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Lokales
Folgt Kölns SPD-OB seinem CDU-Vorgänger anstatt seinen Wahlversprechen?
Roters Einsatz für die Stadtsparkasse
Von Peter Kleinert
Kölns neuer Oberbürgermeister Jürgen Roters ist seit 1967 SPD-Mitglied. Doch wenn es sein muß, geht der ehemalige Polizei- und Regierungspräsident auch mal über die Kölnische Rundschau in die Öffentlichkeit, die ihre Wurzeln und Leser eher in der CDU hat – vor allem wenn es darum geht, der Stadtsparkasse einen Gefallen zu tun, was sein CDU-Vorgänger Schramma ja auch gelegentlich tat, und den Gründern eines Autonomen Kulturzentrums die Meinung zu geigen. Für einen Kommentar zu seinem Gespräch mit HausbesetzerInnen, die ihn dafür im Rathaus besucht hatten, stellte ihn das christliche Blatt des DuMont-Medienkonzerns natürlich mit dem Hinweis „OB Jürgen Roters hat die richtigen Worte gefunden“ vor den Dom von Kardinal Meisner.(1)
Das Autonome Zentrum in der ehemaligen seit vielen Jahren leer stehenden KHD-Kantine an der Kalker Wiersbergstraße hat in den etwa 80 Tagen seiner Nutzung laut Mitteilung der BesetzerInnen in mehr als 180 Veranstaltungen
Roters - der Mann mit
den richtigen Worten
Foto: gesichter zei(ch/g)en
tausende BesucherInnen gehabt, die diesen besonderen Ort nicht nur genutzt sondern auch selbst mitgestaltet haben: „Hier wurde das erste rechtsrheinische Kino gegründet, in zahlreichen Workshops wurden Fähigkeiten weitergegeben, eine wöchentliche Arbeitslosenberatung half vielen Menschen bei Problemen mit der ARGE, dutzende Konzerte verschafften lokalen Bands endlich kostenlose Auftrittsmöglichkeiten, Ausstellungen fanden ihr Publikum, politische Gruppen nutzten das Haus für ihre Arbeit – alles selbstverwaltet und unkommerziell, ohne einen Cent von der Stadt. Die Idee eines Ortes, an dem Menschen unabhängig von ihrem Geldbeutel Kultur genießen und schaffen können, ist angekommen.“ Das Autonome Zentrum sei seit seiner Gründung am 16. April 2010 „ein voller Erfolg“, verkünden die Autonomen nicht ohne Stolz. (2)
OB Roters Treffen mit aktiven Autonomen des Kulturzentrums
Aufruf im Netz zur Solidarität wegen befürchteter Räumung
Zur Erinnerung: von den Besetzer_innen des „Sozialen Zentrums Pingutopia“ am Eifelwall (2004) wurde eine Zwischennutzung vorgeschlagen – doch das Gebäude wurde noch am Tag der Räumung abgerissen und lag dann 3 Jahre als Schutthalde herum. Die 200 frisch renovierten Wohnungen des Barmer Blocks wurden nach der Besetzung 2006 ebenfalls abgerissen – seitdem kann man dort „Deutschlands teuersten Parkplatz“ bewundern. Wird es mit der Wiersbergstraße genauso laufen? Ein weiteres Brachgelände in Kalk scheint Stadt und Stadtsparkasse lieber zu sein als ein kostengünstiges kulturelles Angebot im sogenannten „Problemstadtteil“.
