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Aktuelles
Erfolg beim Bundesarbeitsgericht
"Emmely" schreibt Rechtsgeschichte
Von Peter Kleinert und Uwe Pohlitz
"Emmely" war fristlos gekündigt worden, weil sie angeblich zwei gefundene Pfandbons im Wert von zusammen 1,30 Euro für sich selbst eingelöst haben soll. Tatsächlich hatte die engagierte ver.di-Gewerkschafterin sich bei ihren Chefs als Streikaktivistin unbeliebt gemacht. Emmlys Fall war durch bundesweite Solidaritätsaktionen der wohl bekannteste Kündigungsfall wegen eines Bagatellvergehens geworden. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Berlin hatten die Kündigung bestätigt, weil der Arbeitgeber sich bei seiner Kündigung vor allem auf den Vertrauensbruch berufen, der durch die mutmaßliche Unterschlagung entstanden sei.
Dass es nur um 1,30 Euro gehe und dass die Tat bis heute nicht bewiesen sei, spiele nur eine untergeordnete Rolle hatten auch die Arbeitsgerichte bestätigt. Der zweite BAG-Senat entschied nun, dass das Vertrauen durch das einmalige Delikt nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit nicht vollkommen "aufgezehrt" worden sei. Außerdem sei die Schädigung relativ niedrig gewesen. Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt gewesen. "Zu Recht hält das Bundesarbeitsgericht die Kündigung im vorliegenden Fall für unverhältnismäßig", erklärte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Gerd Herzberg. Die Auseinandersetzungen um Kündigungen wegen mitgenommener Maultaschen, verspeister Teewurstportionen oder wie im Fall Emmely möglicherweise durch eine Verkäuferin eingelöste Pfandbons hätten deutlich gemacht, welch hohen Stellenwert eine saubere Interessenabwägung habe.
rechts: Bodo Ramelow, Partei DIE.LINKE
Bodo Ramelow, Chef der Landtagsfraktion der Partei DIE.LINKE in Thüringen, Kenner der Beschäftigungssituation im Handel kritisierte, dass es nicht sein könne, dass sich die Beschäftigten bei Lidl oder Kaiser's Tengelmann die Kitteltaschen zunähen, um nicht durch einen gekauften Dedektiv unbemerkt Ware in die Taschen gesteckt zu bekommen. Das, beispielsweise, sei inzwischen eine beliebte Methode um unbequeme Mitarbeiter los zu werden. So werde das Arbeitsrecht ausgehöhlt.
"Es ist tatsächlich überhaupt nicht darstellbar, jemanden wegen des Verdachts, Pfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst zu haben, vor die Tür zu setzen, der 31 Jahre in einem Unternehmen gearbeitet und sich in dieser Zeit nichts hat zuschulden kommen lassen", sagte Herzberg. In all diesen und ähnlich gelagerten Fällen sollte auch erwogen werden, wie oft Top-Manager, die sich weitaus folgenreicher Vergehen schuldig gemacht hätten, mit "einem blauen Auge" davon kämen. Das Urteil ändere allerdings nichts an dringend erforderlichen Änderungen am Arbeitsrecht, die zu einem besseren Schutz von Beschäftigten führen: So müsste bei Bagatellsachverhalten einer Kündigung zwingend eine Abmahnung ausgesprochen werden. "Und Verdachtskündigungen müssen endlich verboten werden", forderte Herzberg. (HDH)
Fotos: Uwe Pohlitz, Erfurt
Online-Flyer Nr. 253 vom 11.06.2010
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Erfolg beim Bundesarbeitsgericht
"Emmely" schreibt Rechtsgeschichte
Von Peter Kleinert und Uwe Pohlitz
"Emmely" war fristlos gekündigt worden, weil sie angeblich zwei gefundene Pfandbons im Wert von zusammen 1,30 Euro für sich selbst eingelöst haben soll. Tatsächlich hatte die engagierte ver.di-Gewerkschafterin sich bei ihren Chefs als Streikaktivistin unbeliebt gemacht. Emmlys Fall war durch bundesweite Solidaritätsaktionen der wohl bekannteste Kündigungsfall wegen eines Bagatellvergehens geworden. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Berlin hatten die Kündigung bestätigt, weil der Arbeitgeber sich bei seiner Kündigung vor allem auf den Vertrauensbruch berufen, der durch die mutmaßliche Unterschlagung entstanden sei.
Dass es nur um 1,30 Euro gehe und dass die Tat bis heute nicht bewiesen sei, spiele nur eine untergeordnete Rolle hatten auch die Arbeitsgerichte bestätigt. Der zweite BAG-Senat entschied nun, dass das Vertrauen durch das einmalige Delikt nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit nicht vollkommen "aufgezehrt" worden sei. Außerdem sei die Schädigung relativ niedrig gewesen. Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt gewesen. "Zu Recht hält das Bundesarbeitsgericht die Kündigung im vorliegenden Fall für unverhältnismäßig", erklärte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Gerd Herzberg. Die Auseinandersetzungen um Kündigungen wegen mitgenommener Maultaschen, verspeister Teewurstportionen oder wie im Fall Emmely möglicherweise durch eine Verkäuferin eingelöste Pfandbons hätten deutlich gemacht, welch hohen Stellenwert eine saubere Interessenabwägung habe.
rechts: Bodo Ramelow, Partei DIE.LINKE
Bodo Ramelow, Chef der Landtagsfraktion der Partei DIE.LINKE in Thüringen, Kenner der Beschäftigungssituation im Handel kritisierte, dass es nicht sein könne, dass sich die Beschäftigten bei Lidl oder Kaiser's Tengelmann die Kitteltaschen zunähen, um nicht durch einen gekauften Dedektiv unbemerkt Ware in die Taschen gesteckt zu bekommen. Das, beispielsweise, sei inzwischen eine beliebte Methode um unbequeme Mitarbeiter los zu werden. So werde das Arbeitsrecht ausgehöhlt.
"Es ist tatsächlich überhaupt nicht darstellbar, jemanden wegen des Verdachts, Pfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst zu haben, vor die Tür zu setzen, der 31 Jahre in einem Unternehmen gearbeitet und sich in dieser Zeit nichts hat zuschulden kommen lassen", sagte Herzberg. In all diesen und ähnlich gelagerten Fällen sollte auch erwogen werden, wie oft Top-Manager, die sich weitaus folgenreicher Vergehen schuldig gemacht hätten, mit "einem blauen Auge" davon kämen. Das Urteil ändere allerdings nichts an dringend erforderlichen Änderungen am Arbeitsrecht, die zu einem besseren Schutz von Beschäftigten führen: So müsste bei Bagatellsachverhalten einer Kündigung zwingend eine Abmahnung ausgesprochen werden. "Und Verdachtskündigungen müssen endlich verboten werden", forderte Herzberg. (HDH)
Fotos: Uwe Pohlitz, Erfurt
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