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Lokales
Probleme bei Vermittlung einer Spezies
Bewerbung mit ARGE-Stempel
Von Hans-Dieter Hey
Private Arbeitsvermittlungen ungeeignet
Hartz-IV-Bezieher Behrsing hatte der Bonner ARGE Mitte Mai 2009 untersagt, dass diese Daten an potentielle Arbeitgeber weitergibt, sofern sich durch die Weitergabe der Daten Rückschlüsse auf den Bezug von Hartz IV-Leistungen ergeben. Es wäre nämlich für jeden erkennbar, dass er Hartz IV bekomme, wenn die ARGE mit ihrem eigenen Briefkopf Arbeitgebern Bewerber vorschlagen würde. Das gleiche könne auch geschehen durch entsprechendes Anhalten zur Eigenbewerbung und den Versand durch die Arbeitsagentur. Die Vermittlungsleistungen der Arbeitsagentur kann jeder in Anspruch nehmen, ohne dafür erwerbslos sein zu müssen. Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. „Arbeitgeber stellen eben Menschen, die Hartz IV bekommen, weitaus weniger ein.“
Martin Behrsing vor dem Sozial-
gericht Köln
Sein Widerstand richtet sich auch gegen die verschiedenen Datenskandale der Arbeitsverwaltungen, die die Republik erschüttert hatten. Wie die taz am 10. November berichtet hatte, konnten illegal Informationen über 3,8 Millionen Bewerber online problemlos abgerufen werden. Fast 100.000 Beschäftigte in der gesamten Arbeitsverwaltung hatten Zugriff auf intimste Daten der Bewerber. Die NRhZ hatte darüber berichtet. Oder hunderte von Bewerbungen wurden öffentlich als Müll entsorgt. Behrsing „Die ganzen Datenskandale der JobCenter oder der Agenturen machen deutlich, dass sie für ihre Aufgabe völlig ungeeignet sind. Es liegt auf der Hand, dass bei solchen Sicherheitslücken regelmäßig der Datenschutz gebrochen werden muss. Eigentlich müssten alle privaten Arbeitsvermittlungen geschlossen werden und die Arbeitsvermittlung wie früher wieder staatliche Aufgabe werden, die zuverlässig gearbeitet hat.“
„Hartz-IV-Emfänger“ – eine politische gewollte Spezies
Während Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit im April diesen Jahres vollmundig verkündete, das Hartz IV keine Sackgasse oder Endstation sei, gibt es für diesen Personenkreis auch deutlich geringere Chancen einer beruflichen Weiterbildung, als für andere Erwerbslose. So schafft man schließlich selbst die Bedingungen, von denen man hinterher behaupten kann, sie seien Vermittlungshemmnisse. Auch andere Arbeitslose mit „Vermittlungshemmnissen“ – wobei die Frage ist, wer sie zu Ausgegrenzten macht – wie Ältere, Kranke, MigrantInnen, Behinderte oder Alleinerziehende sind ebenso an den Rand der Gesellschaft getrieben, die dann wegen ihrer Ausgegrenztheit „besonderer Stabilisierung“ bedürfen. Heinrich Alt: „Gerade hier zeigt sich, dass die Kooperation zwischen Kommune und Arbeitsagentur funktioniert. Flankierende kommunale Eingliederungsmaßnahmen wie zum Beispiel Schuldner- oder Suchtberatung oder auch psychosoziale Betreuung sind nicht selten Basis für die eigentliche Vermittlungsarbeit.“ So wird eben das Bild über Hartz-IV-Bezieher hergestellt, um ihnen gewisse Schubladen zu verpassen.
Dann wieder kämpft Alt in der Zeit vom 2. August 2009 tapfer gegen die selbsterzeugten Vorurteile: "Dabei zeigt es sich immer wieder: Menschen, die nach verzweifelter Suche eine Jobchance erhielten, sind oft die besten und treuesten Mitarbeiter." Ihre Bewerbungen sollten deshalb nicht auf den Stapel „Absagen“ gelegt werden. Wie sich allerdings Millionen Erwerbsloser auf auf 270.000 ungeförderte Stellen verteilen sollen, weiß auch Alt nicht. Kürzlich suchte ein Krankenhaus eine Mitarbeiterin und bekam daraufhin über 3.500 Bewerbungen. Nun stelle man sich diesen potentiellen Arbeitgeber vor, den ein Bewerberangebot mit Umweltpapier und Stempel der Arbeitsagentur erreicht. Raten Sie mal, was der damit macht!