„Nur eine Farce“
Im Gegensatz zu seinem „Parteifreund“ Roters unterstützt der Kalker Bezirksbürgermeister Markus Thiele ebenso wie die LINKE und die GRÜNEN das Kulturzentrum. Thiele: Dabei müsse natürlich geprüft werden, ob dieses Zentrum in das noch ausstehende Planungskonzept für Kalk-Süd hinein passe. Verwundert zeigte sich Thiele kurz nach der Besetzung aber über Äußerungen der Sparkasse, das Gebäude sei für den Abbruch vorgesehen: „Davon war auf politischer Ebene bislang keine Rede.“
Gutachten gegen Stadtsparkasse
Aufgelaufen sind die Stadtsparkasse und ihr Interessenvertreter Roters auch mit einem weiteren „Argument“ gegen das Kulturzentrum: Sie machen sich nämlich angeblich seit dessen Gründung am 16. April Sorgen um Gesundheit und Wohlergehen der Besetzer und Besucher. Begründung der Sparkasse: Man habe als Eigentümer „Sicherheitsbedenken“ wegen des „baulichen Zustandes“ des Gebäudes. Schon am Donnerstag, 22. April, wurde darauf das Gebäude in der Wiersbergstraße auf Bitten der Besetzer von einem Architekten und einem Statiker besucht. In einer ersten schriftlichen Einschätzung äußerten diese keine Bedenken bezüglich des baulichen Zustandes des Gebäudes. Im Gegenteil: Architekt Bodo Marciniak schrieb in seinem Bericht: „Dabei haben wir festgestellt, dass die vom Eigentümer behaupteten Sicherheitsbedenken, das Gebäude sei auf Grund verschiedener Schäden auf keinen Fall für eine Nutzung als Kultur- oder Veranstaltungsgebäude nutzbar, nicht in einem Fall zutreffen.” Die Stadtsparkasse kennt das Gutachten, ist aber angeblich nicht bereit, ihre mit dem Hinweis auf Gefahr für Leib und Leben begründeten Strafanzeigen gegen ihr bekannt gewordene Gründer des Autonomen Kulturzentrums zurückzuziehen. (PK)
Lieber Jürgen Roters,
als ehemaliges Mitglied und langjährige Unterstützerin des SSM bin ich mit der Geschichte der SSK-Bewegung vertraut, die zunächst begonnen hat mit "illegalen" Besetzungsaktionen. Die SSK-Gruppen sind ein sehr gutes Beispiel für ehemalige BesetzerInnen, die eben nicht den städtischen Haushalt plündern, sondern den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder eigenständig erwirtschaften sowie Suchtkranke, Behinderte u.a. integrieren, deren Unterbringung oder Alimentierung ansonsten sehr viele Kosten verursachen würde, die der Stadt hierdurch erspart bleiben.
Zum Abschluss der Sanierung Mülheim Nord wurden im Kölner Stadt-Anzeiger Paradebeispiele erfolgreicher Sanierungsprojekte vorgestellt. Angefangen von der Keupstraße, die -wenn nicht der SSM mit Besetzungen gedroht hätte- abgerissen worden wäre. Dann der Kulturbunker Mülheim, der auch nur durch Besetzung von Hallen erkämpft werden konnte oder das Projekt "Wohnen gegen den Strom" in der Holweider Straße, das mit Hilfe von Besetzungsaktionen des SSM gemeinsam mit den MieterInnen erkämpft werden konnte: ein Haus, das von den MieterInnen selbst saniert wurde und seit über 20 Jahren zu günstigsten Pachtpreisen bewohnt wird. Die Mütze in Köln-Mülheim, deren Tankstellenbesetzung legendär ist und Voraussetzung für den Erfolg des Projektes war und schließlich der SSM selbst mit seinen vier einst von Abriss bedrohten, eigensanierten Gebäuden einer ehemaligen Schnapsfabrik.
In Nachbarländern, z.B. in den Niederlanden, ist aus der Besetzungsszene nicht nur das eine oder andere Projekt entstanden, sondern beispielsweise in Utrecht und Nijmwegen ein komplettes solidarökonomisches Netzwerk (Solidair) mit hunderten von Betrieben und Projekten, einer eigenen Genossenschaftsbank usw. Die Kosten für die Politik bestanden wohl in der Hauptsache in der Überlassung von (Brach)geländen, leerstehenden Hallen und Gebäuden bzw. Baugrundstücken, die dann in Eigenarbeit bebaut wurden.
Aber dazu sind die Deutschen zu legalistisch, zu kurzsichtig oder vielleicht zu beschränkt, um Besetzer als Investoren und Unternehmer zu begreifen; und zwar in einem guten gemeinwesenökonomischen Sinne; als Menschen, die mit viel Engagement und Eigeninitiative etwas unternehmen und einen sinnvollen Beitrag für einen benachteiligten Stadtteil leisten wollen.
