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Wie die Stadt Köln künftig mit ihrem “Kulturbunker“ umzugehen gedenkt
Die Gentrifizierung von Mülheim
Von Rainer Kippe
„Die Gentrifizierung (engl. Gentry = niederer Adel), teils auch Gentrifikation (von engl. Gentrification), umgangssprachlich auch „Yuppisierung“[1], ist ein in der Stadtgeographie verwendeter Begriff, der einen sozialen Umstrukturierungsprozess eines Stadtteils beschreibt. Demnach führen der Zuzug neuer Bewohnerschaften sowie eine politisch gewünschte, gezielte Aufwertung eines Wohnumfeldes durch Restaurierungs- und Umbautätigkeiten zu einer Veränderung der bestehenden einkommensschwächeren Bevölkerungsstruktur.“ (Wikipedia, letzter Zugriff 18.04.10, 22.30h.)
Mülheim ist ein armes Viertel, eines der ärmsten in Köln. Doch vor einigen Jahren haben sich die Müheimer etwas geleistet, was selbst reichere Viertel in Köln nicht haben, ein eigenes Kulturzentrum. Dazu haben sie erst einen Verein gegründet und dann haben sie leerstehende Fabrikhallen besetzt, einen alten Bunker instand gesetzt und ganz viel gebaut und gearbeitet. Und natürlich Kultur gemacht. Von der Oper bis zum Punk-Rock, vom Stadtteilfestival bis zur schwul-lesbischen Röschen-Sitzung. Als dann die Stadtsanierung kam, haben die Mülheimer durchgesetzt, dass der Bunker mit Landesmitteln ausgebaut wurde, ein Großteil wurde in Eigenleistung vom Verein erbracht. Und auch ein Café wurde gebaut.
Online-Flyer Nr. 245 vom 19.04.2010
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Lokales
Wie die Stadt Köln künftig mit ihrem “Kulturbunker“ umzugehen gedenkt
Die Gentrifizierung von Mülheim
Von Rainer Kippe
„Die Gentrifizierung (engl. Gentry = niederer Adel), teils auch Gentrifikation (von engl. Gentrification), umgangssprachlich auch „Yuppisierung“[1], ist ein in der Stadtgeographie verwendeter Begriff, der einen sozialen Umstrukturierungsprozess eines Stadtteils beschreibt. Demnach führen der Zuzug neuer Bewohnerschaften sowie eine politisch gewünschte, gezielte Aufwertung eines Wohnumfeldes durch Restaurierungs- und Umbautätigkeiten zu einer Veränderung der bestehenden einkommensschwächeren Bevölkerungsstruktur.“ (Wikipedia, letzter Zugriff 18.04.10, 22.30h.)
Mülheim ist ein armes Viertel, eines der ärmsten in Köln. Doch vor einigen Jahren haben sich die Müheimer etwas geleistet, was selbst reichere Viertel in Köln nicht haben, ein eigenes Kulturzentrum. Dazu haben sie erst einen Verein gegründet und dann haben sie leerstehende Fabrikhallen besetzt, einen alten Bunker instand gesetzt und ganz viel gebaut und gearbeitet. Und natürlich Kultur gemacht. Von der Oper bis zum Punk-Rock, vom Stadtteilfestival bis zur schwul-lesbischen Röschen-Sitzung. Als dann die Stadtsanierung kam, haben die Mülheimer durchgesetzt, dass der Bunker mit Landesmitteln ausgebaut wurde, ein Großteil wurde in Eigenleistung vom Verein erbracht. Und auch ein Café wurde gebaut.
„Positive Entwicklung des Hauses“
Nun hatten die Mülheimer ihren “Kulturbunker“. Weil aber Kunst nicht umsonst ist, haben sie von der Stadt verlangt, dass sie einen jährlichen Zuschuss zahlt, damit der Bunker sich auch richtige hauptamtliche Kräfte leisten kann, für Organisation und Verwaltung, so wie andere Kulturstätten in Köln eben auch, nur etwas weniger. Also nicht Millionen wie für Philharmonie oder Oper, sondern 80.000 im Jahr. Das reichte zwar hinten und vorne nicht, aber besser als nix war es schon.
