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Filmclips
Susan’s Diary
Von Gernot Steinweg



Mit diesem Tanzvideo wird am 19. August 2010 im Kölner Rathaus die „2. Mittelmeer (Kunst-) Biennale Köln“ eröffnet. Mirjana Preis und Nana Šojlev sind angefragt, ihren Film persönlich zu präsentieren.

In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelten in Europa und Amerika Choreographen, Videokünstler, Regisseure, Kameraleute und Komponisten - oft in Kooperation - eine neue Kunstform, den „Video Dance“ (Video-Tanz). Losgelöst von der Theaterbühne, der Straße oder anderen konkreten Schauplätzen entwickelt der Tanz eine ganz neue Dynamik. Nicht die Live-Performance sondern das Zusammenspiel von bewegten Bildern und bewegten Körpern macht den besonderen Reiz aus. Die Choreographien werden für das Medium Video bzw. Film entwickelt. Die technischen Möglichkeiten der Kamera und des Film- bzw. Videoschnitts werden herausgefordert. Oftmals wird die Musik erst im Nachhinein zum fertigen Videoschnitt komponiert. Ein Video-Tanz kann nur auf einem Bildschirm oder als Projektion auf einer Leinwand betrachtet werden. 

Für diese Kunstform war natürlich zunächst das Fernsehen die ideale Präsentationsplattform. Und so entwickelten sich europaweit spezielle Festivals, die Fernsehmacher und Video-Tanz-Künstler zusammenbrachten. Auf diese Weise entdeckten auch Rea Karen und ich, eingefleischte Dokumentarfilmer, dieses Kunstgenre und waren sofort hellauf begeistert. 1988 war in Köln das „unabhängige Fernsehfenster KANAL 4“ gegründet worden, das eine Gruppe von NRW-Dokumentarfilmern bei der Landesregierung im Zusammenhang mit der Zulassung der Privatsender RTL und Sat1 durchgesetzt hatte. Die Kollegen hatten sich auf das kurze Zeit vorher geänderte Landesrundfunkgesetz berufen, laut dem Privatsender nur dann eine Lizenz in NRW erhalten sollten, wenn sie „die Kultur des Landes angemessen darstellen“ würden. Da dies aufgrund aller Erfahrungen in den CDU-regierten Ländern nicht der Fall war, drohten die Dokumentarfilmer der SPD-Regierung Rau mit einer Klage beim Landesverfassungsgericht und setzten so die Genehmigung eines wöchentlichen unzensierten TV-Programms durch. 
Eine „Video-Tanz-Reihe“ passte da genau ins Konzept. Auf den internationalen Festivals trafen wir Künstler aus Finnland, Portugal, Frankreich, Italien, Slowenien, Tschechien und Kroatien. Später kamen noch Produzenten und Künstler aus anderen Ländern hinzu. Wir alle hatten gute Ideen aber herzlich wenig Geld. Und so entwickelten wir den „European Video Dance“ als europäisches Fernseh-Austauschprojekt. Wir verständigten uns auf Form und Länge, produzierten unsere Videos entsprechend und tauschten dann ohne Geld unsere fertigen Programme einfach untereinander aus. In einigen Fällen kam es zu länderübergreifender Zusammenarbeit bis hin zu Co-Produktionen. Auf diese Weise potenzierten alle Beteiligten ihre finanziellen Kräfte um das Achtfache. Es entstanden wunderbare Video-Tänze mit ganz unterschiedlichen Geschichten und Formen. Viele von ihnen erzielten hohe internationale Auszeichnungen. 
KANAL 4 hat diese Kunstform bis Mitte der 90er Jahre begleitet und mit vier Sendereihen gewürdigt. In ihren nächsten Ausgaben wird die NRhZ an den „European Video Dance“ erinnern und jeweils ein Video in Ausschnitten vorstellen. 
Folge 4: Susan’s Diary 
Wer dieses vor Lebensfreude strotzende Video sieht, mag kaum glauben, dass es mitten im Bürgerkrieg entstand. 1992 war bekanntlich der erste Jugoslawische Abtrennungskrieg in vollem Gange. Kroaten, Serben, Bosnier, die zuvor friedlich miteinander gelebt hatten, betrachteten sich plötzlich als Todfeinde und murksten sich gegenseitig ab. Die Gesellschaft drohte in völligem Chaos zu versinken. Und genau in dieser Zeit, machten sich die Choreografin Mirjana Preis und die Regisseurin Nana Šojlev in aller Ruhe daran, in Zagreb ein Tanzvideo zu entwickeln, dass sich ganz dem privaten, fast möchte man sagen, „normalen“ Leben widmet. Eine junge Frau erwacht zum Leben, macht sich schön, kleidet sich an und stürzt sich in verschiedene Liebesabenteuer, um den Mann fürs Leben zu finden. Die Geschichte ist simple, aber die Umsetzung ist beeindruckend. Hier wird mit allen Mitteln der damals aktuellen Videokunst gespielt. Choreografie, Kameraführung, Grafik, Animation, Kostüm, Set Design und Musik sind wunderbar aufeinander abgestimmt. Es entwickelt sich ein Feuerwerk an variationsreichen Bildern rund um das ewig wiederkehrende, zeitlose Thema: was ziehe ich heute an, wie liebe ich einen Mann? Eine Aufgabe, die dem des Sisyphus nahe kommt. 
Buch & Regie: Nana Šojlev
Choreographie: Mirjana Preis
Musik: Marko Ruždjak; Srdan Dedić, Rene Aubry, Dubravko Detoni, Ivan       Lukačić
Kamera: Mirko Vojanic
Kostüme. Sanja Šeler
Set Design: Mirjana Vodopija
Schnitt: Mirjana Guberović
Produktion: Ksenija Savin
Vertrieb: Kroatisches Fernsehen HTV, 1992
Länge: 24 Minuten


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