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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Arbeit und Soziales
Arbeitgeberargumente zu den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
Kein Geld für mehr Kaufkraft?
Von Franz Kersjes

An den flächendeckenden Warnstreiks im öffentlichen Dienst von Nordrhein-Westfalen haben sich allein am Donnerstag bis zum Nachmittag mehr als 42.000 Beschäftigte zwischen Aachen und Bielefeld beteiligt. „Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen“, sagte ver.di-Landesleiterin Gabriele Schmidt. Die Arbeitgeber sollten dies als ein „deutliches Signal“ erkennen. Die hatten in mehrtägigen Verhandlungen kein Angebot vorgelegt, sondern das Forderungspaket der Gewerkschaften grundsätzlich als „viel zu teuer“ bezeichnet. Franz Kersjes, bis zu seiner Pensionierung NRW-Landesvorsitzender der IG Druck und Papier, später IG Medien, die dann in der Gewerkschaft ver.di aufging, befasst sich mit diesen "Argumenten". – Die Redaktion 

Quelle: http://presse.verdi.de

Die erste große Tarifrunde dieses Jahres ist eingeläutet. Die Arbeitnehmervertreter – also die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Tarifunion des Beamtenbundes, die Gewerkschaft der Polizei und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – fordern für die rund 1,9 Millionen Beschäftigten in den Kommunen und deren Unternehmen sowie für die 160.000 Tarifbeschäftigten des Bundes tarifliche Einkommensverbesserungen von insgesamt fünf Prozent. Außerdem soll der Abschluss auf die Beamten des Bundes übertragen werden. Die Gesamtkosten des Tarifpakets beziffert ver.di auf 4,57 Milliarden Euro.

Die Arbeitgeberseite, bestehend aus Vertretern des Bundes und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), hält die Forderung für viel zu hoch und verweist auf die prekäre Finanzsituation der öffentlichen Haushalte. Politiker und Kommentatoren in den Medien sind empört über die „ maßlosen“ und „unerfüllbaren“ Forderungen der Gewerkschaften. Bei dem Schuldenberg des Staates sei kein Geld da für Einkommensverbesserungen der Beschäftigten. Wirklich nicht? Oder ist das Geld nur falsch verteilt? Einige Beispiele:

Steigende Militärausgaben

Die Tageszeitung Financial Times Deutschland berichtete in ihrer Ausgabe vom 8.1.2010 über die milliardenschweren Projekte der Bundeswehr. So sollen insgesamt 405 Exemplare des neuen Schützenpanzers Puma im Wert von 3,1 Milliarden Euro beschafft werden. Der deutsche Bundestag hat für die Einführung des Kampfjets Eurofighter bislang bereits 14,6 Milliarden Euro bewilligt. Insgesamt sind für das komplette Eurofighter-Programm nach der Bundeswehrplanung 21,7 Milliarden Euro budgetiert. Für ein neues Kampfschiff der Marine bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages trotz Kritik des Bundesrechnungshofes 2,7 Milliarden Euro, rund 656 Millionen Euro pro Schiff. Und das Beschaffungsprogramm
für die 38 Exemplare des neuen Hubschraubers NH-90 wird auf 4,03 Milliarden Euro beziffert. Allein die Entwicklung der Maschine kostete 2,5 Milliarden Euro. Das neue unbemannte Aufklärungsflugzeug Talarion soll 2,9 Milliarden Euro kosten und für das Raketenabwehrsystem Meads sind mindestens 2,85 Milliarden Euro geplant. - Bleibt zu fragen: Wofür diese wahnsinnige Geldverschwendung?

Rettungsschirm für Banken


Fast jeden Tag erreichen die Bürgerinnen und Bürger neue Horrormeldungen und Details zu den Milliardenverlustgeschäften der Landesbanken. Mit Bürgschaften und Kapitalspritzen in Milliardenhöhe sollen die Steuerzahler für die faulen Geschäfte der Banken geradestehen. Mit rund 20 Milliarden Euro Steuergeldern mussten allein die vier größten Landesbanken in den
vergangenen Monaten gestützt werden: die Landesbank Baden-Württemberg, die Westdeutsche Landesbank, die Bayerische Landesbank und die HSH Nordbank. Bislang zwei Milliarden Euro pumpte das Land Baden-Württemberg in seine Bank. Schrottpapiere der WestLB im Wert von rund 85 Milliarden Euro wurden in eine so genannte Bad Bank ausgegliedert. Und die Bürgerinnen und Bürger in Bayern mussten bislang zehn Milliarden
Euro für ihre Landesbank zahlen. Mit dem Kauf der Hypo Group Alpe Adria vor zwei Jahren betrieben die Landesbanker Expansion um jeden Preis. Ergebnis: 3,7 Milliarden Euro Verlust.

