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Aktueller Online-Flyer vom 25. Dezember 2024  

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Globales
Srebrenica, kleingeredet und beinahe vergessen
Die Säule der Schande
Von Dr. Maryam Dagmar Schatz

Zur Erinnerung: 1995 hatten sich Tausende Bosnier in die von den Vereinten Nationen als Safe Haven ausgewiesene Stadt Srebrenica geflüchtet. Bosnisch-Serbische Streitkräfte hatten das niederländische Bataillon überrollt, das dann hilflos zusehen musste, wie die Serben 7- bis 8.000 Männer und Jungen umbrachten und - wie „Human Rights Watch“ meinte - noch die über die Berge Flüchtenden unter Einsatz des Psychokampfstoffes BZ verfolgten. Die Bilder des offensichtlich den Serben zuprostenden Kommandeurs gingen genauso um die Welt wie die des Massakers. Die endgültige Aufklärung der Vorgänge fegte 2002 die amtierende Regierung der Niederlande aus dem Amt. Die niederländischen Soldaten hat man 2006 rehabilitiert. Die Opfer warten bis heute und sind fast vergessen. Um das zu ändern, haben die Aktionskünstler des Zentrums für Politische Schönheit die „Säule der Schande“ initiiert.

De Doofpot


Jemand ist erst tot, wenn er vergessen ist.
Quelle:stubsrama.com, pillarofshame.eu

Mittlerweile sind die Balkankriege der 90er Jahre von uns so weit entfernt, daß man für die Meisten die Ereignisse wieder ins Gedächtnis rufen muss…
 
2002 bereitete ich mich mit Hilfe eines niederländischen Zeitungsportals auf eine Prüfung am Bundessprachenamt vor. Es knallte in den Niederlanden wegen Srebrenica und letztendlich hat es die Regierung vom Stuhl gefegt. Alle Zeitungen waren voll vom Thema Srebrenica, und der Ausdruck, der da am häufigsten vorkam war: "de doofpot". Etwas da hineinzupacken, -zustecken, -zustopfen, wird auf Deutsch am besten wiedergegeben mit: „unter den Teppich kehren“. Und das, was unter den Teppich gekehrt worden war, war wahrlich heftig: Anfang der 90er hatte sich der damalige Bundeskanzler Kohl in dem Sinne geäussert, daß niemals ein deutscher Soldat auf dem Balkan stationiert werde - um der Geschichte willen. Was letztendlich daraus geworden ist, ist eine andere Geschichte. In den Niederlanden brach eine heftige Pressekampagne los: Wenn die Deutschen das nicht hinkriegten/hinkriegen wollten, seien die Niederlande in der Pflicht. Letztendlich ging der Auftrag an die Niederlande - trotz erheblicher Bedenken auch von Verantwortlichen - mit dem bekanntem Ergebnis. Die Soldaten standen als Feiglinge da und deren Kommandeur als Vollidiot. Hier kann man eine Dokumentation über die Abschlussübung besichtigen, die unter anderem zeigt, daß die Niederlande den Auftrag übernahmen, ohne sich zu fragen, warum andere Nationen ihn nicht haben wollten und Kanada ihn zurückgegeben hatte, aber auch erste Zweifel an Oberstleutnant Karremans weckte…
 

Das Versagen der Politik detailliert
dokumentiert
Quelle: Nederlands Instituut voor
Oorlogsdocumentatie
Das Versagen der Politik detailliert dokumentiert
Quelle: Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie 
 
Der Report esrenommierten NIOD (Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie=
Niederländisches Institut für Kriegsdokumentation)
brachte Peinliches zutage: Die Politik hatte sich von den Medien vor sich hertreiben lassen und schon zu Anfang durch nachlässiges Verhandeln mit den Vereinten Nationen keine schweren Waffen mitgebracht und keine Luftunterstützung abgesprochen – all dies ist nämlich von Einsatz zu Einsatz unterschiedlich.
Die Niederländer waren von den Serben gezwungen worden, bei der Selektion der Opfer - anders kann man das nicht bezeichnen - zu helfen. Bis 2006 hat niemand die Soldaten vom Vorwurf der Feigheit entlastet, und die Sozialstatistik war desaströs: überdurchschnittlich viele schafften nach Ende ihrer Dienstzeit den Übergang ins Zivilleben nicht, überdurchschnittlich viele waren traumatisiert und benötigten überdurchschnittlich lange Therapien - und die militärische Führung hatte nach der Rückkehr 1995 bis zum großen Knall 2002 nicht mit den Soldaten gesprochen. 


