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Arbeit und Soziales
Neue Satzung auf dem 19. DGB-Bundeskongress vom 16. bis 20. Mai
Rettung oder Spaltung?
Von Franz Kersjes

Es soll gespart werden. Die finanzielle Not veranlasst die Gewerkschaften im DGB zu Einschränkungen und Änderungen der Strukturen in ihrer Dachorganisation. Bereits in den vergangenen beiden Jahren wurden „Eckpunkte“ für eine Reform des DGB diskutiert und vom Bundesvorstand beschlossen. Nun sollen die Delegierten des 19. Ordentlichen Bundeskongresses, der vom 16. bis 20. Mai in Berlin stattfindet, eine neue Satzung beschließen.

DGB-Vorsitzender seit 2002:
Michael Sommer
Quelle: www.spd-biberach.de
Zukünftig sollen nur noch zwei statt bisher drei Ebenen – Bundesvorstand und Bezirke - hauptamtlich be- setzt sein. Die bisher dritte Ebene der Regionen soll aufgelöst und Teil der Be- zirke werden. Der Bezirks-vorstand wird im Benehmen mit dem Bundesvorstand Regionen einrichten, die integraler Bestandteil der Bezirke sein sollen. Die 66 verbliebenen hauptamtlichen Regionsvor-sitzenden (von 249 im Dezember 2002 und 89 im Januar 2009) sollen Regionsgeschäftsführer werden, die von den Bezirkskonferenzen „auf Grundlage von Wahlvorschlägen aus den jeweiligen Regionen“ gewählt werden und nur noch mit beratender Stimme an den Sitzungen des Bezirksvorstandes teilnehmen. Der Bundesvorstand kann über die Abberufung eines Geschäftsführers entscheiden.

„Ehrenamtliche Ebene“

Eine neue dritte Ebene ist als „ehrenamtliche Ebene“ vorgesehen. In den rund 430 kreisfreien Städten und Landkreisen soll ein DGB-Kreis- oder Stadtverband gebildet werden. Sie werden durch Beschluss des jeweiligen Bezirksvorstandes eingerichtet. Die Delegierten der vor Ort bestehenden Einzelgewerkschaften wählen in einer Konferenz eine/n Vorsitzende/n und bis zu zwei stellvertretende Vorsitzende. Entsendet werden ein/e Vertreter/in des Frauenausschusses und des Jugendausschusses (sofern vorhanden), und jede Mitgliedsgewerkschaft delegiert eine/n Vertreter/in sowie eine/n Ersatz-Vertreter/in in den Vorstand. Die Rechte und Aufgaben der Organe der Kreis- und Stadtverbände regelt der Bundesvorstand in einer Richtlinie! Die Regionsgeschäftsführer sollen die Aufgaben der Kreis- und Stadtverbände unterstützen und die „notwendige Kooperation zwischen den Gewerkschaften in der Region“ organisieren. Aber mit dem Wegfall der Regionsvorstände und der damit verbundenen konkreten, abgestimmten Zusammenarbeit der Gewerkschaften ist ein erheblicher Verlust verbunden.

Ein bürokratisches Monster!

Die vorgesehene Umsetzung der veränderten Regelungen ist in einem Begleitantrag zur neuen DGB-Satzung dargelegt, dessen Text länger ist als der gesamte Satzungstext! Ein bürokratisches Monster! Die Autoren und Befürworter dieses Textes haben offensichtlich nicht erkannt, dass Gewerkschaften mit Vorschriften, Richtlinien und Anweisungen heute nicht mehr überleben können. Fast alles wird geregelt, trotzdem bleibt manches unklar. Wesentliche Entscheidungen über den Einsatz von finanziellen Mitteln und die Arbeit in den Strukturen trifft der DGB-Bundesvorstand. Der Zentralismus wird gestärkt. Ungeklärt bleibt wie in der Vergangenheit, welche politischen Rechte, Aufgaben und Ziele der DGB in der Interessenvertretung der Einzelgewerkschaften künftig hat. Offensichtlich sind die acht Mitglieder des DGB weiterhin nicht bereit, Macht an den gemeinsamen Bund abzugeben.

Rechtsschutz bleibt unverändert

Der Beitrag der Mitgliedsgewerkschaften an ihren Bund bleibt unverändert und beträgt weiterhin zwölf Prozent ihres Beitragsaufkommens. Die darüber hinausgehenden Einzahlungen in den Solidaritäts- und Aktionsfonds werden ersatzlos gestrichen. Das bedeutet Mittelkürzungen von derzeit etwa 3,9 Millionen Euro. Solidaritätsmaßnahmen und besondere gewerkschaftliche Aktionen müssen zukünftig aus dem Beitragsaufkommen finanziert werden. Der gewerkschaftliche Rechtsschutz bleibt unverändert.

Über die geplanten Veränderungen haben die 400 Delegierten des Bundeskongresses, der vom 16. bis 20. Mai in Berlin stattfindet, nun zu entscheiden. Rund zwei Drittel der Delegierten  kommen aus der IG Metall (139) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (133). Vertreten sind des Weiteren die IG Bergbau, Chemie, Energie (45), IG Bau, Agrar, Umwelt (22), Gewerkschaft Erziehung, Wissenschaft (17), TRANSNET (16), Nahrung, Genuss, Gaststätten (15) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP 13).

Das Ende der Einheit?

Die Zukunft des DGB bleibt ungewiss. Ob mit der veränderten Struktur die damit verbundenen Hoffnungen erfüllt werden können, ist zumindest zweifelhaft. Aktive Mitglieder in den Einzelgewerkschaften zu finden, die sich mit ausreichender Zeit für die Arbeit in den 430 Stadt- und Kreisverbänden zur Verfügung stellen, dürfte sehr schwierig werden. Es bleibt die Diskussion hinter den Kulissen, welche Alternative den DGB retten könnte. Einige Akteure halten den Zusammenschluss aller acht Einzelgewerkschaften im Bund zu einem DGB als Mitgliedergewerkschaft für den notwendigen und einzig sinnvollen Weg. Aber die Einigkeit über die gemeinsamen Aufgaben und Ziele fehlt. Vielmehr werden Gegensätze vor allem zwischen den beiden größten Gewerkschaften IG Metall und ver.di registriert. So gibt es auch Einschätzungen, dass sich der DGB in absehbarer Zeit spalten könnte. Ein Zusammenschluss oder Bund der Gewerkschaften im Dienstleistungsbereich und ein Bund der Industriegewerkschaften wird als denkbar befürchtet. Das wäre allerdings die größte Katastrophe für die Gewerkschaften in Deutschland. Das Ende der Einheit wäre der Anfang vom Ende für die Gewerkschaftsbewegung. (PK)

Siehe vom selben Autor: „Reformdebatten im DGB - Zukunft ohne Perspektive“ (http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13435)

Franz Kersjes ist Herausgeber der Welt der Arbeit im Internet und war von 1980 bis 1989 Vorsitzender der IG Druck und Papier und von 1989 bis 2001 Vorsitzender der IG Medien im Landesbezirk Nordrhein-Westfalen. Von 1999 bis 2001 war er Mitglied der Gründungsorganisation "Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft". - www.weltderarbeit.de

Online-Flyer Nr. 245  vom 14.04.2010

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