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Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2024  

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Medien
Wie die “Fünfte Gewalt“ Zustimmung der Menschen für Kriege herbeiführt
Kriegspropaganda im modernen Medienzeitalter
Von Dr. Sabine Schiffer

Ohne Medien ist es nicht möglich, Zustimmung für einen Krieg zu erzeugen. Auch unfreiwillig können Medienschaffende zum Vervielfältiger einer Stimmungs-Mobilisierung werden - angesichts immer knapperer Recherchezeitungen und dem Erstarken der Lobbyisten als “Fünfte Gewalt“. Die vorbereitenden Bilder und Worte der letzten Kriege haben gezeigt, mit welchen Argumenten wir bei den nächsten rechnen können.


Aktuelles CIA-Papier zur Propagierung des Afghanistankrieges
Quelle: www.hintergrund.de
 
1990 hat ein böser Schurke (Saddam Hussein) ein völlig unschuldiges Opfer (Kuwait) überfallen, das der selbstlose Held (USA) retten musste. Diese märchenhafte Vorstellung ließ einen Krieg gegen die Iraker legitim erscheinen. Ausgeblendet blieben die komplexen Zusammenhänge und die nicht militärischen Alternativen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Horrorgeschichte von den tyrannischen irakischen Soldaten, die Brutkastenbabys an die Wand geschleudert hätten, von der PR-Agentur Hill & Knowlton erfunden worden war, um die moralische Verpflichtung zum „Eingreifen“ noch zu verstärken. Moralische Appelle zur Unterstützung einer Kriegsmaschinerie sind seither Gang und Gäbe.
 
Ende der 90er Jahre waren die Vorbehalte in Deutschland gegen einen Kriegseintritt im Kosovo dann weitestgehend vom Tisch als Bilder schrecklicher Massaker auftauchten. Wer will da tatenlos zusehen? Ebenso erschreckend wie die Bilder ist aber die Erkenntnis, dass es sich jeweils um Fälschungen handelte: um Fotos von zusammengetragenen Leichen nach Milizenkämpfen, wie das ARD-Magazin Panorama später aufdeckte. Da dieser Kriegseinsatz einen wichtigen Wendepunkt markiert, verdienen die Folgen eine kritische Betrachtung. Erst nach dem Einsatz kam es verstärkt zu Fluchtbewegungen und zivilen Opfern. Und die NATO hat ihre „Verteidigungs“strategie neu definiert. Seither gilt laut Nato-Doktrin ein Militäreinsatz auch außerhalb des Natogebiets gerechtfertigt aus humanitären Gründen, bei starken Migrationsbewegungen und zur Ressourcensicherung (sic!). Dies erklärt, warum inzwischen die Verteidigung europäischer Interessen weltweit mit kriegerischen Mitteln möglich ist – aber nicht, warum Horst Köhler dies erst jetzt zugibt und dann noch seinen Hut nimmt. Im Weißbuch der Bundeswehr von 2006 steht alles detailliert beschrieben und die kommenden Kriege werden genauso begründet, wie wir sie heute führen: Freie Handelswege und weitere Ausbeute der Neokolonisierten – und jetzt tun alle so überrascht!?! Ja, wollen uns die für die Mandatsverlängerungen stimmenden verantwortlichen Politiker erklären, sie hätten die Schriftstücke nicht gelesen? Und vielleicht auch nicht das Abkommen zwischen NATO und UNO von 2008, das Jaap de Hoop Scheffer und Ban Ki Moon noch unterzeichnet hatten? Mit diesen Schriftstücken wird klar, wohin die Reise geht.
 
Bisher hatte vor allem die moralisch integere „humanitäre Intervention“ Karriere gemacht und uns die Möglichkeit einer „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ suggeriert. Ein Dilemma gerade für verantwortungsbewusste Menschen. Ganz offensichtlich jedoch wird das humanitäre Argument nur zu ganz bestimmten Zwecken eingesetzt, nicht etwa im Zusammenhang mit einer gerechteren Bezahlung von Bodenschätzen, Arbeit usw., nicht in Bezug auf den Umwelterhalt und andere Themen, die alle Menschen gleichermaßen berühren. Beim Werben für die selektive Anwendung unserer innersten Werte und angesichts des tatsächlichen Leids vieler Menschen vor Ort fällt es zunehmend schwerer, den Überblick über die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten (mit UN-Beschluss) zu behalten. Dabei klärt die Informationsstelle Militarisierung in Tübingen schon länger über die Zusammenhänge von Ressourcenkrieg, Waffenexport und illegaler Abschottung mittels den nach einem Reinigungsmittel klingenden EU-Truppen auf: Frontex (www.imi-online.de). Und nun verrät auch noch das sogenannte CIA-Papier Red Cell, wie das bereits lange kultivierte Bild „der islamischen Frau“ ganz gezielt zur Propagierung des Afghanistankrieges instrumentalisiert werden soll, wenn das bisherige Stillhalten der Bevölkerungen Europas nicht mehr garantiert werden kann.
 
In diesem Zusammenhang ist es für Medienschaffende wichtig zu erkennen, wie sie zum Handlanger für bestimmte Interessen werden können. Bereits aus dem Balkankrieg ist etwa die teilweise zielgerichtete Gründung von NGOs bekannt (vgl. Astroturfing[1]), die dann als Ansprechpartner für die dienstbeflissenen Journalisten, die weitere Quellen einholen, zur Verfügung standen. Jörg Becker und Mira Beham beschreiben in ihrem Buch „Operation Balkan“, wie die Mind-Operations mittels der Fünften Gewalt in Form von PR-Agenturen geplant und durchgeführt wurden. Hierfür müssen wir uns alle, Medienschaffende wie Mediennutzer, mehr Bewusstsein verschaffen. Und auch dafür, dass Horst Köhler möglicherweise einen Tabubruch vorbereiten sollte, der uns in naher Zukunft vielleicht wieder begegnet und dann so oft wiederholt wird, dass man sich daran gewöhnt. Unser Verfassungsschutz wird das vermutlich nicht kritisch begleiten, wenn wir die bisherige Praxis Revue passieren lassen – denn eigentlich ist die Entwicklung, wie Köhler sie nun benennt, der endgültige Bruch mit unserem schon viel geschundenen Grundgesetz. (PK)
[1] Astroturfing bezeichnet – insbesondere im amerikanischen Sprachraum – Public-Relations- und kommerzielle Werbeprojekte, die darauf abzielen, den Eindruck einer spontanen Graswurzelbewegung vorzutäuschen. Ziel ist dabei, den Anschein einer unabhängigen öffentlichen Meinungsäußerung über Politiker, politische Gruppen, Produkte, Dienstleistungen, Ereignisse usw. zu erwecken, indem das Verhalten vieler verschiedener und geographisch getrennter Einzelpersonen zentral gesteuert wird.

Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen: www.medienverantwortung.de.

"Operation Balkan - Werbung für Krieg und Tod“ von Jörg Becker, Mira Beham, Nomos Verlag, Baden-Baden, ISBN-13 9783832919009, kartoniert, 130 Seiten, 17,90 EUR

Hierzu auch die Artikel von Wolfgang Effenberger und Hans Georg in dieser Ausgabe


Online-Flyer Nr. 252  vom 02.06.2010

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