht es nicht nur gegen die NPD?
Ringo Bischoff: Nein, die Aktion in Dresden ist sozusagen der Auftakt für die Landtagswahlen. Zur Europawahl ist ja bereits eine Menge passiert – einen Teil der Ergebnisse kann man sich auf der Kampagnenwebsite ansehen. Und richtig los geht es dann im Wahlkampf zur Bundestagswahl – es wird ja nicht mehr lange dauern, bis die ersten Plakate hängen. „Was soll Politik?“ ist ja keine Kampagne gegen eine bestimmte Partei. Unsere Aktionen sind als symbolische Angriffe auf die Parteien und die herrschende Politik im Allgemeinen zu verstehen. Ein Großteil der Menschen, nicht nur die Jugend, fühlt sich überhaupt nicht mehr vertreten. Die Leute haben das Gefühl, was hier passiert, geht völlig an ihren Bedürfnissen und Vorstellungen vorbei. Und genau das soll mit den Aktionen im Rahmen unserer Kampagne zum Ausdruck gebracht werden (siehe http://was-soll-politik.de/).
Reaktion des NPD-Umfelds
Mit öffentlichen Gewaltdrohungen und Straßenterror reagierte das NPD-Umfeld auf die Plakatverfremdungs-Aktion der ver.di Jugend in Dresden. Seit dem 10. August predigen einschlägige Internetforen nun den „Hass auf scheinheilige Demokraten“ und propagieren Hinrichtungen als legitimes Wahlkampfmittel.
Mit Botschaften wie „Kriminelle Ausländer raus“, „Arbeit für Deutsche“ oder „Höchststrafe für Kinderschänder“ waren die braunen Kameraden dort auf Stimmenfang gegangen. Mit ausgesprochen “volksfreundlichen Parolen“ wie „Arbeit – Familie – Heimat“ oder „Handschellen für Finanzganoven“ verpacken sie ähnlich wie einst die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP) ihren Nationalismus in “sozialistische“ Phrasen, was die ver.di Jugend im Rahmen ihrer aktuellen Kampagne “Was soll Politik?“ in Dresden gekonnt enttarnt hatte. Antwort aus dem Umfeld der NPD: Es wurden “Kopfprämien“ von 100 Euro ausgesetzt für jeden, der das Ad-Busting ihrer Wahlplakate verhindert – notfalls auch mit Gewalt.
Vor allem direkt vor der Dresdner Synagoge hatten die Neonazis ihre Provokationen platziert, die schließlich zur Zielscheibe für die jungen Ad-Buster wurden. Obwohl die großflächige Verfremdung der Plakate noch am selben Abend von NPDlern größtenteils entfernt wurde, zeigte die verdi-Aktion unmittelbar politische Wirkung: Bereits am Freitag darauf ließ die Stadt die Plakatierung der Rechtsextremisten vor der Synagoge entfernen.
Dem Bundestag geht ein Licht auf
Eine Woche später, am vergangenen Donnerstagabend kurz nach 21 Uhr ging in Berlin dem Deutschen Bundestag ein Licht auf: Eine Gruppe Jugendlicher aus dem Aktivenkreis der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft enthüllte eine Lichtkanone und tauchte das Reichstagsgebäude in giftgrünes Licht. „Was soll Politik?“ stand da in meterhohen Buchstaben minutenlang auf dem Portal des ehrwürdigen Gebäudes zu lesen. Und auch um Antworten auf die provokative Frage war man bei der Polit-Aktion mitten in der Bannmeile nicht verlegen: „Endlich Perspektiven für die Jugend!“,„Ausbildung für alle!“ oder „Ausbeutung stoppen – Mindestlohn einführen“ erschienen da als Forderungen aus dem Dunkel – verfasst von realen Menschen wie Jan (22) aus Helmstedt, Carina (19) aus Wiesbaden und René (22) aus Saarbrücken.
