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Aktueller Online-Flyer vom 19. Mai 2024  

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Inland
Peinliche Enthüllungen über den Gründer der Alfred Toepfer-Stiftung
Graugewaschen
Von Hans Georg

65 Jahre nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus hat ein Artikel des Historikers Michael Pinto-Duschinsky über die Nachkriegsaktivitäten des 1993 verstorbenen Hamburger Unternehmers Alfred Toepfer zugunsten von NS-Verbrechern nach dem Zweiten Weltkrieg einen Streit zwischen der von ihm gegründeten Alfred Toepfer Stiftung FVS [1] und der Universität Oxford ausgelöst. Kritiker der Stiftung monieren bereits seit den 1990er Jahren, es könne nicht angehen, dass diese kulturelle Einflussarbeit in den von Deutschland überfallenen Gebieten im Namen eines Mannes betreibt, der einst die Nazis unterstützte.

Alfred Toepfer - gründete schon
1931 eine Stiftung zur
Förderung des deutschen
Volkstums in Europa
Quelle:
www.stiftungen.org
Der Text des Historikers Michael Pinto-Duschinsky ist bereits im April als Titelbeitrag der britischen Zeitschrift "Standpoint" erschienen. Er schildert zentrale Ereignisse aus Toepfers NS-Vergangenheit, beleuchtet seine Unterstützung für NS-Verbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg und beschreibt zudem, wie Toepfer schon in den 1930er Jahren begann, in Großbritannien Preise und Hochschulstipendien zu vergeben - mit dem Ziel, Kräfte zu stärken, die gegenüber dem NS-Reich kooperationsbereit waren. Auch berichtet er, wie Toepfer nach dem Zweiten Weltkrieg erneut in Großbritannien seine Preise und Stipendien verlieh. Ziel war die Förderung der europäischen Einigung. Mit Toepfers "Shakespeare Prize" wurden herausragende Persönlichkeiten der britischen Kulturwelt geehrt, darunter Graham Greene, Harold Pinter sowie Doris Lessing. Die exklusive Prominenz der Preisträger, von denen "Standpoint" sagt, sie seien über Toepfers NS-Vergangenheit getäuscht worden, verleiht Pinto-Duschinskys Recherchen über den Preisstifter besondere Brisanz.
 
Deportation der ungarischen Juden
 
Neue Informationen liefert Pinto-Duschinsky vor allem über Toepfers Unterstützung für NS-Verbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg. Demnach war sein Einsatz für frühere Mitarbeiter von Edmund Veesenmayer, der unter anderem gemeinsam mit Adolf Eichmann die Deportation der ungarischen Juden organisierte, deutlich stärker als bisher bekannt. Toepfer beschäftigte in seiner Firma neben Veesenmayers früherem Berater Kurt Haller, der geholfen hatte, die Pfeilkreuzler in Ungarn an die Macht zu bringen, auch Veesenmayers einstige Sekretärin Barbara Hacke. Hacke war involviert, als Toepfers Tochter Gerda 1951 versuchte, einem britischen Historiker, der als offener Antisemit galt, den Kontakt zum damals noch inhaftierten Veesenmayer zu vermitteln. Veesenmayer selbst, der wenig später freigelassen wurde, fand sich ebenfalls auf Toepfers Lohnliste wieder. Toepfer unterstützte zudem den früheren SS-Mann Hermann Bickler, der in Frankreich zum Tode verurteilt worden war, auf der Flucht und half dem einstigen SS-Gruppenführer Hartmann Lauterbacher, sich nach Südamerika abzusetzen.[2]
 
Konsequenzen
 
Pinto-Duschinsky vertritt die Auffassung, die Toepfer Stiftung müsse aus den NS-Aktivitäten ihres Gründers und aus seiner Unterstützung für NS-Verbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg praktische Konsequenzen ziehen. Zumindest müssten sich die Nachkommen und die Stiftung uneingeschränkt entschuldigen.[3] Die Stiftung hingegen ist der Ansicht, das sei nicht nötig. Sie betont, dass sie sich von der früheren Leugnung, Verschleierung und Rechtfertigung der NS-Aktivitäten ihres Gründers abgewandt habe und inzwischen "die Notwendigkeit einer rückhaltlosen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit" ebenso wie "die Verantwortung für die Verstrickungen ihres Stifters in der Zeit des Nationalsozialismus" akzeptiere.[4] Während Kritiker seit Jahren erklären, diese Verantwortung sei nur wahrzunehmen, indem die Toepfer Stiftung ihre kulturpolitische Einflussarbeit in den einst von Deutschland überfallenen Staaten Europas beende, erklären die Stiftungsvertreter, es genüge, wenn man die künftigen Preisträger jeweils über die NS-Aktivitäten des Stiftungsgründers informiere.[5] Die Idee, die Stiftungsmittel nicht im Namen des Stifters der auswärtigen deutschen Kulturpolitik, sondern etwa den Opfern der von Toepfer unterstützten NS-Expansion zugute kommen zu lassen, ist in den Planungen der Stiftung nicht präsent.
 
