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Medien
Coordination gegen BAYER-Gefahren bringt Presserat zum Eingreifen
Getarnte Werbung für Daimler und BAYER
Von Peter Kleinert

Weil sie einen Werbetext von Daimler und BAYER AG als redaktionellen Beitrag getarnt veröffentlicht hatte, wurde die Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung (SZBZ) vom Deutschen Presserat durch eine „öffentliche Rüge“ abgemahnt. Die beiden Konzerne hatten damit nicht erlaubte Werbung für den Anbau der ölhaltigen Pflanze Jatropha in Indien gemacht, die ihnen - profitabel aber schädlich für die Bauern - als Grundstoff für die Biodiesel-Produktion dient.


Jatropha-Früchte
Quelle: http://www.alaglobal.com
 
Immer mal wieder muss sich der Deutsche Presserat, in dem Vertreter der Journalisten- und Verleger-Organisationen sitzen, sich u.a. um die Beseitigung von Missständen in der anzeigenabhängigen Presse kümmern, die durch Einflussnahme großer Unternehmen verursacht werden. Diese versuchen nämlich, nicht nur mit bezahlten Anzeigen, sondern gelegentlich mit wohl auch bezahlten aber als „unabhängig“ ausgegebenen Artikeln für ihre Produkte Werbung zu machen.     
 
Einen solchen Verstoß gegen den “Pressekodex“ hatte vor einiger Zeit die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) entdeckt. In einem Artikel hatte am 5. Februar SZBZ-Redakteur Werner Eberhardt ein Projekt der Firmen Daimler und BAYER zum Anbau der ölhaltigen Pflanze Jatropha in Indien vorgestellt. Einen Tag zuvor war dieser Artikel, wie die CBG wusste, wortgleich auf der homepage der Daimler AG erschienen.(1) Als Copyright wurde dort angegeben „Daimler AG. Alle Rechte vorbehalten“. Da die Veröffentlichung in der SZBZ nicht als Anzeige gekennzeichnet war, verstieß der Abdruck nach Auffassung der CBG gegen Ziffer 7 des Pressekodex („Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken“), weshalb sie eine entsprechende Beschwerde an den Presserat schickte.
 
Propaganda eins zu eins übernommen
 
Philipp Mimkes, Beschwerdeführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Der Anbau von Pflanzen für die Herstellung von Biodiesel führt zu einer wachsenden Konkurrenz um Anbauflächen und Wasser. Nicht zuletzt der Weltagrarbericht nennt nachwachsenden Treibstoff eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit. Es ist daher nicht hinzunehmen, dass die Redaktion der Sindelfinger Zeitung bei einem solch sensiblen Thema die Propaganda von Daimler und BAYER eins zu eins übernimmt.“ Paul Russmann, Sprecher der Kritischen Daimler-Aktionäre: „Daimler nutzt seine Machtstellung als einer der größten Arbeitgeber der Region aus, um die lokale Presse mit unlauteren Werbemethoden zum verlängerten Arm der Öffentlichkeitsabteilung zu machen“.
 
Aus dem SZBZ-Artikel erfuhren die ahnungslosen Zeitungsleser u.a., „die Daimler AG“ arbeite „bereits seit über einem Jahr mit der Bayer CropScience AG zusammen, um die Methoden zum nachhaltigen Anbau von Jatropha weiterzuentwickeln. Im Rahmen dieser Kooperation unterstützt die Bayer CropScience AG auch das aktuelle Projekt. Das indische Tochterunternehmen von Bayer CropScience stellt Know-how und Produkte aus seinem Portfolio zur effektiven Schädlings- und Krankheitsbekämpfung bei Jatropha-Pflanzen zur Verfügung. Das Wissen auf diesem Gebiet geben Experten des Unternehmens vor Ort direkt an die Bauern weiter.“
 
„Unterstützung indischer Kleinbauern“
 
Ziel dieser Zusammenarbeit der beiden Konzerne sei die „Unterstützung indischer Kleinbauern mit Daimler-Forschungs-Know-how“ durch die „Förderung der Erzeugung von Biodiesel aus Jatropha auf landwirtschaftlich unrentablem Ödland“. Somit stehe „der Kraftstoff aus Jatropha nicht in Konkurrenz zur lokalen Nahrungsmittelproduktion“. Gleichzeitig schaffe man „durch die Unterstützung der Dorfgemeinschaften wirtschaftliche Perspektiven für sozial schwache Regionen dieser Erde“, behauptete in dem Artikel ein Prof. Herbert Kohler, „Leiter E-Drive & Future Mobility sowie Umweltbevollmächtigter der Daimler AG“.
 
