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Inland
Unmut über Euro-Rettungspaket – Verlässt Deutschland die Währungsunion?
Das Undenkbare denken
Von Hans Georg
Online-Flyer Nr. 249 vom 12.05.2010
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Inland
Unmut über Euro-Rettungspaket – Verlässt Deutschland die Währungsunion?
Das Undenkbare denken
Von Hans Georg
Nach der Verabschiedung des 750 Milliarden Euro schweren Euro-Rettungspakets schwillt die Debatte über einen deutschen Ausstieg aus der Währungsunion an. Die stark in andere Euroländer exportierende deutsche Industrie habe bislang in hohem Maße von der gemeinsamen Währung profitiert, bestätigen Wirtschaftsvertreter. Gelinge es, in Südeuropa harte Austeritätsprogramme durchzusetzen und europaweit ein ökonomisches "Ordnungsmuster" nach deutschem Modell zu oktroyieren, dann sei der Euro für Deutschland auch weiterhin von Vorteil. Allerdings sei mit hartem Widerstand in Griechenland und in anderen Staaten zu rechnen. Ließen sich dauerhafte teure Transferzahlungen nicht vermeiden, müsse man "das Undenkbare denken", dass Deutschland "die Währungsunion verlässt", schreibt die Wirtschaftspresse. Ein Ausstieg der Bundesrepublik aus der Eurozone sei auf lange Sicht in der Tat höchst wahrscheinlich, urteilt der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Stefan de Vylder gegenüber german-foreign-policy.com. Erste Andeutungen über die mutmaßlichen Folgen lassen für die Zukunft schwere Spannungen in Europa erwarten.
Die Verabschiedung des 750 Milliarden Euro schweren Rettungspakets wird in der Bundesrepublik mit erheblichem Unmut kommentiert. Das Paket gehe auf französische Pläne zurück und solle nicht nur Mittel unter anderem aus Deutschland in den Süden Europas transferieren, sondern gleichzeitig auch einen ersten Schritt in Richtung auf eine europäische Wirtschaftsregierung vollziehen, heißt es in den deutschen Medien. Einflussreiche Kreise verlangen, sich diesem Ansinnen entgegenzustellen und dem französischen Druck zu widerstehen. Darüber hinaus beginnt inzwischen eine prinzipielle Debatte über den Nutzen des Euro für die Bundesrepublik.
Eine Erfolgsstory
Dabei bestätigen Unternehmensvertreter ungewohnt offen, dass die deutsche Industrie bis heute in hohem Maße von der gemeinsamen Währung profitiert. Rund 43 Prozent aller deutschen Exporte werden innerhalb der Eurozone abgesetzt. Die gemeinsame Währung ist dabei nicht nur nützlich, weil sie es anderen Euroländern unmöglich macht, ihre Industrie per Abwertung gegen deutsche Exportoffensiven zu schützen. Sie erspare auch sonstige Währungs-Transaktionskosten, sagt der Vorstandsvorsitzende des BASF-Konzerns, Jürgen Hambrecht. Alles in allem habe der Euro aus Sicht der deutschen Industrie "die Planungssicherheit für Investitionen in Europa enorm erhöht".[1] Für "Unternehmen wie BASF, die einen großen Teil ihres Umsatzes auf dem Heimatmarkt Europa erzielen", sei die europäische Währungsunion daher "eine große Erfolgsstory". Hinzu kommt, dass der Euro als globale Reservewährung an Bedeutung gewonnen hat. 2009 habe "sein Anteil an den weltweiten Devisenreserven bei 28 Prozent" gelegen - ein neuer Rekord, berichtet die Presse über den Bedeutungsgewinn der europäischen Währung.[2]
Deutsches Ordnungsmuster
Führende Wirtschaftsverteter wie Jürgen Hambrecht plädieren daher dafür, wenn möglich am Euro festzuhalten. Dazu müssten allerdings dauerhafte Stützungszahlungen an die südlichen EU-Staaten ("Transferunion") verhindert werden, heißt es in Berlin. Als Mittel, solche Transfers zu verhindern, gilt aus deutscher Sicht eine harte Austeritätspolitik, die mit drakonischen Sparmaßnahmen die Etats der südlichen EU-Staaten in ein rechnerisches Gleichgewicht bringt. Entsprechend fordert die Bundesregierung für die Zukunft schärfste Sanktionen gegen Länder der Eurozone, die die Regeln des Euro-Stabilitätspakts brechen.[3] Auf deutschen Druck müssen nun auch Spanien und Portugal massive Einsparungen vornehmen; zudem verlangt Berlin Möglichkeiten, die Haushaltspolitik der einzelnen Eurostaaten direkt zu kontrollieren. "Wenn wir Glück haben", heißt es in der deutschen Presse, lasse sich "ein Ordnungsmuster nach nordeuropäischen und deutschen Wirtschaftsvorstellungen" durchsetzen.[4]
