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Kultur und Wissen
Michael Moore: Der Kapitalismus von heute ist am Ende und muss weg!
Eine höchst komische Polemik
Von Jenny Mansch

Es sind Zustände wie im alten Rom, also ist der Untergang nur folgerichtig. Die Gier und die Sklavenwirtschaft gaben dem Regime einst den Rest. Auch der Kapitalismus von heute ist am Ende und muss weg. Weil er der natürliche Feind der Demokratie ist, sagt Michael Moore in seinem neuen Film. Weil in seinem Land ein Prozent der Leute steinreich ist und wenig vorteilhaft über den Rest des Volkes, den Niedriglohnsektor, entscheidet. Die Mittelschicht Amerikas ist verschwunden. Sie wurde zwangsversteigert und lebt jetzt in Zelten, Autos oder auf der Straße.

Quelle: http://www.moviegod.de/
 
Wo der umstrittene Dokumentarfilmer Moore in seinen Vorgängerfilmen noch einzelnen Phänomenen des kaputten Systems nachgespürt hat, steht in "Kapitalismus - Eine Liebesgeschichte" das große Ganze als System auf dem Prüfstand - und sieht alt aus. Moore hat sich mit Aufrufen zum Handeln stets zurückgehalten, wird diesmal aber entschiedener: Gründet Genossenschaften, probiert alternative betriebliche Modelle aus. Und: Organisiert euch in Gewerkschaften!
 
Wie in einem der typischen Unterrichtsfilme aus der Zeit der Wirtschaftswunder erzählt Moore in seiner typischen und höchst komischen Polemik, wie alles begann und wie es endet: Wie Banken auf die Idee kamen, die Leute dazu zu bringen, ihr Haus zu verschulden, das ihnen bereits gehörte. Wie das Versprechen missbraucht wurde, das mit den Verheißungen des Kapitalismus' einherging: das Verfolgen des Glücks. Wie schon Roosevelt auf fast rührende Weise alte Werte gesetzlich verankern wollte: Lohn, der zum Leben reicht, Bildung, Gesundheit. Und wie unerbittlich nach den am Boden Liegenden getreten wird vom einstigen Partner Kapitalismus.


Michael Moore
Quelle: www.worldproutassembly.org/
Denn der kündigt die Liebesbeziehung zum Menschen einseitig auf, sobald er ihn nicht mehr braucht: Mit Zwangsvollstreckungen im Sekundentakt; mit Versicherungspolicen für "tote Bauern", die es Unternehmen erlauben, Lebensversicherungen auf ihre Angestellten abzuschließen, mit sich selbst als Begünstigten. Oder mit dem, was im Film eine immerhin republikanische Abgeordnete einen "finanziellen Staatsstreich" nennt, der kurz vor der Präsidentschaftswahl 2008 stattgefunden hat: Der immense Druck, den Goldmann-Sachs-Banker auf die Regierung ausübten, um nach dem Finanzcrash an die Milliarden der Steuerzahler zu kommen.
 
Trotz gleicher Rezeptur: Das ist Michael Moores bisher bester Film. Er ist auf der Höhe seiner Montagekunst. Amüsant sind die Ausschnitte aus alten Monumentalschinken über das alte Rom; anrührend die Rede von Roosevelt, wie aus einer anderen fernen Zeit. Beklemmend die Aufnahmen einer Familie im Haus, die die nahende Zwangsvollstreckung von innen filmt, bis die Tür eingeschlagen wird. Auch dieser Film von Michael Moore ist pure Propaganda. Aber nie war sie so wertvoll wie heute. (PK)
 
 
KAPITALISMUS – EINE LIEBESGESCHICHTE, Dokumentarfilm, USA 2009, Regie: Michael Moore, Länge: 126 Minuten, deutscher Kinostart am 12. November 2009
Originaltitel: Capitalism: A Love Story, Regie und Drehbuch: Michael Moore, Produktion: Kathleen Glynn, Michael Moore, Bob Weinstein, Harvey Weinstein
 
Jenny Mansch hat diese Filmkritik zuerst in ver.di NEWS veröffentlicht: http://www.verdi-news.de/ 

Online-Flyer Nr. 223  vom 11.11.2009

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