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Aktueller Online-Flyer vom 24. November 2024  

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Krieg und Frieden
Gesetz gegen kriegs- und rüstungsfördernde Steuerverwendung gefordert
Sand im Getriebe von Kriegsgeschäften
Von Dr. Sabine Schiffer

Schweigen bedeutet Zustimmung! Dagegen ist Widerstand gegen die Kriegspolitik Deutschlands, Europas und seiner Alliierten facettenreich. Eine Form von Protest gegen Militarisierung und Kriegswirtschaft praktizieren die Mitglieder des Netzwerks Friedenssteuer, eine Initiative, die eine gesetzliche Regelung anstrebt, nach der ein Steuerzahler entscheiden kann, dass die von ihm gezahlten Steuern nicht in die Rüstung fließen. Gegründet wurde sie 1983 unter dem Namen Friedenssteuer-Initiative. 1993 erhielt sie den Aachener Friedenspreis. Seit 2003 ist das Netzwerk ein eingetragener Verein mit Sitz in München. (1).
 
Unter dem Titel „Kein Geld für Krieg, Militär und Rüstung – Zivilsteuergesetz“ hatte die DFG-VK Erlangen zusammen mit einer Reihe weiterer Veranstalter ins Pacellihaus der katholischen Erwachsenenbildung eingeladen. Die Ärztin Dr. Brigitte Janus aus Nürnberg schilderte ihre Erfahrungen mit ihrer Verweigerung Steuern zu zahlen – „aus Gewissensgründen“. Seit 18 Jahren wird sie regelmäßig gepfändet, aber nicht kriminalisiert. Sie ist weiterhin nicht vorbestraft und wird auch vom Finanzamt stets fair behandelt.
Noch erfolgversprechender erscheint, nicht auf die Steuererhebung, sondern auf die Steuerverwendung abzuzielen. Aber nicht nur Selbständige, auch Angestellte und Beamte können bereits jetzt aktiv werden und etwa beim Einreichen des Jahresausgleichs den „Gewissenskonflikt bei der Mitfinanzierung von Rüstung und Militär“ schildern. Im Schnitt geht es da übrigens um die 350 Euro pro Kopf pro Jahr – wobei ca. 150 Euro direkte Steuern aus Löhnen darstellen, jedoch über 200 Euro indirekte Steuern sind, also Mehrwertsteuer, Mineralöl- oder Tabaksteuer und dergleichen.
 
Eine Idee macht international Schule.
 
Das Signal von Brigitte Janus und ihrer Vorgänger gegen ihr Einverständnis mit der kriegsfördernden Politik hat Schule gemacht und nicht nur den Kollegen Dr. Klaus-Dieter Preis aus Forchheim inspiriert, ebenfalls Steuerzahlungen – zumindest anteilig – zu verweigern, um ein klares Friedenssignal zu senden. Auch international macht die Idee Schule. Die Referenten wussten aus einzelnen europäischen Ländern über vergleichbare Projekte zu berichten. Aber nicht nur europäische, auch außereuropäische Organisationen (z.B. Conscience The Peace Tax Campaign in England, National Campaign for a Peace Tax Fund und National War Tax Resistance Coordinating Committee (NWTRCC) in den USA, Conscience Canada usw.) treffen sich auf einer alle zwei Jahre stattfindenden internationalen Konferenz, um sich auszutauschen – übrigens Anfang Juli in Norwegen. Das internationale Projekt findet sich unter „Conscience and Peace Tax International" (CPTI). Ein informativer Film ist auf der oben genannten Website abrufbar. (2)


