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Arbeit und Soziales
Geplante DGB-Strukturreform würde die Gewerkschaften weiter schwächen
Keine Trendwende
Von Franz Kersjes
Stark und streitbar? - DGB-Vorsitzender
Michael Sommer
NRhZ-Archiv
Der Deutsche Gewerkschaft-sbund feiert sein 60jähriges Bestehen. Der offiziellen Geschichtsschreibung des DGB zufolge wurden die „modernen deutschen Gewerkschaften“ auf dem Gründungskongress 1949 in München geschaffen. Tatsächlich erhielt die Dachorganisation der Einzelgewerkschaften aber nur die Verfassung eines eher lockeren Bundes von damals 16 autonomen Industrie- und Berufsgewerkschaften. Die gewerkschaftlichen Strukturen wurden in den folgenden Jahren mehrfach verändert.Besonders in den beiden vergangenen Jahrzehnten, in denen tiefgreifende Veränderungen im DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften stattgefunden haben. Ein wesentlicher Grund dafür lag und liegt immer noch in den Mitgliederverlusten der Einzelgewerkschaften und in den dadurch sinkenden Beitragseinnahmen. Die Zahl der Einzelgewerkschaften hat sich durch Fusionen auf inzwischen acht Organisationen verringert.
Im DGB wurde in der Vergangenheit häufiger über Reformen diskutiert, ohne dass geklärt wurde, wie es zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Einzelgewerkschaften und ihrem Dachverband kommen könnte. So ist es auch diesmal wieder. Die Vorsitzenden der acht Einzelgewerkschaften verständigten sich im Herbst 2008 mit dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer auf Eckpunkte für eine erneute Strukturreform. Künftig will der Bund der Gewerkschaften in allen 313 Landkreisen und in den 116 kreisfreien Städten durch Kreis- bzw. Stadtverbände vertreten sein. Deren ehrenamtlich tätige Vorstände sollen aus Vertretern und Vertreterinnen der im jeweiligen Gebiet aktiven Einzelgewerkschaften und einem gewählten ehrenamtlichen Vorsitzenden bestehen. Die bestehenden neun DGB-Bezirke, die jeweils für ein Bundesland oder mehrere Bundesländer zuständig sind, sollen weiter bestehen. Aus den vorhandenen 88 hauptamtlich besetzten DGB-Regionen wollte man zunächst ehrenamtlich geführte Unterbezirke bilden.
Statt „Diskussionspapier“ gleich „Beschlussvorschlag“
In einem neuen, überarbeiteten Eckpunktepapier vom 5. Juni 2009 werden
Kooperationen und Fusionen von Regionen angekündigt. Die Zahl der Regionen soll im Einvernehmen mit den Bezirken dadurch drastisch reduziert
werden. So gibt es künftig beispielsweise in Baden-Württemberg nur noch vier statt bisher elf Regionen. Nicht immer wurden die bestehenden Regionsvorstände über die geplanten Fusionen überhaupt befragt. So heißt es im aktuellen Geschäftsbericht 2005 bis 2009 der Region Bergisch-Land in
NRW:
„Auf einer Klausurtagung der NRW-Regionsvorsitzenden am 5./6. Dezember
2008 wurde kurz vor Tagungsende den Anwesenden bekanntgegeben, dass beabsichtigt ist, die bisherigen 15 DGB-Regionen in NRW auf 10 oder 11 Regionen zu reduzieren. Nach heftiger Diskussion wurde der Bezirksvorsitzende beauftragt, einen „Diskussionsvorschlag“ im 1. Quartal 2009 vorzulegen. Dies tat der Geschäftsführende Bezirksvorstand auf einer Außerordentlichen Regionsvorsitzenden-Tagung am 28. Januar 2009 in Düsseldorf. Es wurde den Anwesenden allerdings kein „Diskussionspapier“,
sondern ein „Beschlussvorschlag“ präsentiert.“ (Anmerkung: Ein solcher
Umgang miteinander ist im DGB nicht selten!)
Verlust an Eigenständigkeit
Die Bezirke werden in Zukunft in Regionen gegliedert. Die Regionen sind dann integraler Bestandteil der Bezirke. Sie verlieren damit ihre bisherige
Eigenständigkeit. Die Aufgaben der Regionen sollen im Wesentlichen in der
politischen Vertretung des DGB in Regierungsbezirken und vergleichbaren
politischen Gliederungen sowie in der hauptamtlichen Unterstützung der
DGB-Kreis- und Stadtverbände bestehen. Die hauptamtlichen Vorsitzenden
werden als Repräsentanten der Regionen künftig auf der jeweiligen Bezirkskonferenz gewählt. Sie arbeiten im Geschäftsführenden Bezirksvorstand mit und nehmen an den Sitzungen des Bezirksvorstandes beratend teil. In den Regionen sollen Vorstände gebildet werden, die aus dem/der Regionsvorsitzenden und je einem/einer delegierten Vertreter/in der Mitgliedsgewerkschaften bestehen. Die Vorsitzenden der zur Region gehörenden Stadt- und Kreisverbände sind beratende Mitglieder im Regionsvorstand.