Das massenweise Verschicken von Bewerberangeboten über die ARGEn macht ohnehin keinen Sinn. Im Durchschnitt schreiben Erwerbslose laut EMNID rund 63 Bewerbungen, manche Erwerbslose über 200 – in der Regel erfolglos. Vom Amt bekommen sie nur 10 Euro pro Bewerbung ersetzt, also nur 260 Euro pro Jahr, den Rest müssen sich Hartz-IV-Bezieher vom Munde absparen. Zudem sinkt die Zahl offener Stellen mit Zunahme der geforderten Qualifikation, so dass eine Erhöhung der Bewerbungsanzahl kaum mehr bringt. Kürzlich forderte die Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion – man staune! – , Brigitte Take, die Arbeitgeber auf, auch Hartz-IV-Beziehern eine faire Chance zu geben und Vorurteile abzubauen. Denn von 1.000 Bewerbern kommen gerade mal 34 in einen nichtgeförderten Job. Am Ende werden sie in 1-Euro-Jobs oder, sofern noch jünger, in die Bundeswehr genötigt.
Protest vor der ARGE Bonn
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Kurz zusammengefasst: Erst macht man die Menschen erwerbslos und in der Regel auch noch für ihr Schicksal verantwortlich. Dann werden sie verarmt und im Anschluss verweigert man ihnen die Bildung. Das Herumtrampeln der Gossenjournaille und einer bestimmten Politikerklientel wie Sarrazin, Mißfelder oder Clemens auf ihnen erreicht schließlich die komplette Stigmatisierung und Ausgrenzung. Endlich, mit 359 Euro im Monat an den gesellschaftlichen Rand gedrängt, erfolgt im Anschluss gratis das „Aktivieren“ als komplette soziale Kontrolle durch fragwürdige „Eingliederungsmaßnahmen“. Die kommen heute nicht wie früher primär autoritär, „sondern kooperativ zugewandt oder auch pädagogisierend, dabei nicht selten subtil übergriffig, ggf. zynisch, manchmal auch latent verachtend und nur hier und da noch in Resten paternalistisch oder offen autoritär“ daher, beschrieb der Sozialwissenschaftler Olaf Behrend die Situation in einem Aufsatz in „Aus Politik und Zeitgeschichte“, APuZ, vom 29. September 2008.
Durch die gesellschaftliche Mangel gedreht, das geht nicht spurlos an einem vorüber. Und selbstverständlich leiden Erwerbslose deshalb besonders unter gesundheitlichen Einschränkungen. Langzeitarbeitslosigkeit führt zu psychosomatischen Beschwerden, zu „Störungen des Wohlbefindens; sie hat insgesamt negativen Einfluss auf die Psyche“ mit „vielfältigen, teils schwerwiegenden Erkrankungen wie Depressionen, Kopf- und Rückenschmerzen mit der Gefahr von Herzinfarkt oder Schlaganfall.“ Kein Wunder also, dass dies sich „in Niedergeschlagenheit, langsamerer Gehgeschwindigkeit, verringertem Interesse am Leben usf.“ äußert, so Prof. Dr. Michael Frese in „Arbeitslosigkeit: Was wir aus psychologischer Sicht wissen und was wir tun können“ in APuZ. Dazu kann allerdings auch ein Seminar vom Amt helfen. In einem durch eine Arbeitsagentur durchgeführten „Weiterbildungsseminar“ teilte einer sich dort als „Unternehmensberater“ vorgestellter Trainer – der ohne die Maßnahme offenkundig ebenso erwerbslos gewesen wäre – einem 50jährigen Akademiker mit: „Leider haben sie keine Chance: Zu alt, zu dick zu klein.“ Und Bewerber aus der gesellschaftlich erzeugten Spezies wollen Arbeitgeber eben weniger. Sie möchten lieber die Jungen, schönen, gesunden, großen, schlanken, intelligenten Menschen – also welche aus der Minderheit der Gesellschaft.
