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Aktueller Online-Flyer vom 22. November 2024  

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Arbeit und Soziales
Warum und wie die SPD sich selbst überflüssig macht
Beispiel “Arbeit für Köln“
Von Elisabeth Sachse

Die hitzige Debatte um die Konsequenzen aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil über die Hartz-IV-Regelsätze ist z.T. erfreulich, eröffnet sie doch Einblicke auf die zu erwartenden Strategien namhafter Vertreter der etablierten Parteien. Sie verschleiert aber die Auseinandersetzung mit einer ebenso bis zum Jahresende zu treffenden Entscheidung bzgl. der zukünftigen Gestaltung der heutigen Jobcenter und ArGen. Und hier zeigt sich, dass entgegen Äußerungen von führenden SPD-Politikern, die sich hier und da wieder ihrer sozialen Kompetenzen erinnern und z.B. einen Mindestlohn höher als 7,50 € fordern, auf der kommunalen Ebene die Vertreter derselben Partei ganz andere Interessen verfolgen.

Gesicht gezeigt

Unter dem Motto “Arbeit für Köln“ hatte Anfang Februar die SPD Köln zu einer Podiumsdiskussion geladen, und da zeigte sie unerwarteterweise doch ihr wahres Gesicht. Geladen war u. a. der Geschäftsführer des Jobcenter Mannheim, Herman Genz. Dieser strich in seinen Ausführungen heraus, dass seine “erfolgreiche“ Jobcenter-Politik auch der Tatsache geschuldet sei, das “Kölner Modell“ in Mannheim eingeführt zu haben. Dieses Modell hat in Köln z.B. dazu geführt, dass in Jugendwerkstätten erfolgreiche Konzepte, die benachteiligten Jugendliche ordentliche Ausbildungen ermöglicht hatten, umgewandelt wurden in “Qualifizierungen“ für Helfertätigkeiten und Integrationsjobs wie “Gartenmöbel- oder Wagenpflege“, die Jugendliche unter Zwang annehmen müssen.

„Arbeitslose rannehmen“

Den Ausführungen von Genz war zu entnehmen, dass „Arbeitslose rangenommen werden müssen“ und Kinder in ihren erwerbslosen Eltern, die bis zwölf Uhr im Bett lägen, keine Vorbilder fänden. Die Aufgabe, diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, könnten die Kommunen als Kenner des regionalen Arbeitsmarktes besser leisten als eine zentralistisch agierende Bundesagentur für Arbeit. Die Struktur, den lokalen Arbeitsmarkt zu organisieren, lieferte Herr Genz gleich mit: die städtische Beschäftigungs-GmbH für Dienstleistungen mit dem Ziel der „Wertschöpfung aus sozialer Leistung“.

Künftig Null-Euro-Jobber

Seit den  90er-Jahren wird ein massiver Stellenabbau im öffentlichen Dienst betrieben, die Zahl der Beschäftigten sank bis heute von 6,7 auf 4,5 Millionen. Hier zeigen sich die eigentlichen Zielsetzungen, die Politiker wie Herr Genz verfolgen: den politisch gewollten Sparzwang, denen sich die Kommunen ausgesetzt sehen, wollen sie in „nicht zu bezahlenden“ Beschäftigungsmaßnahmen wie Integrationsjobs und Qualifizierungsmaßnahmen auffangen. Nicht zu bezahlen heißt hier, dass die Teilnehmer der genannten Maßnahmen die angeblich unqualifizierten und arbeitsunwilligen Langzeiterwerbslosen sind, für deren Lebensunterhalt und sogenannte Qualifizierung die Bundesagentur für Arbeit aufkommt. Die Kommune kann jetzt, wie vor kurzem aus Hagen berichtet, Dienstleistungen wie die Friedhofspflege durch Ein-Euro-Jobber und Praktikanten oder künftige Null-Euro-Jobber ausführen lassen. Die Veranstalter dieser Qualifizierungen, sogenannte “Maßnahmeträger“, verdienen durch ihre “unterstützende Begleitung“ nicht schlecht daran.

“Gesellschaftliche Teilhabe“

Es gibt genug Arbeit für die Kommunen, die zu verrichten ist, und weil nach Herrn Genz‘ Vorstellungen Arbeit die “gesellschaftliche Teilhabe“ garantiert, bleibt für ihn nur ein politischer (Kurz-)Schluss zulässig: Wirtschafts- und Sozialausschuss werden zusammengelegt. Die wirtschaftende Kommune kann jetzt Sozialpolitik als Integrationspolitik betreiben, besondere Lebenslagen gibt’s dann wahrscheinlich nicht mehr, weil ja für alles kostengünstig gesorgt werden kann, und dank des Sanktionsparagraphen kann auch der letzte Unwillige zu seinem “gesellschaftlichen Glück“ gezwungen werden. Qualität spielt keine Rolle, denn öffentliche Daseinsvorsorge unterliegt nicht dem Konkurrenzdruck wie in der Privatwirtschaft. Da stört es dann nicht mehr, wenn nicht passend qualifizierte Menschen eingesetzt werden, denn es entsteht kein wirtschaftlicher Schaden: „Wenn’s mal ein bisschen länger dauern sollte, macht nix, zahlt ja eh die Bundesagentur!“

Eigentlich sind diese Überlegungen doch schlau, bauernschlau sozusagen, nur gibt’s da für die SPD ein kleines Problem: wenn das Soziale in der Wirtschaft aufgeht, wie soll sie sich denn jetzt nennen? WPD? Wirtschaftspartei Deutschland? Die gibt’s schon, heißt nur FDP. Am besten, sie löst sich gleich ganz auf. (PK)

Online-Flyer Nr. 237  vom 17.02.2010

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