Die Überprüfung der Anzahl und Struktur der DGB-Regionen sollte bis zum
September 2009 abgeschlossen sein. Sämtliche Satzungsänderungen sollen
auf dem DGB-Kongress 2010 beschlossen und in den folgenden Jahren
umgesetzt werden. Insgesamt soll die Strukturreform mit dem Bundeskongress 2014 vollendet sein.
Verlust an gewerkschaftlicher Unterstützung vor Ort
Der erneute Rückzug aus der Fläche wird die Gewerkschaften weiter schwächen. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den Betrieben zunehmend den Forderungen der Unternehmer ausgesetzt sind,
wird der Verlust an gewerkschaftlicher Unterstützung vor Ort spürbar sein.
Und das in einer Zeit, in der täglich (!) Rat und Hilfe für in Bedrängnis geratene Menschen dringend erforderlich sind. Ehrenamtliche tätige Gewerkschafter/innen, die schon in den Betrieben und in ihrer Mitgliedsgewerkschaft alle Hände voll zu tun haben, können gewerkschaftliche Basisarbeit im DGB nicht auch noch regelmäßig gewährleisten. Für eine systematische Aufklärungsarbeit bis hin zur Durchführung von Aktionen und Kampagnen bleibt kaum Zeit übrig.
Warum keine große Solidargemeinschaft?
Es ist zu befürchten, dass die Bedeutung des Deutschen Gewerkschaftsbundes insbesondere für abhängig Beschäftigte, für Auszubildende, Arbeitslose und Rentner/innen noch stärker als bisher verloren geht. Und so bleibt die Frage an die Verantwortlichen: Warum gibt es nicht endlich einen Zusammenschluss aller Einzelgewerkschaften im DGB zu einer gemeinsamen großen Solidargemeinschaft? Warum gibt es nicht einen DGB als Mitgliederorganisation, der sich in Fachgewerkschaften gliedert. In den acht Einzelgewerkschaften und im DGB gibt es bislang Abteilungen für Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Bildung, Personal, Öffentlichkeitsarbeit, Frauen, Jugend, Senioren, usw. usw. Sie alle existieren weitgehend nebeneinander, tun fast alle das Gleiche und klagen über Personalmangel. Selbstverständlich sind sie alle wichtig. Jeder ist wichtiger als der andere. Was könnten hier Ressourcen eingespart werden! Und mit dem eingesparten Geld könnten die Mitglieder der Gewerkschaften, und solche, die es werden sollen, besser unterstützt und gefördert werden. Weniger Apparate, dafür mehr Basisarbeit! Nur dann können die deutschen Gewerkschaften überleben! (PK)
Franz Kersjes ist Herausgeber der Welt der Arbeit im Internet und war Landesvorsitzender der IG Druck und Papier/IG Medien in NRW. Sein Artikel erschien in der www.weltderarbeit.de, für die er verantwortlich ist.
Online-Flyer Nr. 218 vom 07.10.2009
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Arbeit und Soziales
Geplante DGB-Strukturreform würde die Gewerkschaften weiter schwächen
Keine Trendwende
Von Franz Kersjes
Stark und streitbar? - DGB-Vorsitzender
Michael Sommer
NRhZ-Archiv
Im DGB wurde in der Vergangenheit häufiger über Reformen diskutiert, ohne dass geklärt wurde, wie es zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Einzelgewerkschaften und ihrem Dachverband kommen könnte. So ist es auch diesmal wieder. Die Vorsitzenden der acht Einzelgewerkschaften verständigten sich im Herbst 2008 mit dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer auf Eckpunkte für eine erneute Strukturreform. Künftig will der Bund der Gewerkschaften in allen 313 Landkreisen und in den 116 kreisfreien Städten durch Kreis- bzw. Stadtverbände vertreten sein. Deren ehrenamtlich tätige Vorstände sollen aus Vertretern und Vertreterinnen der im jeweiligen Gebiet aktiven Einzelgewerkschaften und einem gewählten ehrenamtlichen Vorsitzenden bestehen. Die bestehenden neun DGB-Bezirke, die jeweils für ein Bundesland oder mehrere Bundesländer zuständig sind, sollen weiter bestehen. Aus den vorhandenen 88 hauptamtlich besetzten DGB-Regionen wollte man zunächst ehrenamtlich geführte Unterbezirke bilden.