„Ein Stück Anerkennung“: die Medaille | Quelle: nrc.nl
 
Im Dezember 2006 traten die Soldaten zum letzten Mal an und bekamen einen speziell für diesen Anlass gestifteten Orden, „ein Stück Anerkennung“, was - nicht nur - bei den Angehörigen der Opfer Verbitterung auslöste. Die Trouw schrieb in einem Artikel seinerzeit dazu:
 
„Verwandte und Überlebende des Massenmordes von Srebrenica sind geschockt und verbittert über den Beschluss des niederländischen Verteidigungsministeriums, die Soldaten des Dutchbat III auszuzeichnen.
'Irrsinnig und unverständlich. Bedeuten 8.000 Opfer denn garnichts?' fragt Muska Begovic-Omerovic. Ihr Großvater, Vater und Bruder waren im Juli 1995 durch Soldaten des Bosnisch-Serbischen Heeres ermordet worden. Das niederländische UN-Bataillon hatte die Morde nicht verhindern können. Begovic: 'Und dann gehen sie gleich mit einer Medaille nachhause und dem Gefühl, wir haben alles richtig gemacht. Das ähnelt dem kommunistischen Regime sehr, das wir vorher hatten.'
Wie der Interkirchliche Friedensrat sagt, steht diese Auszeichnung in schrillem, peinlichem und verstörendem Kontrast zu der Art und Weise, mit der in den Niederlanden sonst mit den Opfern und ihren Verwandten umgegangen wird. Es bestätige, daß die Niederlande im Moment mit sich selber beschäftigt seien, sagte ihr Sprecher Dion van den Berg.
Verteidigungsminister Kamp hat entschieden, ihnen ein spezielles Abzeichen "Dutchbat III" zuzuerkennen, "in Anerkennung der Verdienste der 850 Soldaten, die sich in mühevollen Umständen nach Ehre und Gewissen betragen und lange Zeit zu Unrecht in negativem Licht gestanden haben."
Die Veteranen sind glücklich. Nach Jahren der Entehrung folgt nun die öffenliche Anerkennung, daß "wir taten, was uns erlaubt wurde und was in unserer Macht stand. Die Rolle des Bataillons wurde 2002 bereits vom NIOD differenziert dargestellt, doch die Auszeichnung wiegt schwerer.
Hasan Nuhanovic, damals Übersetzer des „Dutchbat“, reagiert gelassen auf den Bericht: 'Ich habe keinen niederländischen Soldaten gesehen, der etwas getan hat, für das er eine Medaille verdient hätte. Es gibt jedoch einige Offiziere, die strafrechtlich verfolgt werden müssten. Nuhanovic versucht, vom niederländischen Staat Schadensersatz für den Tod seiner Eltern und seines Bruders zu bekommen, die im Juli 1995 die niederländische Basis Potocari hatten verlassen müssen.
Minister Kamp wird die Auszeichnungen am 4. Dezember in Assen verleihen. Das MInisterium bezahlt den Soldaten und Veteranen die Reisekosten. Auch dann wenn sie aus dem Ausland anreisen müssen.“ 

Lügen, Kleinreden, Verschweigen


Kyrillisch-serbisches Ortsschild mit dem Datum des serbischen „Sieges“
Quelle: youtube
 