Lieber Jürgen Roters,
Online-Flyer Nr. 257 vom 07.07.2010
Druckversion
Lokales
Folgt Kölns SPD-OB seinem CDU-Vorgänger anstatt seinen Wahlversprechen?
Roters Einsatz für die Stadtsparkasse
Von Peter Kleinert
Kölns neuer Oberbürgermeister Jürgen Roters ist seit 1967 SPD-Mitglied. Doch wenn es sein muß, geht der ehemalige Polizei- und Regierungspräsident auch mal über die Kölnische Rundschau in die Öffentlichkeit, die ihre Wurzeln und Leser eher in der CDU hat – vor allem wenn es darum geht, der Stadtsparkasse einen Gefallen zu tun, was sein CDU-Vorgänger Schramma ja auch gelegentlich tat, und den Gründern eines Autonomen Kulturzentrums die Meinung zu geigen. Für einen Kommentar zu seinem Gespräch mit HausbesetzerInnen, die ihn dafür im Rathaus besucht hatten, stellte ihn das christliche Blatt des DuMont-Medienkonzerns natürlich mit dem Hinweis „OB Jürgen Roters hat die richtigen Worte gefunden“ vor den Dom von Kardinal Meisner.(1)
Das Autonome Zentrum in der ehemaligen seit vielen Jahren leer stehenden KHD-Kantine an der Kalker Wiersbergstraße hat in den etwa 80 Tagen seiner Nutzung laut Mitteilung der BesetzerInnen in mehr als 180 Veranstaltungen
Roters - der Mann mit
den richtigen Worten
Foto: gesichter zei(ch/g)en
„Klare Worte“
Die den Kölner Christdemokraten nahestehende Rundschau sieht das natürlich anders. Ihr Kommentator Stefan Sommer schreibt zu dem Gespräch von Roters mit den Autonomen, die ihn dazu durch eine gewaltfreie und kurze Rathausbesetzung gezwungen hatten: „Verwaltung, Polizei und der Eigentümer, die Sparkasse Köln Bonn, haben das bislang mehr oder weniger toleriert, wohl auch, um zu einer konfliktfreien Lösung des Problems beizutragen. Dennoch kann kein Zweifel bestehen: Die Besetzung kann nicht dauerhaft geduldet werden. Gut, dass OB Jürgen Roters gestern klare Worte gefunden und die Kalker Zustände ohne Wenn und Aber als nicht hinnehmbar bezeichnet hat. Und genau so folgerichtig, dass Roters den Besetzern deutlich gemacht hat, dass kein finanzieller Spielraum dafür ist, ein Kulturprojekt in dem Haus zu unterstützen. Angesichts der desaströsen Finanzlage der Stadt, die gerade in der Kulturszene zu schmerzhaften Einschnitten zwingt, versteht sich das von selbst.“
OB Roters Treffen mit aktiven Autonomen des Kulturzentrums
Quelle: http://unsersquat.blogsport.eu/
Diesem Urteil folgt die Behauptung von KR-Kommentator Sommer in der online-Ausgabe vom 1. Juli, 22:55h, unter dem fetten Titel „Klare Worte“: „Die Besetzer räumen inzwischen selbst ein, dass sie auf dem falschen Weg sind. Da hilft wohl nur noch der Auszug.“ Woher er dieses Eingeständnis hat, schreibt er nicht. Fakt ist dagegen, dass die Autonomen selbst sich keineswegs „auf dem falschen Weg“ sehen, sondern nach dem Gespräch mit dem OB der Presse sowie ihren Unterstützern schriftlich mitteilten, obwohl „die Stadtsparkasse dieses Gebäude seit fast 10 Jahren verrotten lässt und es nun zum ersten Mal wieder sinnvoll genutzt wird“, habe OB Roters ihnen erklärt, eine Besetzung sei der falsche Weg. Sie aber fänden: „Nach 1 ½ Jahren erfolgloser Gesprächsgesuche durch die Kampagne Pyranha war die Besetzung der einzig richtige Schritt.“ Stadt und Stadtsparkasse hätten dagegen „in den letzten Jahren immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass aus illegalen Aktionen Recht werden kann. Ob Oppenheim-Esch, Verkauf der Messehallen, unzulässige Gutachten zum Ausbau des Godorfer Hafens oder das Müllverbrennungsmonster: sobald es um Millionenbeträge geht, drückt man gerne mal alle Augen zu. Doch wenn ein ungenutztes Spekulationsobjekt mit Leben gefüllt wird, ruft man nach der Polizei. Die Doppelmoral wird dabei fleißig durch Lügen gestützt: trotz anderslautender Fakten will niemand etwas von einer geplanten Räumung gewusst haben; unbewiesene und von Architekten und Statikern offiziell widerlegte „bauliche Mängel“ werden vorgeschoben; in Pressemitteilungen
werden Gelder „abgelehnt“, die nie von uns gefordert wurden.