Statt „Diskussionspapier“ gleich „Beschlussvorschlag“
In einem neuen, überarbeiteten Eckpunktepapier vom 5. Juni 2009 werden
Kooperationen und Fusionen von Regionen angekündigt. Die Zahl der Regionen soll im Einvernehmen mit den Bezirken dadurch drastisch reduziert
werden. So gibt es künftig beispielsweise in Baden-Württemberg nur noch vier statt bisher elf Regionen. Nicht immer wurden die bestehenden Regionsvorstände über die geplanten Fusionen überhaupt befragt. So heißt es im aktuellen Geschäftsbericht 2005 bis 2009 der Region Bergisch-Land in
NRW:
„Auf einer Klausurtagung der NRW-Regionsvorsitzenden am 5./6. Dezember
2008 wurde kurz vor Tagungsende den Anwesenden bekanntgegeben, dass beabsichtigt ist, die bisherigen 15 DGB-Regionen in NRW auf 10 oder 11 Regionen zu reduzieren. Nach heftiger Diskussion wurde der Bezirksvorsitzende beauftragt, einen „Diskussionsvorschlag“ im 1. Quartal 2009 vorzulegen. Dies tat der Geschäftsführende Bezirksvorstand auf einer Außerordentlichen Regionsvorsitzenden-Tagung am 28. Januar 2009 in Düsseldorf. Es wurde den Anwesenden allerdings kein „Diskussionspapier“,
sondern ein „Beschlussvorschlag“ präsentiert.“ (Anmerkung: Ein solcher
Umgang miteinander ist im DGB nicht selten!)
Verlust an Eigenständigkeit
Die Bezirke werden in Zukunft in Regionen gegliedert. Die Regionen sind dann integraler Bestandteil der Bezirke. Sie verlieren damit ihre bisherige
Eigenständigkeit. Die Aufgaben der Regionen sollen im Wesentlichen in der
politischen Vertretung des DGB in Regierungsbezirken und vergleichbaren
politischen Gliederungen sowie in der hauptamtlichen Unterstützung der
DGB-Kreis- und Stadtverbände bestehen. Die hauptamtlichen Vorsitzenden
werden als Repräsentanten der Regionen künftig auf der jeweiligen Bezirkskonferenz gewählt. Sie arbeiten im Geschäftsführenden Bezirksvorstand mit und nehmen an den Sitzungen des Bezirksvorstandes beratend teil. In den Regionen sollen Vorstände gebildet werden, die aus dem/der Regionsvorsitzenden und je einem/einer delegierten Vertreter/in der Mitgliedsgewerkschaften bestehen. Die Vorsitzenden der zur Region gehörenden Stadt- und Kreisverbände sind beratende Mitglieder im Regionsvorstand.
Die Überprüfung der Anzahl und Struktur der DGB-Regionen sollte bis zum
September 2009 abgeschlossen sein. Sämtliche Satzungsänderungen sollen
auf dem DGB-Kongress 2010 beschlossen und in den folgenden Jahren
umgesetzt werden. Insgesamt soll die Strukturreform mit dem Bundeskongress 2014 vollendet sein.
Verlust an gewerkschaftlicher Unterstützung vor Ort
Der erneute Rückzug aus der Fläche wird die Gewerkschaften weiter schwächen. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den Betrieben zunehmend den Forderungen der Unternehmer ausgesetzt sind,
wird der Verlust an gewerkschaftlicher Unterstützung vor Ort spürbar sein.
Und das in einer Zeit, in der täglich (!) Rat und Hilfe für in Bedrängnis geratene Menschen dringend erforderlich sind. Ehrenamtliche tätige Gewerkschafter/innen, die schon in den Betrieben und in ihrer Mitgliedsgewerkschaft alle Hände voll zu tun haben, können gewerkschaftliche Basisarbeit im DGB nicht auch noch regelmäßig gewährleisten. Für eine systematische Aufklärungsarbeit bis hin zur Durchführung von Aktionen und Kampagnen bleibt kaum Zeit übrig.
Warum keine große Solidargemeinschaft?
Es ist zu befürchten, dass die Bedeutung des Deutschen Gewerkschaftsbundes insbesondere für abhängig Beschäftigte, für Auszubildende, Arbeitslose und Rentner/innen noch stärker als bisher verloren geht. Und so bleibt die Frage an die Verantwortlichen: Warum gibt es nicht endlich einen Zusammenschluss aller Einzelgewerkschaften im DGB zu einer gemeinsamen großen Solidargemeinschaft? Warum gibt es nicht einen DGB als Mitgliederorganisation, der sich in Fachgewerkschaften gliedert. In den acht Einzelgewerkschaften und im DGB gibt es bislang Abteilungen für Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Bildung, Personal, Öffentlichkeitsarbeit, Frauen, Jugend, Senioren, usw. usw. Sie alle existieren weitgehend nebeneinander, tun fast alle das Gleiche und klagen über Personalmangel. Selbstverständlich sind sie alle wichtig. Jeder ist wichtiger als der andere. Was könnten hier Ressourcen eingespart werden! Und mit dem eingesparten Geld könnten die Mitglieder der Gewerkschaften, und solche, die es werden sollen, besser unterstützt und gefördert werden. Weniger Apparate, dafür mehr Basisarbeit! Nur dann können die deutschen Gewerkschaften überleben! (PK)
Franz Kersjes ist Herausgeber der Welt der Arbeit im Internet und war Landesvorsitzender der IG Druck und Papier/IG Medien in NRW. Sein Artikel erschien in der www.weltderarbeit.de, für die er verantwortlich ist.
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