Widerstand
Allerdings herrscht in Berlin Unsicherheit darüber, ob sich der zu erwartende Widerstand gegen Haushaltsdiktate und Sanktionen brechen lässt. So berichten deutsche Medien aufmerksam, in Athen sorge ein Gesetzentwurf, der dem Parlament des Landes die Kontrolle über die Gestaltung des Staatshaushaltes entreißen soll, für "Unzufriedenheit". Mit diesem Gesetz würde ein zentrales Hoheitsrecht dem demokratischen Souverän entzogen. Als unklar gilt zudem, ob die Proteste gegen das Spardiktat, die in Griechenland inzwischen begonnen haben, niedergeschlagen werden können. "Ein Teil des griechischen Problems liegt auch darin", urteilt die Wirtschaftspresse, "dass Griechen der Obrigkeit sehr skeptisch gegenüberstehen".[5]
Raus aus dem Euro
Für den Fall, dass dauerhafte Transferzahlungen nicht vermieden werden können, halten Experten mittlerweile den Austritt der Bundesrepublik aus der Währungsunion für wahrscheinlich. "Wenn in Deutschland Jahr für Jahr Milliardensummen für öffentliche Infrastruktur fehlen, weil südeuropäische Pleitiers durchgefüttert werden müssen", spekuliert die Presse, dann "muss man das Undenkbare denken: dass ein politisch und ökonomisch geschwächtes Deutschland irgendwann die Währungsunion verlässt und mit Frankreich und den Beneluxstaaten eine neue monetäre Kernzone bildet".[6] Überlegungen wie diese bestätigt der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Stefan de Vylder im Gespräch mit dieser Redaktion. Wie de Vylder urteilt, liegen der aktuellen Krise nicht einfach nur Fehler der griechischen Politik zugrunde, sondern strukturelle Widersprüche, die sich aus der aggressiven deutschen Exportorientierung ergeben.[7] De Vylder hält diese Widersprüche für praktisch nicht lösbar und rechnet mit einem Ausstieg Deutschlands aus dem Euro, womöglich gemeinsam mit Österreich, den Beneluxstaaten und Frankreich.[8]
Zentrifugalkräfte
Nur in Andeutungen werden bislang die Folgen eines deutschen Ausstiegs aus der Währungsunion diskutiert. "Ein Aufdröseln Europas würde ungeheure Zentrifugalkräfte auslösen, die nicht mehr beherrschbar wären", heißt es in einem Kommentar: "Ein reicher, industrialisierter Norden oben und unten ein armer Süden und bettelarmer Südosten" - das "erinnert fatal an die Neunzigerjahre: Der Balkan entflammte im Krieg, und Europa schaute hilflos zu."[9] Dramatische Worte sind auch in Paris zu hören. In Erinnerung an die deutschen Alleingänge des 19. und 20. Jahrhunderts und an den Versuch, Deutschland mit Hilfe der EU und des Euro einzubinden und zu zähmen, erklärte am Wochenende der Staatspräsident Frankreichs: "Der Euro, das ist Europa. Europa, das ist der Friede auf diesem Kontinent."[10]
[1] "Maastricht 2.0"; WirtschaftsWoche 10.05.2010
[2] Im Süden Euro light? WirtschaftsWoche 10.05.2010
[3] s. dazu Germanische Strenge und Keine Denkverbote!
[4] Vorwärts, nicht zurück; WirtschaftsWoche 10.05.2010
[5] Einig in Uneinigkeit; WirtschaftsWoche 10.05.2010
[6] Im Süden Euro light? WirtschaftsWoche 10.05.2010
[7] s. dazu Das Ende der Souveränität (II) und Sparen für Deutschland
[8] s. dazu Ein teurer Fehler oder in der NRhZ nächste Woche
[2] Im Süden Euro light? WirtschaftsWoche 10.05.2010
[3] s. dazu Germanische Strenge und Keine Denkverbote!
[4] Vorwärts, nicht zurück; WirtschaftsWoche 10.05.2010
[5] Einig in Uneinigkeit; WirtschaftsWoche 10.05.2010
[6] Im Süden Euro light? WirtschaftsWoche 10.05.2010
[7] s. dazu Das Ende der Souveränität (II) und Sparen für Deutschland
[8] s. dazu Ein teurer Fehler oder in der NRhZ nächste Woche
[9] Vorwärts, nicht zurück; WirtschaftsWoche 10.05.2010
[10] Wie Sarkozy Merkel überrumpelte; www.stern.de 09.05.2010. S. auch Die deutsche Frage
[10] Wie Sarkozy Merkel überrumpelte; www.stern.de 09.05.2010. S. auch Die deutsche Frage
Dieser Artikel erschien bei http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57808. Das Interview mit Stefan de Vylder finden Sie unter http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57809. (PK)
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