Der hier erwähnte Dolmetscher Nuhanovic strengte einen Zivilprozess gegen die Niederlande an, da seine Schutz suchenden Familienangehörigen von den Niederländern in den sicheren Tod geschickt worden seien. Diesen Prozess verlor er 2008 endgültig. - Womit ich zu den Angehörigen überleite: bei jenem Prozess in Den Haag lautete das Urteil, mit dem die Klage der Angehörigen abgeschmettert wurde, zwar: "Die Handlungen und Unterlassungen von Dutchbat müssen strikt nur den Vereinten Nationen zugeschrieben werden“, und weiter, wie WELT online 2008 berichtete: „In ihrer mehr als halbstündigen Urteilsbegründung verloren die Richter keinen Satz über die Opfer.“ Die Opfer… Laut den Untersuchungen von NIOD und anderen verläßlichen Quellen betrug die Opferzahl zwischen 7.000 und 8.000, absolut unbestreitbare Untergrenze ist  – durch DNA-Untersuchungen – belegt, die Zahl von 6,186. Da macht es mich nicht nur wütend, wenn auf der Website des ehemaligen Mediendarlings Ayan Hirsi Magan aka Ali immer noch der Blogeintrag vom 27.Mai 2005 über den Nuhanovic-Prozess steht mit der Überschrift: Mladic sagte, die Niederlande bekommen in zehn Jahren“ also 2005, ebenfalls  „Gedöns“ mit den Muslimen. Man habe sich das viel zu lange angesehen und endlich die dringend notwendige Lösung herbeigeführt. Was die Fankurve im Kommentarbereich verständnisvoll kommentiert:

Möglicherweise hätten die Muslime die Serben zum Wahnsinn getrieben - die könnten sowas, und ein angeblicher „ex-Dutchbatter“ schreibt, Muslime seien alle „ins Gesicht freundlich“, doch, wenn man sich umdrehe, habe man ein Messer im Rücken, er wisse, wovon er rede. Da der Eintrag seitdem nicht entfernt wurde, darf vermutet werden, daß Ms Magan die Herangehensweise des Generals Mladic für die den Muslimen gemäße hält. Kein Verständnis habe ich für die Relativierungen von Jürgen Elsässer und für die Herunter-Rechnereien der „Arbeiterfotografie“. Zu Elsässer sage ich nichts, bei der Arbeiterfotographie, die sich bei der Aufdeckung der Fälschung des Ahmadinedjad-Zitats historische Verdienste erworben hat, fehlen mir die Worte. Der Vollständigkeit halber: es gibt belastbare Hinweise (allerdings keine definitiven BE-weise) darauf, daß die Frauen, Kinder, Alten und restlichen Männer, die über die Berge in die Oase Tuzla flüchteten, mit dem Psychokampfstoff BZ angegriffen wurden, was auch noch einmal eine hohe Opferzahl verursacht habe: BZ ist ein „incapacitant“, d.h., es macht unfähig zur Gegenwehr.
 
Das serbische Parlament hat mittlerweile eine Resolution verabschiedet, die ebenfalls von einer Zahl von 8.000 Opfern ausgeht.
 
Wider das Vergessen: Das Projekt
 
Bislang wurde keine „Gerechtigkeit zu den Opfern“ gebracht: zwar wurden einige KriegsverbrecherInnen verurteilt (von denen ein Teil mittlerweile seine Strafe abgesessen hat und sich auf freiem Fuß befindet), doch die Opfer wurden nicht einmal symbolisch anerkannt und entschädigt.

Das will die Aktionskünstlergruppe vom Zentrum für Politische Schönheit, die die NRhZ schon früher vorgestellt hat, jetzt mit einem beeindruckenden Projekt ändern. Es heißt die Säule der Schande:
„Die „Säule der Schande“ wird eine Metapher für den gigantischen Verrat der UNO an Bosnien und eine Mahnung für alle zukünftigen Mitarbeiter der UNO. Der Plan: aus 16.744 Schuhen (für 8.372 Opfer) sollen zwei Buchstaben mit einer Höhe von über 8 Metern in leuchtendem Weiß errichtet werden. Gebrochen werden die Buchstaben (ein „U“ und ein „N“) von drei monumentalen Einschusslöchern, in denen echte Schuhe aus Massengräbern festverankert sind.
 