„Sichergestellt“ sei auch, „dass den Bauern bei Ernteausfällen kein existenzbedrohlicher wirtschaftlicher Schaden entsteht“. Und schließlich: „Der Biodiesel, der aus den Samen der Jatropha-Nuss hergestellt wird, besitzt ähnliche Eigenschaften wie Treibstoff aus anderen Ölsaaten. Er zeichnet sich außerdem durch eine positive CO2-Bilanz aus und bietet einen ökologischen Vorteil gegenüber fossilem Dieselkraftstoff, insbesondere wenn die spezifischen Standortvorteile der Pflanze genutzt werden. So kann Jatropha beispielsweise auf kargen, erodierten Böden angebaut werden und daher einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ohne die Nahrungsmittelquellen der Menschen zu beeinträchtigen.“
 
30 Bauern verloren ihr Leben
 
Bereits Anfang 2008 hatte die CBG in ihrer Zeitschrift STICHWORT BAYER genau das Gegenteil berichtet: Durch Jatropha-Plantagen würden in Indien die Bauern von ihrem gemeinschaftlich genutzten Land durch sogenannte „land-grabber“ - Profis, die sich Land aneignen - vertrieben. Wegen seiner Giftigkeit für Mensch und Tier sei Jatropha zudem in manchen Ländern, so in Westaustralien, verboten. Und: Es wurde bereits damals erwartet, dass langfristig auch bei Jatropha gentechnische Herbizid-Resistenz entstehen werde, wodurch Kleinbauern in die von Gentechnik-Mais, -Soja und -Baumwolle bekannte Abhängigkeit geraten würden. In Chhattisgarh, dem Jatropha-Vorreiter unter den indischen Bundesstaaten, hatten bereits 2006 30 Kleinbauern im Kampf um ihr Land ihr Leben verloren, und die Umweltaktivistin und Bürgerrechtlerin Vandana Shiva kritisierte, dass Kleinbauern unter Androhung von Gefängnisstrafen ihr Reisland für den Jatropha-Anbau übergeben mussten.(2) Über diese “Begleitumstände“ des für Daimler, die BAYER AG und deren Bayer CropScience AG profitablen Jatropha-Anbaus war in dem dem Presserat vorgelegten SZBZ-Artikel natürlich nichts zu lesen.


Vandana Shiva 
NRhZ-Archiv
 
Damit, ob der Artikel der Wahrheit entsprach, befasste sich der Beschwerdeausschuß des Pressrates nicht. Er kam nach seiner Prüfung allerdings zu dem Ergebnis, dass die Sindelfinger Zeitung „mit einem Artikel unter der Überschrift ‚Grundstoff für Biodiesel-Produktion'“ gegen „den Grundsatz der klaren Trennung von Redaktion und Werbung“ verstoßen habe. Begründung: „Bei der Veröffentlichung handelte es sich um eine vollständige Übernahme eines PR-Textes der Daimler AG, was für den Leser aber nicht ersichtlich war. Im Gegenteil entstand durch eine dem Beitrag vorangestellte Autorenzeile der irreführende Eindruck, als handele es sich um einen von der Redaktion recherchierten und verfassten Artikel. Die in Richtlinie 7.2 geforderte besondere Sorgfalt im Umgang mit PR-Material wurde bei dieser Veröffentlichung grob missachtet.“ 
 
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) dokumentiert seit drei Jahrzehnten die Einflussnahme großer Unternehmen auf Medien und Berichterstattung. Nach ihrer Erfahrung gelingt es der Firma BAYER „immer wieder, den Abdruck kritischer Berichte zu verhindern“. Die Magazine Spiegel und Stern mussten laut CBG nach kritischen Berichten mehr als zehn Jahre lang auf Anzeigen von BAYER verzichten. O-Ton aus der Zentrale des Chemie-Multis: „Damit die Jungs in Hamburg mal lernen, wer hier das Sagen hat“. Und nach einem Störfall in einem BAYER-Werk gelangte kürzlich ein Strategiepapier des Konzerns in die Öffentlichkeit, in dem empfohlen wird, kritische Medien zu „marginalisieren“. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG: „Die Wahrheit und die Interessen von Mensch und Umwelt bleiben bei dieser Art von Berichterstattung auf der Strecke.“ Auch der Autor dieses Artikels hat solche Erfahrungen als WDR-Reporter gemacht. Ein von der MONITOR-Redaktion bereits zur Sendung abgenommener Beitrag über die Patente chemischer V-Kampfstoffe des Konzerns wurde nach einer Intervntion der BAYER-Spitze beim Intendanten doch nicht gesendet und wurde erst auf der Duisburger Filmwoche und der Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche aufgeführt. (PK)
 
 
(1) http://www.daimler.com/dccom/0-5-658451-49-1270756-1-0-0-0-0-0-9293-7145-0-0-0-0-0-0-0.html
(2) STICHWORT BAYER 01/2008 http://www.cbgnetwork.org/2412.html


Online-Flyer Nr. 253  vom 09.06.2010

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