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Lokales
Erzbistum Köln: Kirchensteuerrückzahlung für den Multimillionär Hans Esser
COLONIA CORRUPTA – Folge 4
Von Werner Rügemer

Der Kölner Karls-Preis-Träger Werner Rügemer veröffentlichte im März die sechste erweiterte und aktualisierte Auflage seines Buches "COLONIA CORRUPTA". Darin spielen  natürlich - wie schon in der dritten Folge der von uns hier veröffentlichten Serie - Kardinal Meisner und sein Generalvikar Dominikus Schwaderlapp eine maßgebliche Rolle, aber gemeinsam mit ihnen - und für das brave Kirchenvolk eher unerwartet - der einstige Vorstandssprecher des Mannesmann-Konzerns und Multimillionär, Klaus Esser, und Investoren wie Bernd Reiter und dessen Zukunftsorientierte Planungs GmbH. - Die Redaktion


Immer mehr Kirchenaustritte, aber die Bundeswehr bleibt Meisner treu
NRhZ-Archiv

Wenn der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner gegen „entartete Kunst“ oder gegen Schwangerschaftsabbruch und Moralverfall polemisiert, dann leuchten die Augen der großen Medienmacher. Bei solchen Dingen darf man den reaktionären Kardinal kritisieren, denn er geht doch manchmal ein bißchen zu weit über die öffentlich gepredigte political correctness hinaus. Andere Aktivitäten des Kardinals und seines militanten Opus-Dei-Stoßtrupps werden allerdings im gnädigen Dunkel belassen. Über die regelmäßigen Militär-Gottesdienste im Kölner Dom mit dem Lob für die friedensstiftende Tätigkeit der im vollen Wichs angetretenen Abordnungen der NATO-Staaten schweigt der medialen Sänger Höflichkeit. Vor allem die tiefe wechselseitige Durchdringung von Kirche und Kapital bleibt merkwürdig unbeachtet.

Warum Klaus Esser mit sich und Gott im Reinen ist...


Dem Abbau des Sozialstaats und der Entwürdigung der Arbeitslosen stimmt auch die katholische Kirche zu. Mehr noch – sie zieht dieselben Maßnahmen auch im Unternehmen Kirche durch. So manche Kirchenmitglieder verdünnisieren sich, leise, ohne äußerliche Empörung, Kirchenaustritte nehmen kein Ende. Die staatlich einkassierten Zwangsabgaben, die Kirchensteuern, nehmen ab. Deshalb holte Meisner die Unternehmensberater von McKinsey ins Haus, um Personal entlassen zu können. McKinsey kann man gut und gern als Opus Dei des Kapitals bezeichnen: beide arbeiten als elitäre, verschworene, einflußreiche Gemeinschaft, die ihren Gewinn daraus zieht, die Privilegien anderer Elitengruppen abzusichern. Das Erzbistum streicht laufend das Geld für die Tätigkeit der vielen Tausend Laien in den Kirchengemeinden, während die Führungsebene gestärkt wird. Ein Verzicht z.B. des Kardinals auf wenigstens einen kleinen Teil seines Generals-Gehalts ist nicht bekannt geworden.

Obwohl das Erzbistum die Sparmaßnahmen mit rückläufigen Kirchensteuern begründet, verzichtet es auf mögliche Steuereinnahmen, auf ganz bestimmte jedenfalls. Großverdiener werden zulasten der Kirchenkasse bevorzugt behandelt. So hatte der damalige Vorstandssprecher des Mannesmann-Konzerns, Klaus Esser, vor dem Düsseldorfer Gericht, als er mit Deutsche Bank-Chef Ackermann der Untreue angeklagt war, die etwas merkwürdige Bemerkung gemacht: „Ich bin mit mir und dem lieben Gott im Reinen.“ Das wurde zwar in den Medien zitiert, aber es blieb unklar, was diese marottenhaft scheinende Bemerkung bedeutete.