Und so konnte der Vorstand bei der Jahreshauptversammlung im März 2009 über „die positive Entwicklung des Hauses“ berichten und verkünden, dass der Kulturbunker „sich etabliert hat“. „Er erhält regelmäßige positive Beachtung in den Printmedien und Hörfunk sowie Fernsehen. Das Vermietungs- und Veranstaltungsgeschäft hat sich weiter verbessert. Der Internetauftritt ist neu und wird gut aufgenommen.“ Und auch sonst gab es Erfolgsmeldungen: „Das Amt für Wirtschaftsförderung finanziert eine Teilrenovierung des Hauses in Höhe von 18.000.- Euro. Die ‚Renovierung wird durch den IB durchgeführt.“ Und: „Auf Initiative der Jugendpflege Köln, soll ab 2010 im Kulturbunker eine Stelle eingerichtet werden. Eingebunden ist dies in das Projekt „Soziale Stadt, Integriertes Handlungskonzept.“
Offensichtlich haben alle gut und erfolgreich gearbeitet, denn „die Einnahmen durch Vermietungen und Eintritte (konnten) weiter gesteigert werden“. Und: “Es wurden weitere Projektmittel akquiriert, die ein Veranstaltungsprogramm auf hohem Niveau sicherstellen.“ Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Köln attestiert dem Bunker eine „vorbildliche Führung der Buchhaltung.“
Hauptamtliche Mitarbeiter gekündigt
Gefahr drohte offensichtlich nur von der Stadt: „Vorstand Andreas Vetter weist auf die hohe finanzielle Belastung hin, die durch das von der Stadt vorgeschriebene Anlegen einer ‚Instandhaltungsrücklage‘ sowie die Zahlung von Grundbesitzabgaben entsteht. Außerdem belasten die immer weiter steigenden Betriebskosten die Finanzen des Vereins schwer....In diesem Zusammenhang wird auf die schwierige Zusammenarbeit mit dem Kulturamt hingewiesen, die vom ehrenamtlich tätigen Vorstand als wenig konstruktiv empfunden wird.“
Ende Februar dieses Jahres werden die Mitglieder des Kulturbunkers durch die Nachricht aufgeschreckt, dass die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter Martina Tenten und Thorsten Nagel vom Vorstand gekündigt worden sind. Auf einer Beiratssitzung spricht der Vorstand vage von einer Neuausrichtung, ein Vorstandsmitglied von „tariflichen Problemen“. Ein Konzept wird versprochen, welches nähere Auskunft geben soll. Und dunkel droht der Vorstand: „Wenn wir nicht gehandelt hätten, wäre der Kulturbunker in 6 Wochen pleite.“ Der Vorstand hat bereits drei neue, tüchtige Mitarbeiter in Aussicht, die er noch nicht benennen will, von denen er aber weiß, dass sie das Ding schaukeln werden. Die Aufforderung, umgehend eine Mitgliederversammlung einzuberufen, die über Neuausrichtung, Entlassungen und evtl. Neueinstellungen entscheidet, wird ignoriert.