Die Steuerzahler in Deutschland werden sich wohl darauf einstellen müssen, noch mehr Geld in die Landesbanken zu stecken. Verantwortlich für dieses riesige Desaster sind vor allen Dingen Politiker, die in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten der Banken sitzen und gesessen haben. Die gleichen Politiker stellen sich nun vor die Fernsehkameras und behaupten, für
tarifliche Einkommensverbesserungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sei kein Geld da.

"Wachstumsbeschleunigungsgesetz“

Die Kommunen mussten in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres nach Angaben des Statistischen Bundesamtes einen Rückgang des Steueraufkommens von rund 13 Prozent gegenüber 2008 verkraften. Vom neuen „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ der Bundesregierung werden nach übereinstimmender Meinung vieler Sachverständigen kaum wachstumsfördernde Wirkungen ausgehen, aber die staatlichen Einnahmeausfälle und zusätzliche Ausgaben werden mindestens acht Milliarden Euro betragen. Die Reduzierung der Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe von 19 auf 7 Prozent bei Übernachtungen reduziert die Einnahmen des Staates um etwa eine Milliarde Euro und ist durch nichts, aber auch gar nichts, zu rechtfertigen. Die verantwortlichen Politiker erlauben sich in der aktuellen Krisensituation des Staates reine Klientelpolitik. Ungeheuerlich! Und für die meist bescheidenen Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst soll kein Geld für eine Einkommensverbesserung da sein?

„Wir wollen unser Geld zurück!“


Der amerikanische Präsident Barack Obama will die Großbanken in den USA mit einer Sonderabgabe mindestens zehn Jahre lang an den Kosten der Wirtschaftskrise beteiligen. In einer Ansprache erklärte er, Ziel der Sonderabgabe sei es, die staatlichen Ausgaben für das 700 Milliarden Dollar schwere Bankenrettungspaket „bis auf den letzten Groschen“ wieder
einzutreiben. Seine Regierung will Banken, Versicherungen und andere Unternehmen mit Vermögenswerten von mehr als 50 Milliarden Dollar in die Pflicht nehmen, die von bestimmten Staatshilfen in der Finanz- und Wirtschaftskrise profitiert haben.


Collage: Norbert Arbeiter
Eine solche Forderung ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Auch in Deutschland? Aber nein! „Es gibt keine Pläne, eine solche Sonderabgabe zu erheben“, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Michael Offer. Der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung schont die Verursacher der Krise. Kein Wort über die Beteiligung der Banken an den Krisen-Kosten. Obwohl die Staatsverschuldung durch die Rettung der Banken um 53,5 Milliarden Euro angestiegen ist. Hinzu kommen noch Bürgschaften in Höhe von 66 Milliarden.

Jeder, der in Deutschland Produkte kauft oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt, muss eine Mehrwertsteuer zahlen. Aber Finanzprodukte, die an der Börse verkauft werden, sind steuerfrei. Die Wirtschaftswissenschafter des Sachverständigenrates haben der Bundesregierung nun vorgeschlagen, eine Finanztransaktionssteuer und kurzfristig eine Sonderabgabe für Banken in Deutschland einzuführen. Die Banken sollen Geld an den
Staat abführen, um damit die von ihnen verursachten Schulden zu tilgen. Genau das macht das Land Schweden. Dort bezahlt jede Bank eine Steuer von 0,003 Prozent ihrer Bilanzsumme in einen Staatsfonds.

Der Wiener Ökonom Stephan Schulmeister gehört auch zu den Beratern der Bundesregierung. Er plädiert für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Derzeit werden an den Börsen in Deutschland jährlich insgesamt satte 163 Billionen Euro umgesetzt. Eine Ministeuer von gerade mal 0,05 Prozent würde dem Staat Jahr für Jahr 27 Milliarden Euro Einnahmen bringen. Dazu Schulmeister in einem Fernsehinterview mit dem Magazin Monitor: „Auf den Börsen würde eine Finanztransaktionssteuer technisch extrem leicht einzuführen sein, denn es ist so wie eine Kommission. Die Börse kassiert ja auch eine minimale Kommission für jede Transaktion und jetzt würde das Computerprogramm eben ergänzt werden, dass ein minimaler Betrag von 0,05 Prozent auf ein Staatskonto abgebucht würde. Also technisch kann man das in sechs Wochen einführen“.

Kein Zweifel: Auch die geforderten tariflichen Einkommensverbesserungen für die zwei Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind realistisch. Ein wirksamer Beitrag zur Stärkung der Kaufkraft ist möglich und notwendig. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen! (PK)

Online-Flyer Nr. 236  vom 10.02.2010

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