Klaus Esser - mit dem lieben Gott im Reinen
NRhZ-Archiv
Bekanntlich hatte Esser auf Vorschlag des Mannesmann-Hauptaktionärs Li Kasching aus Hongkong, der durch Essers Verhandlungsführung mit dem Aufkäufer Vodafon etwa 8 Milliarden Euro „verdient“ hatte, aus der Mannesmann-Kasse eine etwas unkoschere 16-Millionen-Euro-Prämie bekommen, zusätzlich zu seiner Abfindung von 15 Millionen, was angesichts der Tatsache, daß Esser nur ein halbes Jahr im Amt war, zusätzlich befremden könnte. Es stellte sich heraus: Esser hatte die milde Gabe zunächst ordentlich versteuern müssen. Da er als sogenannter Verantwortungs- und Leistungsträger einen gewissen höheren Rückhalt braucht, ist er gleichzeitig ein gläubiger Katholik. Deshalb hatte das Finanzamt dem Kirchenmitglied von den 30 Millionen auch die Kirchensteuer abgezogen. Das waren immerhin etwa 500.000 Euro.

Das sind zwar bei diesen Millioneneinkommen nur pea nuts, auf die ein guter Katholik wie Esser sicher gerne verzichtet - so könnte Lieschen Deutschmüller, die z.B. als Verkäuferin bei Karstadt arbeitet, meinen. Immerhin kommt er ja auf diese Weise mit sich und Gott ins Reine. Das wäre aber eine Verkennung der kapitalistischen deutschen Psyche. Klaus Esser ist ja in seinem Leben so weit und hoch und zu seiner Prämie gekommen, im Unterschied zur Karstadt-Verkäuferin, weil er nicht so denkt wie Lieschen Deutschmüller und bei seinem Denken bzw. Nichtdenken immer auch von seiner Kirche unterstützt wird.

Deshalb auch stellte Esser beim Erzbistum Köln den Antrag, dass ihm 50 Prozent der Kirchensteuer zurückerstattet werden. Die Kirche gewähre ja Lohnabhängigen – z.B. den Verkäuferinnen, die bei Karstadt entlassen werden, so argumentierte er - für Abfindungen auch eine solche Rückerstattung, damit sie unter ihrer Entlassung nicht zusätzlich zu leiden haben. Esser forderte Gleichheit vor dem Gesetz.

Viertelmillion Euro Kirchensteuer erstattet

Der Erlaß-Ausschuss des Kirchensteuerrats - da gibt es also einen eigenen Erlass-Ausschuss! - des Kölner Erzbistums ließ Esser ganz selbstverständlich die Viertelmillion Euro Kirchensteuer erstatten, damit er vor Gesetz und Gott gleich sei mit der entlassenen Karstadt-Verkäuferin. Deswegen und wegen ähnlicher Gerechtigkeitsfälle konnte für einige Kindergärtnerinnen nun natürlich der Arbeitsplatz im erzbischöflichen Kindergarten nicht mehr bezahlt werden. Und deswegen mußte (mußte!) der Kardinal dann McKinsey zu Hilfe rufen. Und so war Klaus Esser mit sich und dem lieben Gott im Reinen.

So ganz bereinigt war die Angelegenheit offensichtlich doch nicht. Es schien Schaden entstanden zu sein. Denn nach meiner Veröffentlichung dieser Angelegenheit mahnte mich der Generalvikar des Erzbistums Köln, Norbert Feldhoff, verbunden mit dem Hinweis, daß er auch den Intendanten des WDR, Fritz Pleitgen, ebenso habe ermahnen müssen, „das Thema Kirchensteuer zukünftig sensibler zu behandeln, damit materieller und immaterieller Schaden abgewendet wird.“ Bleibt die vom Herrn Generalvikar unbeantwortete Frage, wem wohl bei der Steuerrückzahlung ein materieller und immaterieller Schaden entstanden sein könnte?

Schöner wohnen an St. Ursula

Es verwundert wohl nur naive Zeitgenossen, die nicht durch das katholische Fegefeuer gegangen sind, dass in der Kirche und in Meisners Erzbistum kirchliches Vermögen an sogenannte Investoren verschleudert wird. Unbezweifelbar ist, daß sich die Kirchen unter des Kardinals und seines Generalvikars Obhut innerlich und äußerlich leeren bzw. anders füllen. Wie schon erwähnt, gehen vor allem die ärmeren Schäfchen nicht mehr so gern und zahlreich in ihre Kirche, weil diese gar nicht mehr so recht ihre Kirche ist. Zudem fällt für die besser Betuchten wegen ihrer globalisierten Drittwohn- und Feriensitze auch weniger Zeit für traditionelle Kirchengänge ab.