Das Problem ist auf keinen Fall das Problem
Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB, kommt in einer Studie zu einem wenig überraschenden Ergebnis, das eigentlich schon jeder geahnt hatte: Die Integration von Menschen, die langzeitarbeitslos sind, – und hierzu gehört nach gültiger Arbeitgeberauffassung jeder, der länger als ein halbes Jahr erwerbslos ist – sei gescheitert. Nennenswerte Vermittlungserfolge seien nicht einmal in Zeiten des Aufschwungs erfolgt, geschweige denn in diesen Zeiten der Wirtschaftskrise. Prof. Jutta Allmendinger vom WZB: „Die bisherigen Arbeitsmarktreformen haben das Problem der Langzeiterwerbslosigkeit nicht zufriedenstellend lösen können.“ Als Grund macht das Institut allerdings nicht eine über Leichen gehende kapitalistische Wirtschaftsweise mit bewusst in Kauf genommenen Ausgrenzungs- und Vernichtungstendenzen im Kampf Jeder gegen Jeden aus, sondern die mangelnden Betreuungs- und Qualifizierungsmaßnahmen und fordert daher mehr Unterstützung für „Problemgruppen“. Doch an den alten „Reformen“, von denen das Institut selbst feststellt, dass sie eigentlich nichts taugen, will man festhalten. Allmendinger: „Statt Reformen zurückzunehmen, sollte Kurs gehalten werden.“ Man will mehr „Anreize“ zur Arbeitsaufnahme – sprich mehr Niedriglöhne. Also noch mehr Druck, für Hunger zu arbeiten.
Einmal in diese mörderischen Mühle zwischen Arbeitsagentur und Arbeitsmarkt geraten, wird es verständlich, dass sich nicht jeder gleich als neue Spezies „Hartz-IV-BezieherIn“ in der Öffentlichkeit outen, geschweige denn, mit Stempel und Brief vom Amt bewerben will. Deshalb war Martin Behrsing vor das Sozialgericht gezogen. Das fand seine Argumente durchaus stichhaltig und stellte fest, dass ihm die Arbeitsagentur Leistungen rechtswidrig versagt hatte. Denn er hatte seine vollständigen Daten für Bewerberangebote der ARGE zur Verfügung gestellt, und nur ihr die pauschale Weitergabe an Dritte ohne seine Kenntnis und Einwilligung untersagt. Und die Einwilligung der Datenweitergabe an Dritte – so das Sozialgericht Köln – gehöre nicht zu den Mitwirkungspflichten. Für die nun rechtswidrig vorenthaltene Grundsicherung muss Martin Behrsing allerdings weiterkämpfen. (HDH)
Martin Behrsing ist Sprecher des Erwerbslosenforum Deutschland.
Online-Flyer Nr. 224 vom 18.11.2009
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Probleme bei Vermittlung einer Spezies
Bewerbung mit ARGE-Stempel
Von Hans-Dieter Hey
Private Arbeitsvermittlungen ungeeignet
Hartz-IV-Bezieher Behrsing hatte der Bonner ARGE Mitte Mai 2009 untersagt, dass diese Daten an potentielle Arbeitgeber weitergibt, sofern sich durch die Weitergabe der Daten Rückschlüsse auf den Bezug von Hartz IV-Leistungen ergeben. Es wäre nämlich für jeden erkennbar, dass er Hartz IV bekomme, wenn die ARGE mit ihrem eigenen Briefkopf Arbeitgebern Bewerber vorschlagen würde. Das gleiche könne auch geschehen durch entsprechendes Anhalten zur Eigenbewerbung und den Versand durch die Arbeitsagentur. Die Vermittlungsleistungen der Arbeitsagentur kann jeder in Anspruch nehmen, ohne dafür erwerbslos sein zu müssen. Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. „Arbeitgeber stellen eben Menschen, die Hartz IV bekommen, weitaus weniger ein.“
Martin Behrsing vor dem Sozial-
gericht Köln
„Hartz-IV-Emfänger“ – eine politische gewollte Spezies
Während Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit im April diesen Jahres vollmundig verkündete, das Hartz IV keine Sackgasse oder Endstation sei, gibt es für diesen Personenkreis auch deutlich geringere Chancen einer beruflichen Weiterbildung, als für andere Erwerbslose. So schafft man schließlich selbst die Bedingungen, von denen man hinterher behaupten kann, sie seien Vermittlungshemmnisse. Auch andere Arbeitslose mit „Vermittlungshemmnissen“ – wobei die Frage ist, wer sie zu Ausgegrenzten macht – wie Ältere, Kranke, MigrantInnen, Behinderte oder Alleinerziehende sind ebenso an den Rand der Gesellschaft getrieben, die dann wegen ihrer Ausgegrenztheit „besonderer Stabilisierung“ bedürfen. Heinrich Alt: „Gerade hier zeigt sich, dass die Kooperation zwischen Kommune und Arbeitsagentur funktioniert. Flankierende kommunale Eingliederungsmaßnahmen wie zum Beispiel Schuldner- oder Suchtberatung oder auch psychosoziale Betreuung sind nicht selten Basis für die eigentliche Vermittlungsarbeit.“ So wird eben das Bild über Hartz-IV-Bezieher hergestellt, um ihnen gewisse Schubladen zu verpassen.