Vorstand Vetter schockt Vereinsmitglieder
Endlich, Mitte März, erhalten die „sehr geehrten Mitglieder“ ein Schreiben, unterzeichnet vom Vorstand. Darin steht genau das Gegenteil von dem, was im letzten März behauptet worden war: „Trotz erheblicher Anstrengungen und großen Engagements der Mitarbeiter und des Vorstandes in den vergangenen Jahren konnte sich der Kulturbunker Mülheim weder konzeptionell noch finanziell etablieren.“ Und im folgenden Abschnitt wird der überraschende Sinneswandel begründet: „Der Zuschussgeber Stadt Köln hat aufgrund der seit Jahren erkennbaren finanziellen Negativentwicklung erkennen lassen, dass er die monatlichen Zuschüsse einstellen wird, wenn sich der Kulturbunker nicht programmatisch und finanzplanerisch so aufstellt, dass der finanzielle Abwärtstrend gestoppt werden kann.“ Und weiter: „Der Vorstand des Kulturbunkervereins ist - insbesondere auch vor dem Hintergrund der in 2010 zu erwartenden allgemeinen Kürzungen der Zuschüsse - nicht weiter bereit, dieses erhebliche finanzielle Risiko des Vereins zu tragen.“ Dazu „haben in den vergangenen Monaten mehrere intensive Gespräche mit dem Leiter des Kulturamtes als Zuschussgeber stattgefunden.“
Mehr Kohle durch mehr Spaß für ein „anderes Publikum“
Als Ziele der Neuausrichtung nennt der Vorstand
> Programmgestaltung, welche breitere Bevölkerungsgruppen ansprechen soll,
> Verbesserung der Außenwirkung
> und die Öffnung des Kulturbunkers für interessierte Aktivisten aus der Kulturszene und dem Stadtteil.
Dass alles dies längst geschieht und gerade von den bisherigen Hauptamtlern Martina und Thorsten engagiert verfolgt wurde, bestreitet nicht einmal der Vorstand, der ja von ihrem „großen Engagement“ spricht.
Dass alles dies längst geschieht und gerade von den bisherigen Hauptamtlern Martina und Thorsten engagiert verfolgt wurde, bestreitet nicht einmal der Vorstand, der ja von ihrem „großen Engagement“ spricht.
Unter der Hand wird ein ganz anderes Konzept verbreitet: mehr Kohle durch mehr Spaß für ein „anderes Publikum“. Das Schlagwort von der „Gentrifizierung“ macht die Runde.
Die Ziele des Bunkers, festgelegt im Nutzungskonzept und im Fördervertrag mit der Stadt Köln, sollen offensichtlich nicht mehr gelten. Danach „betreibt der Träger den Kulturbunker nach den Fördergrundsätzen einer örtlichen Begegnungsstätte... er vermietet die Räume des Kulturbunkers für Familienfeiern, Vereinssitzungen und ähnliche Veranstaltungen. Auch organisiert er kulturelle Veranstaltungen im weitesten Sinne für jedermann...“ „Dabei ist sicherzustellen, inwieweit die Eintrittspreisgestaltung den Zugang zu den angebotenen Veranstaltungen für breite Kreise der Bevölkerung ermöglicht.“ Die kommerzielle Nutzung darf nicht mehr als 20% betragen.
Martina und Thorsten müssen gehen, denn: „Zur qualifizierten Umsetzung dieser dringend erforderlichen Neuausrichtung konnten nach langer Suche und vielen Gesprächen drei Interessierte...gewonnen werden. Eine Weiterführung der beiden Arbeitsverhältnisse mit Martina Tenten und Thorsten Nagel ist aus diesem Grunde finanziell leider nicht mehr möglich...“
Kulturdezernent Quander weiß von nix
Auf Befragen weiß der Kulturdezernent der Stadt Köln, Prof. Georg Quander nichts von einer Drohung mit der Einstellung der Förderung, und schon gar nichts von einer Forderung nach „programmatischer und finanzplanerischer“ Neuaufstellung. Denn, so Quander in einem Schreiben vom 12. April an den SSM, „das Kulturamt enthält sich jeder Einflussnahme bei Fragen der inneren Organisation von geförderten Kulturträgern.“
Auch intensive Gespräche hat es mit dem Vorstand des Kulturbunkers nicht gegeben. „Herr Vetter“, so der Professor und ehemalige Staatsopernintendant, der sich nach eigenem Bekunden für eine weitere Aufstockung des Kulturetats einsetzen will, „hat in einem Gespräch gegen über Herrn Dr. Schmidt-Werthern lediglich über die geplante Maßnahme berichtet.“ (Dr. jur. Konrad Schmidt-Werthern ist Leiter des Kulturamts der Stadt Köln)
Auch intensive Gespräche hat es mit dem Vorstand des Kulturbunkers nicht gegeben. „Herr Vetter“, so der Professor und ehemalige Staatsopernintendant, der sich nach eigenem Bekunden für eine weitere Aufstockung des Kulturetats einsetzen will, „hat in einem Gespräch gegen über Herrn Dr. Schmidt-Werthern lediglich über die geplante Maßnahme berichtet.“ (Dr. jur. Konrad Schmidt-Werthern ist Leiter des Kulturamts der Stadt Köln)
Wer lügt?