werden Gelder „abgelehnt“, die nie von uns gefordert wurden.
Aufruf im Netz zur Solidarität wegen befürchteter Räumung
Quelle: http://unsersquat.blogsport.eu/
Zur Erinnerung: von den Besetzer_innen des „Sozialen Zentrums Pingutopia“ am Eifelwall (2004) wurde eine Zwischennutzung vorgeschlagen – doch das Gebäude wurde noch am Tag der Räumung abgerissen und lag dann 3 Jahre als Schutthalde herum. Die 200 frisch renovierten Wohnungen des Barmer Blocks wurden nach der Besetzung 2006 ebenfalls abgerissen – seitdem kann man dort „Deutschlands teuersten Parkplatz“ bewundern. Wird es mit der Wiersbergstraße genauso laufen? Ein weiteres Brachgelände in Kalk scheint Stadt und Stadtsparkasse lieber zu sein als ein kostengünstiges kulturelles Angebot im sogenannten „Problemstadtteil“.
„Nur eine Farce“
Wir sind stinksauer. Während wir seit vielen Wochen mit Entscheidungsträgern aus dem Kölner Rat und der Kalker Bezirksvertretung über eine Legalisierung des Autonomen Zentrums verhandeln, hat ein kleiner Kreis aus SPD, Stadtverwaltung und Stadtsparkasse (3) schon lange beschlossen: das AZ soll geräumt werden. Das Gespräch mit Jürgen Roters am letzten Donnerstag war unter diesen Vorzeichen nur eine Farce, die Ergebnisse standen schon lange vorher fest. Es war ein seltsames Spiel: sobald wir gute Argumente gegen die Bedenken des Oberbürgermeisters vorgebracht haben, wurde das Thema gewechselt. Damit ist für uns klar, dass OB Roters kein Autonomes Zentrum will. Sein Wahlkampfgeschwätz, ein Autonomes Zentrum sei ihm „eine Herzensangelegenheit“, ist damit endgültig als Lüge enttarnt und kann zu den zahlreichen anderen Lügen (wie war das mit der Kulturförderung?) abgelegt werden.
Dass OB Roters dabei seinen Koalitionspartner hintergeht, bedarf keines Kommentars – Dienstag morgen sollte das AZ ohne Wissen der Grünen-Fraktion geräumt werden. Nachdem wir über verschiedene Kanäle mobilisiert hatten, sagte die Polizei die Räumung noch in der Nacht zu Dienstag ab. Wir, die Nutzer_innen des Autonomen Zentrums, haben eine Stärke erreicht, die weit über militantes Gebahren hinausgeht. Das Autonome Zentrum kommt – so oder so. Wir sind weiterhin offen für Verhandlungen. Wenn es aber kein Interesse gibt, über eine Legalisierung des Gebäudes zu sprechen, bleiben wir eben illegal. Wenn das besetzte Gebäude in der Wiersbergstraße geräumt wird, besetzen wir eben ein anderes. Und wenn Herr Roters nicht versteht, warum wir das alles machen, werden wir ihn gerne immer wieder besuchen, um das zu erläutern.