Dann wieder kämpft Alt in der Zeit vom 2. August 2009 tapfer gegen die selbsterzeugten Vorurteile: "Dabei zeigt es sich immer wieder: Menschen, die nach verzweifelter Suche eine Jobchance erhielten, sind oft die besten und treuesten Mitarbeiter." Ihre Bewerbungen sollten deshalb nicht auf den Stapel „Absagen“ gelegt werden. Wie sich allerdings Millionen Erwerbsloser auf auf 270.000 ungeförderte Stellen verteilen sollen, weiß auch Alt nicht. Kürzlich suchte ein Krankenhaus eine Mitarbeiterin und bekam daraufhin über 3.500 Bewerbungen. Nun stelle man sich diesen potentiellen Arbeitgeber vor, den ein Bewerberangebot mit Umweltpapier und Stempel der Arbeitsagentur erreicht. Raten Sie mal, was der damit macht!
Das massenweise Verschicken von Bewerberangeboten über die ARGEn macht ohnehin keinen Sinn. Im Durchschnitt schreiben Erwerbslose laut EMNID rund 63 Bewerbungen, manche Erwerbslose über 200 – in der Regel erfolglos. Vom Amt bekommen sie nur 10 Euro pro Bewerbung ersetzt, also nur 260 Euro pro Jahr, den Rest müssen sich Hartz-IV-Bezieher vom Munde absparen. Zudem sinkt die Zahl offener Stellen mit Zunahme der geforderten Qualifikation, so dass eine Erhöhung der Bewerbungsanzahl kaum mehr bringt. Kürzlich forderte die Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion – man staune! – , Brigitte Take, die Arbeitgeber auf, auch Hartz-IV-Beziehern eine faire Chance zu geben und Vorurteile abzubauen. Denn von 1.000 Bewerbern kommen gerade mal 34 in einen nichtgeförderten Job. Am Ende werden sie in 1-Euro-Jobs oder, sofern noch jünger, in die Bundeswehr genötigt.
Protest vor der ARGE Bonn
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Kurz zusammengefasst: Erst macht man die Menschen erwerbslos und in der Regel auch noch für ihr Schicksal verantwortlich. Dann werden sie verarmt und im Anschluss verweigert man ihnen die Bildung. Das Herumtrampeln der Gossenjournaille und einer bestimmten Politikerklientel wie Sarrazin, Mißfelder oder Clemens auf ihnen erreicht schließlich die komplette Stigmatisierung und Ausgrenzung. Endlich, mit 359 Euro im Monat an den gesellschaftlichen Rand gedrängt, erfolgt im Anschluss gratis das „Aktivieren“ als komplette soziale Kontrolle durch fragwürdige „Eingliederungsmaßnahmen“. Die kommen heute nicht wie früher primär autoritär, „sondern kooperativ zugewandt oder auch pädagogisierend, dabei nicht selten subtil übergriffig, ggf. zynisch, manchmal auch latent verachtend und nur hier und da noch in Resten paternalistisch oder offen autoritär“ daher, beschrieb der Sozialwissenschaftler Olaf Behrend die Situation in einem Aufsatz in „Aus Politik und Zeitgeschichte“, APuZ, vom 29. September 2008.
