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Kultur und Wissen
Ein wichtiges Buch zur Aufklärung über politische Manipulation und Propaganda
Spin Doctors im Bundeshaus
Von Dr. Sabine Schiffer

Eine desillusionierende Lektüre für all diejenigen, die in der Schweiz ein ideales Gegenmodell zur lähmenden parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik sehen. Nicht überraschend für diejenigen, die sich mit Public Relations, Lobbying und den Propagandamethoden der sog. Fünften Gewalt beschäftigen, die sich sowohl der Politik als auch der Medien – als idealtypischer Vierter Gewalt – bedienen, um ihre Spins (Verdrehungen) unters Volk zu bringen. Das wiegt überall schwer und die Folgen sind sichtbar, aber in der Schweiz stellt es einen direkten Verfassungsbruch dar, wenn die staatlichen Organe die gleichwertige Debatte über die zu entscheidenden Sachthemen mittels Propaganda aushebeln. Hierfür schärft das Buch von Judith Barben den Blick.  
Die promovierte Psychologin und Sonderschullehrerin hat sich tief eingearbeitet in die subtilen Methoden der Propaganda von Bernays bis heute und stellt die wichtigsten Tricks der Spin-Doktoren, wie man die hochbezahlten Manipulatoren in PR-Agenturen nennt, vor. Den Methoden widmet sie das ganz erste Kapitel und teilt diese in Sprachmanipulation und Psychotechniken ein – die hier gewählte Typologie ist reduziert und anschaulich und wird im folgenden Kapitel seiner Anwendung plastischer.
 
Da sich das zweite Hauptkapitel stark auf Schweizer Verhältnisse bezieht, ist es für innenpolitisch nicht so Bewanderte schwierig, den Feinheiten nachzugehen und vor allem die Auswirkungen auf das System der direkten Demokratie zu erfassen. Auf Grund einer globaleren Ausrichtung mit Blick auf die Themenfelder Globalisierung und Militarisierung wird diese Dimension im dritten Kapitel fassbarer, denn hier zeigt Barben auf, wie es gelungen ist, eine umfassende Verfassungsänderung an der Volksaufmerksamkeit vorbei hinzumanipulieren, sowie auch eine Annäherung an die NATO zu vollziehen, was ein klarer Verstoß gegen das Schweizer Prinzip der Neutralität darstellt und der globalen Kriegstreiberei zuarbeitet.
 
Methodisch hätten die Ansätze von George Lakoff und Jürgen Link noch einbezogen werden können, die die Schablonen und Denkbilder beschreiben, die in einem Kollektiv wirken bzw. gezielt zur Wirkung gebracht werden können. Wenn Barben einzelne Techniken beschreibt, dann wären sie teils unter die Struktur einer Konzeptmetapher oder eines Kollektivsymbols zusammen zu fassen (auf deren Grundlage etwa ein „feministischer Spin“ wirken kann) – aber auch ohne diesen Hinweis auf die Organisation unserer Wahrnehmung, sind die genannten Techniken sehr gut nachvollziehbar. Das Wissen um Techniken wie Grassrooting oder Vortäuschen einer Mehrheitsmeinung oder des Fehlens von Alternativen (TINA-Prinzip), sowie über verschiedenste Reframingmöglichkeiten bis hin zu schwerer erkennbaren Methoden der sog. Soft Power sollten zum allgemeinen Bildungskanon gehören. Werden sie bereits an Schulen vermittelt, sind sie wiedererkennbar und verlieren ihre „hypnotische Wirkung“.
 
An zwei inhaltlichen Marken muss ich Bedenken anmelden. So wird auf Seite 196 angesichts der nach wie vor offenen Fragen um die Ereignisse und Abläufe des 11. September 2001 eine Quelle herangezogen, die – statt sich auf die offenen Fragen zu beschränken – sich zu einer (anti-)zionistischen Verschwörungstheorie hinreißen lässt. Das bleibt im Buch unwidersprochen. Obwohl es der Autorin an dieser Stelle erkennbar und zurecht um die Frage der Instrumentalisierung der Ereignisse geht, hätte man zur Demonstration der Problematik auch ein anderes Beispiel zur Zitation heranziehen können. Und bei allem Respekt für die Schweizer Demokratie und (die bedrohte) Neutralität – ein gänzliches Ausblenden der Rolle des Finanzgebarens einiger Schweizer Banken im internationalen Kontext erscheint doch etwas idealisierend – wenn es um das Stichwort „Neutralität“ geht. Dennoch hat Barben ein äußerst lehrreiches Buch verfasst, das Mut macht und das unabdingbar zur Grundbildung gehört – nicht nur in der Schweiz. (PK)
 
Barben, Judith 2009: "Spin doctors im Bundeshaus. Gefährdungen der direkten Demokratie durch Manipulation und Propaganda". CHBaden: Eikos-Verlag. 214 Seiten, ISBN: 9-783033-019164.


Online-Flyer Nr. 250  vom 19.05.2010

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