Über Monate hinweg waren die Junggewerkschafter in der ganz Republik unterwegs und hatten mit vielfältigen Aktionen Antworten auf die Frage „Was soll Politik?“ gesammelt, vor allem unter jungen Menschen. „Die Situation der jungen Generation ist dramatisch“, sagt Bundesjugendsekretär Ringo Bischoff: „Die Jungen sind die wahren Verlierer der Wirtschaftskrise und insgesamt enorm beunruhigt.“ Das sei in Tausenden Gesprächen sehr deutlich geworden.„ In dieser Situation kommt die inhaltsleere Wahlkampf-Rhetorik der Parteien einer Verhöhnung der jungen Menschen in diesem Land gleich“, so Bischoff. Den Anliegen der jungen Generation fehle eine Lobby in der Politik. „Diese Lücke wollen wir als Gewerkschaftsjugend füllen.“ Deswegen habe sich die ver.di Jugend zu der Aktion am Reichstag entschlossen.„ Direkt am Sitz des deutschen Bundestags wollen wir die Politiker und Politikerinnen aller Parteien in aller Deutlichkeit an ihre Aufgaben erinnern: nämlich für Sicherheit und echte Perspektiven zu sorgen – ganz besonders für die Jungen.“
Bundesjugendsekretär Ringo Bischoff vor dem Reichstag
Die Aktion in Berlin sei ein Startschuß„ für viele bunte Aktionen in der ganzen Republik“, mit denen man den Wahlkampf„ gründlich aufmischen“ wolle, wie die Kampagnenseite http://was-soll-politik.de/ verrät. (PK)
Online-Flyer Nr. 211 vom 19.08.2009
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ver.di Jugend steigt in die Wahlen mit einer Offensive gegen Rechts ein
NPD-Plakate enttarnt
Von Peter Kleinert
Alle Fotos: Florentine Sievers
Frage: Kollege Bischoff, ihr wart mit einer Gruppe Aktiver in Dresden unterwegs und habt die Wahlplakate der NPD “begutachtet“. Warum?
Ringo Bischoff: Zunächst mal – aktiv zu sein gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist fester Bestandteil der Arbeit von ver.di Jugend. Wo immer die Neonazis sich zeigen sind wir da und halten dagegen. Ganz konkret sind in Sachsen Ende August Landtagswahlen und die NPD geht mit viel Wahlwerbung ins Rennen. Bei der letzten Landtagswahl haben sie in Sachsen 9,2 Prozent der Stimmen bekommen. Bei den Kommunalwahlen vor einigen Wochen haben sie in Gera, Eisenach und Weimar Sitze in den Stadtparlamenten erhalten und konnten bei den Gemeinderatswahlen insgesamt mehr als 60 Mandate erobern. Das sind alarmierende Zahlen. Wir als ver.di Jugend wollen jetzt zeigen, was wir von den rechten Parteien halten. Wir wollen deutlich machen, dass sich unter dem Deckmantel einer vermeintlich demokratischen Partei Verbrecher verstecken. Die NPD versucht, die sozialen Probleme der Menschen aufzugreifen und für ihre antisemitische und nationalistische Propaganda zu nutzen. Das lassen wir nicht zu!
Und warum diese Art des Protestes – warum die „Verfremdung“ der Wahlplakate?
Ringo Bischoff: Die Aktion gegen die Nazis ist Teil unserer aktuellen Kampagne „Was soll Politik?“. Wir sind damit in diesem so genannten “Super-Wahljahr“ gestartet, um zu zeigen, was die Jugend hier im Land von der aktuellen Politik und ihren Macherinnen und Machern hält. Ein wichtiger Teil davon sind unsere Ad-Busting Aktionen.
Ad-Busting?
Ringo Bischoff: Ja genau, das ist der Begriff. Er meint das temporäre Verfremden von Wahlplakaten, und ich sage bewusst „verfremden“, nicht zerstören. Die gesamte Kampagne “Was soll Politik?“ ist gedacht als öffentliche Plattform, eine zeitgemäße Form zu zeigen, was wir - und alle anderen - von der aktuellen Politik in diesem Land halten. Und speziell die Jungen zeigen ihren Unmut eben damit, dass sie die Wahlplakate der Parteien verfremden. Das ist ja auch eine altbewährte Art - das Verändern von Plakaten gibt es ja schon lange, das wird in jedem Wahlkampf gemacht.
Also geht es nicht nur gegen die NPD?
Ringo Bischoff: Nein, die Aktion in Dresden ist sozusagen der Auftakt für die Landtagswahlen. Zur Europawahl ist ja bereits eine Menge passiert – einen Teil der Ergebnisse kann man sich auf der Kampagnenwebsite ansehen. Und richtig los geht es dann im Wahlkampf zur Bundestagswahl – es wird ja nicht mehr lange dauern, bis die ersten Plakate hängen. „Was soll Politik?“ ist ja keine Kampagne gegen eine bestimmte Partei. Unsere Aktionen sind als symbolische Angriffe auf die Parteien und die herrschende Politik im Allgemeinen zu verstehen. Ein Großteil der Menschen, nicht nur die Jugend, fühlt sich überhaupt nicht mehr vertreten. Die Leute haben das Gefühl, was hier passiert, geht völlig an ihren Bedürfnissen und Vorstellungen vorbei. Und genau das soll mit den Aktionen im Rahmen unserer Kampagne zum Ausdruck gebracht werden (siehe http://was-soll-politik.de/).