Zum Beispiel im gemütlichen Kölner Einfamilienhaus-Vorort Hürth, der mit dem Spruch „Weltoffen und tolerant“ für sich wirbt, stand die Kirche St. Ursula immer leerer da; auch war sie reparaturbedürftig geworden. Deshalb wurde sie an den Investor Bernd Reiter und an seine Bernd Reiter Zukunftsorientierte Planungs GmbH verkauft. Wobei das für einen Investor Interessante auch oder vor allem die dazugehörigen Grundstücke waren. Genau genommen bekam der Investor die Kirche ganz umsonst und die Grundstücke drumherum für eine Million Euro. Investor Reiter, auch Vorsitzender des Kunstvereins Hürth, erhielt eine Genehmigung für den Umbau der Kirche, damit er dort nach Investorenart seine private Kunstsammlung „Royal Spirit – Könige der Herzen“ der Öffentlichkeit im passenden Ambiente einer „Kunstkirche“ präsentieren kann. Aus solchen Gründen gehen auch die Betuchteren unter den Schäfchen wieder häufiger in die umgebaute und umgewidmete Kirche. Reiter verkaufte die voll erschlossenen und baureifen Grundstücke gleich weiter an den nächsten Investor, und zwar für 1,5 Millionen Euro. So hatte also die Kirchengemeinde nicht nur ihre Kirche verschenkt, sondern auch noch eine halbe Million Euro dazu.


Sankt Ursula und die Grundstücke drumherum | Quelle: Wikimedia

Der neue Investor errichtet nun auf dem Grundstück mit Blick auf das kirchliche Gemäuer 27 Eigentumswohnungen der gehobenen Art. Er wirbt mit dem besonderen Ambiente alter Kirchenmauern um die Toskana-Fraktion künftiger Wohnungskäufer. Dass es dabei sprachlich aufgeblasen etwas durcheinander geht, stört in diesem Milieu offensichtlich niemand: „Carree Campanile – Wohnen an St. Ursula“, heißt das Werbemotto. So manche gute Christen der alten Art regten sich über diese „Profanierung“ ihrer Kirche auf. Sie schrieben an den Kardinal und mahnten an, dass z.B. die nun mitverschenkten Glocken des „Campanile“ ganz durch Spenden von Kirchenmitgliedern bezahlt wurden und dass zukünftige Spenden demnächst an nicht-katholische Organisation gehen werden. Dieser zarte und ganz innerkirchlich bleibende Protest hatte selbstverständlich keine Wirkung, der Kardinal blieb ungerührt.

Architekten, die mit dem Erzbistum eng verbunden sind, mahnten an, dass die Kirche mit dieser Profanierung nichts Gutes für ihr Image getan habe. Auch finanziell habe sie schlecht gehandelt: Die Grundstücke hätten auch durch Erbpacht an den Investor vergeben werden können. Damit hätte die Kirche mehr Einnahmen bekommen, womit zusätzlich auch das Kirchengebäude hätte erhalten werden können. Auch diese kundigen Argumente verhallten selbstverständlich ungehört. Das liegt auch daran, dass diese katholischen Architekten sich lieber in den Arsch beißen als ihre Kritik an die Öffentlichkeit zu bringen. In Meisners autokratisch geführtem Bistum herrscht ein Angstregime, dem sich auch ansonsten selbstbewußt auftretende Profis mit krummen Rücken unterwerfen.