"Zwiespältig"
 
Die Auseinandersetzung spitzt sich gegenwärtig zu. Pinto-Duschinsky wirft der Stiftung vor, sie stelle Alfred Toepfer nach wie vor als "zwiespältigen" Menschen dar, der sich nicht aktiv an den NS-Menschheitsverbrechen beteiligt und seine NS-"Verstrickungen" durch sein Engagement für Europa wettgemacht habe. Pinto-Duschinsky nennt dieses Abwägen von NS-Vergangenheit und späteren, positiv bewerteten Aktivitäten "Grauwaschen" ("greywashing") und hält es für deutlich gefährlicher als plumpes "Weißwaschen" und die Leugnung von NS-Aktivitäten. Für die Stiftung tritt zum wiederholten Male neben einigen Zeitungen [6] auch der bekannte Historiker Hans Mommsen in der Öffentlichkeit auf, der die Organisation schon seit Jahren gegen Kritik aus dem europäischen Ausland in Schutz nimmt. Mommsen behauptet, Pinto-Duschinsky operiere bei seiner Bewertung der Toepfer'schen Aktivitäten, zu denen das Liefern von Löschkalk zur Leichenbedeckung an das Ghetto "Litzmannstadt" gehörte, mit "pauschalen Verurteilungen und generationenübergreifenden Schulderklärungen".[7]
 

Historiker Prof. Hans Mommsen –
verteidigt Toepfer
Die personelle Konstellation ist in den Auseinandersetzungen um die Bearbeitung der deutschen Vergangenheit durch bekannte Exponenten der deutschen Historikerzunft nicht neu. Michael Pinto-Duschinsky hatte bereits 1999 in einem Aufsehen erregenden Zeitungsartikel entschiedene Kritik an der in Deutschland üblichen Praxis geübt, dass Konzerne Wissen-schaftler bezahlen, um ihre NS-Vergangenheit erforschen zu lassen. Der britische Historiker brachte die einfache Auffassung vor, dass Geld Abhängigkeiten schaffe, die einer objektiven Arbeit im Wege stünden. Gegenwehr kam damals - wie heute - von Hans Mommsen. Mommsen hatte zuvor vom Volkswagen-Konzern Geld erhalten, um die Unternehmensgeschichte aufzuarbeiten. Kritiker wollten in dem Werk einen recht rücksichtsvollen Umgang mit der NS-Vergangenheit des Wolfsburger Autoproduzenten erkennen. Mommsen beschwerte sich, Pinto-Duschinsky stelle mit seiner These, finanzielle Abhängigkeiten brächten auch inhaltliche Abhängigkeiten mit sich, die wissenschaftlichen Qualitäten seiner Arbeit über Volkswagen in Frage.
 
Stipendienprogramm
 
Weil Pinto-Duschinsky bis heute bei seiner These geblieben ist, sorgt er sich um die Forschung an der Universität Oxford, die von den Stipendienprogrammen der Alfred Toepfer Stiftung profitiert. In Oxford beschäftigt sich zur Zeit ein Ausschuss mit der Frage, ob die Stipendien angesichts von Toepfers NS-Vergangenheit und Pinto-Duschinskys Recherchen über Toepfers Unterstützung für NS-Verbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg aufrecht erhalten werden sollen. Ein Treffen, für das neben Pinto-Duschinsky auch ein Vertreter der Stiftung geladen ist, wird am 14. Juni stattfinden. Hochschulmedien in Oxford erinnern daran, dass seit den 1990er Jahren Preisverleihungen der Toepfer-Stiftung im europäischen Ausland mehrfach abgesagt werden mussten, weil die NS-Aktivitäten des Stifters auf entschiedene Ablehnung stießen.[8]
 
Diesen Beitrag haben wir von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57805 übernommen. Siehe auch http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13282. In der nächsten NRhZ-Ausgabe finden Sie auch eine Rezension zu Jan Zimmermanns Toepfer-Biografie. (PK)
 
[1] weitere Berichte über die Alfred Toepfer Stiftung FVS und ihren Gründer finden Sie hier: Gesamteuropäische Perspektive, Persilschein, Nicht verstrickt, Blut und Boden, Kriegstreiber, Förderer der SS, Europäische Werte, Weiß gewaschen, Nicht philanthropisch, Rezension: Ingo Haar, Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften und Bedingungslos zur Verfügung
[2], [3] The prize lies of a Nazi tycoon; Standpoint April 2010. Der Artikel ist im Internet einsehbar unter http://www.standpointmag.co.uk/node/2878/full
[4], [5] Skandalisierung fördert verantwortlichen Umgang mit Geschichte nicht - Stiftung stellt Mittel für weitere Forschung bereit; toepfer-fvs.de
[6] Gutes Geld, dunkle Absichten? Frankfurter Allgemeine Zeitung 07.04.2010. Toepfer-Stiftung: Streit um NS-Verstrickungen; Hamburger Abendblatt 08.04.2010
[7] Keine Säuberung der Toepfer-Archive; Frankfurter Allgemeine Zeitung 27.04.2010
[8] s. dazu Widerstand gegen deutsche "Mäzenaten" und Wille und Vorstellung


Online-Flyer Nr. 249  vom 12.05.2010

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