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Aktueller Online-Flyer vom 14. März 2025  

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Inland
"Verfemte Kunst" im Solinger Museum Baden bis Juni 2006 - Folge 2
Der Maler Georg Netzband
Von Georg Giesing

Im März 1935 kam es in Berlin zu gezielten Aktionen gegen die "Moderne" Kunst. Die Geheime Staatpolizei hatte am 6. März 1935 die Firma Max Perls, Unter den Linden 19, aufgesucht, in deren Haus zu diesem Zeitpunkt eine Kunstauktion stattfand.

'Quick-Bar' - Berlin der 20er Jahre
"Quick-Bar" - Berlin der 20er Jahre
Sammlung: Gerhard Schneider



Beschlagnahmt wurden moderne Gemälde, Zeichnungen und Graphiken. Es handelte sich um 63 Arbeiten moderner Künstler, die schon in der Vergangenheit den Nazis ein Dorn im Auge waren. Die NS-Presse sprach von Bildern "pornographischen Charakters, die schamlos jedes gesunde Volksempfinden..." verletzen würden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war nur noch "gute, gesunde und bodenständige Kunst" erlaubt.

Im Herbst des Jahres 1935 zeigten die neuen Machthaber in der Ausstellung "Blut und Boden" in München, was sie unter "gesund" und "bodenständig" verstanden. Die Kunst, die nicht in das germanisch-völkische Schema passte, wurde kriminalisiert und in die Illegalität verbannt. Eine ganze Malergeneration verschwand. Auch der 1900 in Berlin geborene Georg Netzband war im Visier der germanisch-rassistischen Kulturbehörden und der Gestapo.

Kriegszeichner Siebert: 'Meine Kameraden in Polen'
Kriegszeichner Siebert: "Meine Kameraden in Polen"
Sammlung: Gerhard Schneider



Georg Netzband hatte in Berlin die mittlere Reife gemacht. Als 18jähriger, kurz vor Kriegsende, musste er noch als Soldat nach Frankreich. Er überlebte den Krieg. Ende 1918 ging er auf die Staatliche Kunstschule Berlin, hier besuchte er die Klassen von Prof. Georg Tappert, Bernhard Hasler und Georg Walter Rösner. Schon ein Jahr später wurden die ersten Arbeiten von Georg Netzband in einer Berliner Ausstellung gezeigt.

Georg Netzband 1939: 'Der Sieger'
Georg Netzband 1939: "Der Sieger"
Sammlung: Gerhard Schneider



In den Folgejahren arbeitete der Künstler an einer Reform des Zeichen- und Werkunterrichtes, entwickelte Reformpläne für die Kunsterziehung und Kunstlehrerausbildung. Nach erfolgreichen Ausstellungen in Italien und der UDSSR erfolgte eine Aufnahme seiner Arbeiten in Ausstellungen der Preußischen Akademie in Berlin. 1931 erhielt der begabte Maler ein Stipendium der Stadt Berlin für Paris.

Georg Netzband war in den Augen der Nazis "politisch unzuverlässig". Mehrfach wurde er zur Gestapo geladen, bekam auch unerwartete Hausbesuche der Zensurbehörden. Ab 1936 bekam er Ausstellungsverbot und durfte nicht mehr ins Ausland reisen. Doch Netzband ließ sich von seiner Kunst nicht so schnell abbringen, er malte heimlich weiter. 

Antikriegsbild 'Kopfschuß'
Antikriegsbild "Kopfschuß"
Sammlung: Gerhard Schneider



Netzband verstand sich auch als Chronist des Lebens in der Metropole Berlin. Dies zeigt sich besonders in seinen Großstadtbildern. Es sind Milieubilder, sie geben Lebensfreude und Zeitgeist wieder, sprühende Farbdokumente der kessen 1920ger Jahre in Berlin. Zu dieser Motivreihe gehören die Bilder "Ku-Damm/Vor der Vitrine", "Serviererinnen im Cafe Kranzler" und "Quick-Bar". Die Motive und die expressive Malweise Netzbands galten als "entartet". Trotz wiederholter Verhöre und Auflagen:  An das Malverbot hielt sich der Künstler nicht! Seine Bilder verpackte er in Blechbehältern und vergrub diese in seinem Garten. Dort überlebten sie die braune Diktatur und die Zerstörung der Stadt durch die massiven Fliegerangriffe in den Kriegsjahren.

Visionär und warnend  sind Georg Netzbands Anti-Kriegsbilder. Schon bei ihrem Überfall 1939 auf Polen wurde die "Deutsche Wehrmacht" von Kriegszeichnern begleitet, die in Propagandakompanien zusammengefasst waren. Die Nazis setzten auf die "gefühlshaften Qualitäten" von Ölbildern oder Zeichnungen. Obwohl es Film und Fotografie gab, wurden von Künstlern angefertigte Kriegsszenen den technischen Medien gegenüber bevorzugt. Die Bilder Georg Netzbands waren das Gegenteil der NS-Auftragsmalerei. So malte er 1939 den Tod in einer Generalsuniform und in heroischer Pose auf einem Leichenberg stehend mit dem Titel: "Der Sieger".

Eindrucksvoll ist das Bild "Kopfschuss". Hier liegt ein Soldat mit zerschossenem  Kopf, aus dem Blut und Hirnmasse fließt. Ein Horror-Bild, grauenvoll, aufrüttelnd, mahnend und aufklärend zugleich.

Georg Netzband wurde auch im "2.Weltkrieg" als Soldat eingezogen. Ab 1944 musste er zur Ostfront, hier wurde er verwundet und geriet in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1947/48 zurückkehrte. Nach 1948 arbeitete er als Reporter im Allgäu, kam aber 1950 wieder nach Berlin. In den Jahren 1960 bis 1983 hatte er Ausstellungen im europäischen Ausland und in New York. Für seine Haltung während der NS-Zeit erhielt er 1981 das Bundesverdienstkreuz. In Lindenberg im Allgäu starb der engagierte Künstler 1984.

Die erwähnten Bilder sind in der Ausstellung "Unser Weg durch die Nacht" der "Bürgerstiftung für verfemte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider" in Solingen zu sehen.
 
Museum Baden
Wuppertaler Straße 160
42653 Solingen (Gräfrath)
Tel.: 0212 - 25 81 40

Öffnungszeiten:
Di. bis So. 10 - 17 Uhr, Mo. geschlossen



GEO-Porträt LesungDie NRhZ trauert um Georg Giesing, dessen Tod für uns alle überraschend war. Georg war ein kreativer Autor, ein guter Fotograf, der unser Projekt bis zu seinem Tod unterstützt und bereichert hat. Seine Serie über Graffiti, seine Ausstellungsbesprechungen und seine Glossen drückten seine differenziert Weltsicht aus, die heutzutage zunehmend selten wird. Doch nicht nur der Autor und Fotograf Georg ist gestorben, mit ihm haben wir auch einen Freund und Berater verloren.


Online-Flyer Nr. 41  vom 25.04.2006

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