Ein Ort des Dialogs würde nur stören

Damit sowas und die Kollaboration der Kirche mit den Sozialstaats-Demonteuren und Arbeitslosen-Beleidigern und künstlerisch drapierten Raffkes nicht kritisiert werden können soll, räumt Meisners Truppe mit potentiellen Kritikern im eigenen Hause auf. Da ist z.B. das Katholisch-Soziale Institut (KSI). Es wurde 1947 in der Trägerschaft des Kölner Erzbistums als Einrichtung der Erwachsenenbildung gegründet. Es hat seinen Sitz in Bad Honnef, südlich von Köln. Es möchte die „Menschen zu einem christlichen, wertbezogenen Handeln“ befähigen, will „ein Ort des Dialogs zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Kräften“ sein. Das mag harmlos klingen, aber bei Meisner und seinem Opus Dei klingeln da die Alarmglocken. Auch in den Augen von McKinsey dürfte es sich beim KSI nicht um eine lohnende betriebswirtschaftliche Veranstaltung handeln.

Als das KSI 1997 das „Sozialwort“ der beiden Großkirchen mitorganisierte und dabei einige Kritik an der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich einfloß, da war der Anfang vom Ende eingeläutet. Gar nicht zu reden von der „Akademie für Querdenker“, die im letzten Jahrzehnt jährlich im KSI stattfand und wozu auch leibhaftige Kapitalismuskritiker und Alternativ-Nachdenker eingeladen wurden. Man bedenke: wenn in den regelmäßigen einjährigen Lehrgängen zum kirchlichen „Sozialsekretär“ kritische Gedanken unter katholischen Betriebsräten und Mitarbeitervertretern um sich greifen – wohin kann das führen? Wie soll da den herausragenden Schäfchen wie Klaus Esser und Bernd Reiter zukünftig Gerechtigkeit widerfahren?

Eine „Reform“ diktiert

Der Kardinal hat im 60. Jahr des nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch international geschätzten Instituts aus unheiterem Himmel eine „Satzungsreform“ durchgedrückt. „Reform“ - diese Sprache ist der Politik entlehnt, die jegliche Verschlechterung für die Mehrheit der Menschen als „Reform“ ausgibt. Diese „Reform“ ist ein „Diktat“ und ein „Schlag gegen die Partizipation in der Kirche“, sagt vielmehr Walter Bitter vom bisherigen KSI-Vorstand. Der Vorstand soll nach der „Reform“ nämlich in seiner bisherigen Entscheidungsfunktion ersatzlos gestrichen werden, ebenso die Mitgliederversammlung. Alle bisherigen Mitwirkungsrechte von Laien sind abgeschafft.

Der neue Vorstand hat lediglich beratende Funktion. Alleiniger Entscheider und Herrscher soll ein Vorstandschef werden. Der Kardinal hat auch seinen treuen Diener, den ehemaligen Generalvikar Norbert Feldhoff, auf diesen Posten gehievt - Feldhoff ist der langjährige Finanzchef des Erzbistums, ein geschmeidiger, geschäftstüchtiger Mann, dem Kardinal geistesverwandt. Er zieht lieber die Fäden hinter den Kulissen, lobt allerdings öffentlich dezent die Vorteile des Kölschen Klüngels.  Meisners rechte, sehr rechte Hand, der neue Generalvikar Dominikus Schwaderlapp, hat wegen der aufgekommenen Kritik in einem Brief an Feldhoff ein in der Satzung nicht genanntes Gremium ins Spiel gebracht, das man im KSI vielleicht noch gründen könne, einen „Freundeskreis“: In diesem könne doch, so die schmierige Formulierung, „die emotionale, affektive und emphatische Anbindung der bisherigen Institutsmitglieder weiter gepflegt werden“. (PK)

Einen Schritt vom Kölner Dom der Herren Meisner, Schwaderlapp und Feldhoff direkt zum Vatikan und dessen Corporate Identity können Sie mit Hilfe des in dieser Ausgabe stehenden Kurzfilms von „dogfilm“ machen.


Natürlich enthält "COLONIA CORRUPTA" zahlreiche Literaturhinweise, die wir hier weggelassen haben. Bilder und Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion in den Originaltext von Werner Rügemer eingefügt.
Das Buch über Globalisierung, Privatisierung und Korruption im Schatten des Kölner Klüngels erschien im März in 6. überarbeiteter und erweiterter Auflage im Verlag Westfälisches Dampfboot www.dampfboot-verlag.de 214 Seiten, € 19,90, ISBN: 978-3-89691-525-2




Online-Flyer Nr. 244  vom 07.04.2010

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