Reaktion des NPD-Umfelds
Mit öffentlichen Gewaltdrohungen und Straßenterror reagierte das NPD-Umfeld auf die Plakatverfremdungs-Aktion der ver.di Jugend in Dresden. Seit dem 10. August predigen einschlägige Internetforen nun den „Hass auf scheinheilige Demokraten“ und propagieren Hinrichtungen als legitimes Wahlkampfmittel.
Mit Botschaften wie „Kriminelle Ausländer raus“, „Arbeit für Deutsche“ oder „Höchststrafe für Kinderschänder“ waren die braunen Kameraden dort auf Stimmenfang gegangen. Mit ausgesprochen “volksfreundlichen Parolen“ wie „Arbeit – Familie – Heimat“ oder „Handschellen für Finanzganoven“ verpacken sie ähnlich wie einst die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP) ihren Nationalismus in “sozialistische“ Phrasen, was die ver.di Jugend im Rahmen ihrer aktuellen Kampagne “Was soll Politik?“ in Dresden gekonnt enttarnt hatte. Antwort aus dem Umfeld der NPD: Es wurden “Kopfprämien“ von 100 Euro ausgesetzt für jeden, der das Ad-Busting ihrer Wahlplakate verhindert – notfalls auch mit Gewalt.
Vor allem direkt vor der Dresdner Synagoge hatten die Neonazis ihre Provokationen platziert, die schließlich zur Zielscheibe für die jungen Ad-Buster wurden. Obwohl die großflächige Verfremdung der Plakate noch am selben Abend von NPDlern größtenteils entfernt wurde, zeigte die verdi-Aktion unmittelbar politische Wirkung: Bereits am Freitag darauf ließ die Stadt die Plakatierung der Rechtsextremisten vor der Synagoge entfernen.
Dem Bundestag geht ein Licht auf
Eine Woche später, am vergangenen Donnerstagabend kurz nach 21 Uhr ging in Berlin dem Deutschen Bundestag ein Licht auf: Eine Gruppe Jugendlicher aus dem Aktivenkreis der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft enthüllte eine Lichtkanone und tauchte das Reichstagsgebäude in giftgrünes Licht. „Was soll Politik?“ stand da in meterhohen Buchstaben minutenlang auf dem Portal des ehrwürdigen Gebäudes zu lesen. Und auch um Antworten auf die provokative Frage war man bei der Polit-Aktion mitten in der Bannmeile nicht verlegen: „Endlich Perspektiven für die Jugend!“,„Ausbildung für alle!“ oder „Ausbeutung stoppen – Mindestlohn einführen“ erschienen da als Forderungen aus dem Dunkel – verfasst von realen Menschen wie Jan (22) aus Helmstedt, Carina (19) aus Wiesbaden und René (22) aus Saarbrücken.
Über Monate hinweg waren die Junggewerkschafter in der ganz Republik unterwegs und hatten mit vielfältigen Aktionen Antworten auf die Frage „Was soll Politik?“ gesammelt, vor allem unter jungen Menschen. „Die Situation der jungen Generation ist dramatisch“, sagt Bundesjugendsekretär Ringo Bischoff: „Die Jungen sind die wahren Verlierer der Wirtschaftskrise und insgesamt enorm beunruhigt.“ Das sei in Tausenden Gesprächen sehr deutlich geworden.„ In dieser Situation kommt die inhaltsleere Wahlkampf-Rhetorik der Parteien einer Verhöhnung der jungen Menschen in diesem Land gleich“, so Bischoff. Den Anliegen der jungen Generation fehle eine Lobby in der Politik. „Diese Lücke wollen wir als Gewerkschaftsjugend füllen.“ Deswegen habe sich die ver.di Jugend zu der Aktion am Reichstag entschlossen.„ Direkt am Sitz des deutschen Bundestags wollen wir die Politiker und Politikerinnen aller Parteien in aller Deutlichkeit an ihre Aufgaben erinnern: nämlich für Sicherheit und echte Perspektiven zu sorgen – ganz besonders für die Jungen.“
Bundesjugendsekretär Ringo Bischoff vor dem Reichstag
Die Aktion in Berlin sei ein Startschuß„ für viele bunte Aktionen in der ganzen Republik“, mit denen man den Wahlkampf„ gründlich aufmischen“ wolle, wie die Kampagnenseite http://was-soll-politik.de/ verrät. (PK)
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