Aussage steht mithin gegen Aussage, und die Mülheimer wissen nicht mehr, was und wem sie glauben sollen. Könnte es sein, so fragen sie sich nun, dass der Vorsitzende ihres Kulturbunker-Vereins, Andreas Vetter, im beruflichen Leben Angestellter der Stadt Köln, seinen Beruf mit seinem Ehrenamt verwechselt und seinem Brötchen- und Zuschussgeber die Wünsche von den Lippen abgelesen hat, oder gar, in vorauseilendem Gehorsam, „insbesondere auch vor dem Hintergrund der in 2010 zu erwartenden allgemeinen Kürzungen der Zuschüsse“, die von höherer und berufener Stelle noch vorzunehmenden Kürzungen höchstuntertänig bereits umgesetzt haben will, bevor sie Wirklichkeit werden? Die Vereinsmitglieder wissen bis heute nichts und sind nicht gefragt worden. Seit dem 30. März ist die Wahlperiode abgelaufen, der Vorstand ist nicht mehr im Amt und führt die Geschäfte nur noch kommissarisch bis zur Neuwahl. Forderungen nach einer außerordentlichen oder ordentlichen Vorstandssitzung beantwortet Vetter seit dem 25. Februar nicht.
Was Vetter vorhat, sagt er uns einfachen Mitgliedern nicht. Wir können es aber einer e-mail entnehmen, die der NRhZ vorliegt. Die gewährt einen ungewollten Einblick darin, wie städtische Bedienstete über uns, das gemeine Volk und Stimmvieh, reden, wenn sie unter sich sind und sich unbeobachtet wähnen: „Hallo J.“ wird dort an eine Mailadresse der Stadt Köln mitgeteilt, „unsere neuen Mitarbeiter beginnen am 01.05. im Bunker - ich hoffe, dass bis dahin nichts anbrennt. Danke für Deine Unterstützung in der ‚Mülheimer Szene‘. Zur Zeit hat es sich etwas beruhigt; lediglich 6 Mitglieder wünschten eine Mitgliederversammlung, sodass wir bei unserem Kurs bleiben und schätzungsweise erst Anfang/Mitte Mai die neuen Mitarbeiter in einer Mitgliederversammlung vorstellen werden. Gruß Andreas“.
Veranstaltung: „Wie soll das weiter gehen?“
Rainer Bode von der Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren LAG NW lädt deshalb zu einem Informationsaustausch über die Situation im Kulturbunker Köln ein.
Nachdem Jürgen Becker eine Veranstaltung im Kulturbunker abgesagt hat, sieht er, dass der Konflikt langsam größere Kreise zieht und es sinnvoll ist, sich gemeinsam darüber zu unterhalten.
Themen werden sein:
- Wie ist es zu der Krise gekommen? Was waren die Ursachen?
- Welche konzeptionellen Probleme, aber auch Vorstellungen gibt es?
- Wie soll das weiter gehen?
Zeit: Mittwoch, 21.4.2010 von 20.00 bis ca. 22 Uhr
Ort: Bürgerzentrum Alte Feuerwache in Köln, Melchiorstraße
Rainer Kippe ist seit März 2009 für die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) Beiratsmitglied des Kulturbunker Köln-Mülheim e.V. (PK)
Online-Flyer Nr. 245 vom 19.04.2010
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