 
Seit 2009 liegt eine Sammelklage beim Bundesverfassungsgericht vor, die offiziell von 10 Steuerverweigerern vertreten wird, aber bei über tausend weiteren Friedensfreunden Unterstützung findet. Denn auch diejenigen, die eine „Militärsteuer“ verweigern, können sich auf geltendes Recht berufen – etwa Art 1 Grundgesetz, den Schutz der Menschenwürde und auf Art. 4, die Glaubens- Gewissens- und Bekenntnisfreiheit sowie die Kriegsdienstverweigerung. Der hier im Faltblatt sichtbare Text der Verfassungsbeschwerde kann auf der Website des Netzwerkes heruntergeladen werden. Das 29-seitige Papier enthält auch interessante biografische Angaben der 10 Beschwerdeführer, die zeigen, wie unterschiedlich die einzelnen Akteure zum Thema und ihrer Form des Protests gefunden haben. Wer nicht gleich Steuern verweigern und sich den bürokratischen Mühlen von Mahnverfahren und Pfändungsritus unterziehen mag, kann die Arbeit des Netzwerkes auch durch eine Unterschrift unterstützen.
 
Konzept für ein „Zivilsteuergesetz“
 
Der nächste Schritt wird ein Gesetzesentwurf sein: Das sog. „Zivilsteuergesetz“, dessen 4-seitiges Konzept ebenfalls auf der Website abrufbar ist. Ähnlich wie in Italien, wo man immerhin bei 6 Prozent der Steuern eine bestimmte Verwendung per Kreuz auf der Steuererklärung bestimmen kann, soll künftig in Deutschland ankreuzbar sein, wenn man eine kriegs- und rüstungsfördernde Steuerverwendung nicht möchte. Ein sog. „Bundesmilitärfonds“ soll demnach eingerichtet werden, den man dann quasi abwählen kann. Und zum Militärfonds gehören viele Bereiche, die einem oft gar nicht so bewusst sein mögen als Teile im Rädchen des Kriegsgetriebes: Neben der Bundeswehr und den Rüstungsgütern, dem sog. Verteidigungsministerium, gehören auch medizinische, psychologische und andere infrastrukturelle Dienste sowie im Gesetzentwurf weitere genannte Felder mit in den wirtschaftlich-militärischen Komplex, der mit dem Bundesmilitärfonds endlich auch genau definiert würde.
 
Bisher musste man sich mit vagen Angaben über die 31 Mrd. Euro für den „Verteidigungshaushalt“ im vergangenen Jahr zufrieden geben, worin etliche Leistungen der Zulieferer des Militärs wie etwa für Sport und dergleichen noch gar nicht erfasst sind. Was die Milliardensummen zum Nutzen der Bevölkerung in Zeiten der Krise bedeuten würden, ist klar. Dabei ist die Zivilsteuer kein Steuersparmodell, sondern eine Verwendungsbestimmung – nach den Prinzipien, die unser Grundgesetz vorsieht.
 
Sand im Getriebe möchte man sein, so schilderten die Referenten ihre Motivation weiter zu machen – mit der Gewissheit, dass eine kritische Masse erreicht werden kann, die die Politik zwingt, Krieg als „Konfliktlösungsstrategie“ im 21. Jahrhundert grundsätzlich in Frage zu stellen.
 

Dorothee Sölle – „Es gibt Dinge, die mußt
du tun, damit du überhaupt ein Mensch bleibst“
Bereits am 24. August 1985 hat die im Jahr 2003 verstorbene Kölner Theologin und Pazifistin Dorothee Sölle, die von Anfang an im Netzwerk engagiert war, in einem Seminar zum Thema Steuerboykott vor der Matthäus-Gemeinde Bielefeld gesagt: „Der Erfolg kann dabei nicht unsere einzige Kategorie sein.......Es gibt Dinge, die mußt du tun, damit du überhaupt ein Mensch bleibst. Und das, meine ich, relativiert die Kategorie Erfolg und bringt uns auf einen festen Grund, wo wir nämlich Dinge tun, weil wir sie für richtig und wahr halten........." (PK) 
 
(1) (2) www.netzwerk-friedenssteuer.de

Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen: www.medienverantwortung.de.


Online-Flyer Nr. 257  vom 07.07.2010

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