Durch die gesellschaftliche Mangel gedreht, das geht nicht spurlos an einem vorüber. Und selbstverständlich leiden Erwerbslose deshalb besonders unter gesundheitlichen Einschränkungen. Langzeitarbeitslosigkeit führt zu psychosomatischen Beschwerden, zu „Störungen des Wohlbefindens; sie hat insgesamt negativen Einfluss auf die Psyche“ mit „vielfältigen, teils schwerwiegenden Erkrankungen wie Depressionen, Kopf- und Rückenschmerzen mit der Gefahr von Herzinfarkt oder Schlaganfall.“ Kein Wunder also, dass dies sich „in Niedergeschlagenheit, langsamerer Gehgeschwindigkeit, verringertem Interesse am Leben usf.“ äußert, so Prof. Dr. Michael Frese in „Arbeitslosigkeit: Was wir aus psychologischer Sicht wissen und was wir tun können“ in APuZ. Dazu kann allerdings auch ein Seminar vom Amt helfen. In einem durch eine Arbeitsagentur durchgeführten „Weiterbildungsseminar“ teilte einer sich dort als „Unternehmensberater“ vorgestellter Trainer – der ohne die Maßnahme offenkundig ebenso erwerbslos gewesen wäre – einem 50jährigen Akademiker mit: „Leider haben sie keine Chance: Zu alt, zu dick zu klein.“ Und Bewerber aus der gesellschaftlich erzeugten Spezies wollen Arbeitgeber eben weniger. Sie möchten lieber die Jungen, schönen, gesunden, großen, schlanken, intelligenten Menschen – also welche aus der Minderheit der Gesellschaft.
Das Problem ist auf keinen Fall das Problem
Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB, kommt in einer Studie zu einem wenig überraschenden Ergebnis, das eigentlich schon jeder geahnt hatte: Die Integration von Menschen, die langzeitarbeitslos sind, – und hierzu gehört nach gültiger Arbeitgeberauffassung jeder, der länger als ein halbes Jahr erwerbslos ist – sei gescheitert. Nennenswerte Vermittlungserfolge seien nicht einmal in Zeiten des Aufschwungs erfolgt, geschweige denn in diesen Zeiten der Wirtschaftskrise. Prof. Jutta Allmendinger vom WZB: „Die bisherigen Arbeitsmarktreformen haben das Problem der Langzeiterwerbslosigkeit nicht zufriedenstellend lösen können.“ Als Grund macht das Institut allerdings nicht eine über Leichen gehende kapitalistische Wirtschaftsweise mit bewusst in Kauf genommenen Ausgrenzungs- und Vernichtungstendenzen im Kampf Jeder gegen Jeden aus, sondern die mangelnden Betreuungs- und Qualifizierungsmaßnahmen und fordert daher mehr Unterstützung für „Problemgruppen“. Doch an den alten „Reformen“, von denen das Institut selbst feststellt, dass sie eigentlich nichts taugen, will man festhalten. Allmendinger: „Statt Reformen zurückzunehmen, sollte Kurs gehalten werden.“ Man will mehr „Anreize“ zur Arbeitsaufnahme – sprich mehr Niedriglöhne. Also noch mehr Druck, für Hunger zu arbeiten.
Einmal in diese mörderischen Mühle zwischen Arbeitsagentur und Arbeitsmarkt geraten, wird es verständlich, dass sich nicht jeder gleich als neue Spezies „Hartz-IV-BezieherIn“ in der Öffentlichkeit outen, geschweige denn, mit Stempel und Brief vom Amt bewerben will. Deshalb war Martin Behrsing vor das Sozialgericht gezogen. Das fand seine Argumente durchaus stichhaltig und stellte fest, dass ihm die Arbeitsagentur Leistungen rechtswidrig versagt hatte. Denn er hatte seine vollständigen Daten für Bewerberangebote der ARGE zur Verfügung gestellt, und nur ihr die pauschale Weitergabe an Dritte ohne seine Kenntnis und Einwilligung untersagt. Und die Einwilligung der Datenweitergabe an Dritte – so das Sozialgericht Köln – gehöre nicht zu den Mitwirkungspflichten. Für die nun rechtswidrig vorenthaltene Grundsicherung muss Martin Behrsing allerdings weiterkämpfen. (HDH)
Martin Behrsing ist Sprecher des Erwerbslosenforum Deutschland.
Online-Flyer Nr. 224 vom 18.11.2009
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