Das Zentrum für Politische Schönheit reicht den Müttern von Srebrenica die Hand und wird die geforderte „Säule der Schande“ realisieren. Dabei geht es um eine permanente Skulptur, die dauerhaft an die Schuld der westlichen Politiker und Militärs am Srebrenica-Genozid erinnert. - Wider das Vergessen der „Nächte der Schande“ Europas (Bogdan Bogdanovic).
 
Die Mütter entscheiden den Aufstellungsort und eine Liste von Namen westlicher Politiker und Generäle, die mit der Säule beschämt werden sollen. Das Zentrum für Politische Schönheit und die Gesellschaft für bedrohte Völker, die zusammen 2009 in Deutschland eine der größten Gedenkveranstaltungen zu Srebrenica organisiert haben, wollen damit eine Diskussion über die Verantwortung der UNO anstossen, die seit 15 Jahren im Westen fehlt."
 
Die Mütter von Srebrenica, von denen oben die Rede ist, sind eine Frauengruppe, die, bislang - mit Ausnahme der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ - fast allein auf sich gestellt, dafür kämpft, daß alle Toten identifiziert und begraben werden können, daß das Verbrechen an ihren Angehörigen gesühnt wird, ihr Leid, sofern man das kann, entschädigt wird. Philip Ruch, der Initiator der Säule, sagt auf die Frage, was ihm durch den Kopf gegangen sei, als er das erste Mal mit diesen Frauen gesprochen habe:
„Die Mütter von Srebrenica tragen das, was ihnen angetan wurde, mit bewundernswerter Würde. Sie sind enorm beeindruckend. Vor allem in ihrem Mut. Nicht wenige von ihnen leben ja heute unter Anfeindungen und Bedrohung. Die ersten Aufnahmen waren herumstehende UNO-Soldaten. Mangelnde Zivilcourage im Großformat. Als ob jemand gerade „Schindler’s Liste“ gezeigt hätte und schauen will, wie die Soldaten auf eine Neuverfilmung reagieren. Für einen Dokumentarfilm über den Krisenstab der UNO haben wir Filmaufnahmen entdeckt, in denen ein Soldat immer und immer wieder ruft: „You have to keep the people calm!“ Das ist bekannt. Massenexekutionen, die Todesangst zehntausender Menschen, egal. Hauptsache, es wehrt sich keiner auf dem Weg zur Schlachtbank. Aufgrund dieses Bedürfnisses wurde Auschwitz auch so gebaut, wie wir es kennen, mit Duschen. Aber Bilder verleiten zu Irrtümern. Selbst das Skorpion-Video kann kaum vermitteln, was in Srebrenica passiert ist: die Hunde, die Menschenjagd, die planmäßige Vernichtung, Todesmärsche durch verminte Wälder, Vergewaltigungen, die Angst und der Verrat der Welt.“
 
Jetzt verklagen 6.000 Hinterbliebene die UNO und diese Aktion soll eine Unterstützung sein.
 

Einzelheiten des Projekts
Quelle: stubsrama.com, pillarofshame.eu
Die Konstruktion
 
Die Konstruktion ist an vier Aspekten ausgerichtet: 
Löcher - In den Löchern sind echte Schuhe aus Massengräbern fest verankert. Die Schuhe werden in luftdicht verschlossenen Plexiglasbehältern konserviert und bilden metaphorische „Brennstäbe“, die Löcher in das Monument brennen.
 
Westliche Schuld - Für die Frage, wie die Namen in die Skulptur eingearbeitet werden, beauftragen wir renommierte bosnische Künstlerinnen und Künstler.
 
Weißbeton - 16.744 Schuhe werden einzeln in weißen Beton gegossen. Sie füllen die Stahlkonstruktion aus.
 
Anstand - Die Skulptur ist eine direkte Antwort darauf, dass den Hinterbliebenen vom Westen her kein Respekt entgegengebracht wird. Dies trotz eines 8.372fachen, ungeheuerlichen Verrats in Srebrenica und eines Vielfachen in Gesamtbosnien.

So könnte eine Aufstellung der Säule aussehen:
 


Wir rufen ausdrücklich auf, das Projekt zu unterstützen und mit Spenden an seiner Realisierung mitzuhelfen. (PK)

Online-Flyer Nr. 255  vom 23.06.2010

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