Unser Dank gilt allen Menschen, die uns seit vielen Wochen ernsthaft und mit großem Engagement begleiten und unterstützen. Der Kampf um ein Autonomes Zentrum hat gerade erst begonnen. Wir sehen uns auf der Straße. Wir sehen uns im Autonomen Zentrum.“
Dass OB Roters dabei seinen Koalitionspartner hintergeht, bedarf keines Kommentars – Dienstag morgen sollte das AZ ohne Wissen der Grünen-Fraktion geräumt werden. Nachdem wir über verschiedene Kanäle mobilisiert hatten, sagte die Polizei die Räumung noch in der Nacht zu Dienstag ab. Wir, die Nutzer_innen des Autonomen Zentrums, haben eine Stärke erreicht, die weit über militantes Gebahren hinausgeht. Das Autonome Zentrum kommt – so oder so. Wir sind weiterhin offen für Verhandlungen. Wenn es aber kein Interesse gibt, über eine Legalisierung des Gebäudes zu sprechen, bleiben wir eben illegal. Wenn das besetzte Gebäude in der Wiersbergstraße geräumt wird, besetzen wir eben ein anderes. Und wenn Herr Roters nicht versteht, warum wir das alles machen, werden wir ihn gerne immer wieder besuchen, um das zu erläutern.
Unser Dank gilt allen Menschen, die uns seit vielen Wochen ernsthaft und mit großem Engagement begleiten und unterstützen. Der Kampf um ein Autonomes Zentrum hat gerade erst begonnen. Wir sehen uns auf der Straße. Wir sehen uns im Autonomen Zentrum.“
Solidarität in Kalk
Im Gegensatz zu seinem „Parteifreund“ Roters unterstützt der Kalker Bezirksbürgermeister Markus Thiele ebenso wie die LINKE und die GRÜNEN das Kulturzentrum. Thiele: Dabei müsse natürlich geprüft werden, ob dieses Zentrum in das noch ausstehende Planungskonzept für Kalk-Süd hinein passe. Verwundert zeigte sich Thiele kurz nach der Besetzung aber über Äußerungen der Sparkasse, das Gebäude sei für den Abbruch vorgesehen: „Davon war auf politischer Ebene bislang keine Rede.“
Auch der AStA der Deutzer Fachhochschule hat sich mit den Besetzern der ehemaligen Werkskantine solidarisiert und sogar sein Plenum kurzfristig in das „Autonome Zentrum“ verlegt. Die Fachhochschul-Studenten fordern die Eigentümer sowie die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung auf, schnellstmöglich eine Lösung zu finden, die „den Erhalt des neuen Zentrums als selbstverwalteten Raum für parteiunabhängige Politik und unkommerzielle Kunst und Kultur dauerhaft sicherstellt“.
Gutachten gegen Stadtsparkasse
Aufgelaufen sind die Stadtsparkasse und ihr Interessenvertreter Roters auch mit einem weiteren „Argument“ gegen das Kulturzentrum: Sie machen sich nämlich angeblich seit dessen Gründung am 16. April Sorgen um Gesundheit und Wohlergehen der Besetzer und Besucher. Begründung der Sparkasse: Man habe als Eigentümer „Sicherheitsbedenken“ wegen des „baulichen Zustandes“ des Gebäudes. Schon am Donnerstag, 22. April, wurde darauf das Gebäude in der Wiersbergstraße auf Bitten der Besetzer von einem Architekten und einem Statiker besucht. In einer ersten schriftlichen Einschätzung äußerten diese keine Bedenken bezüglich des baulichen Zustandes des Gebäudes. Im Gegenteil: Architekt Bodo Marciniak schrieb in seinem Bericht: „Dabei haben wir festgestellt, dass die vom Eigentümer behaupteten Sicherheitsbedenken, das Gebäude sei auf Grund verschiedener Schäden auf keinen Fall für eine Nutzung als Kultur- oder Veranstaltungsgebäude nutzbar, nicht in einem Fall zutreffen.” Die Stadtsparkasse kennt das Gutachten, ist aber angeblich nicht bereit, ihre mit dem Hinweis auf Gefahr für Leib und Leben begründeten Strafanzeigen gegen ihr bekannt gewordene Gründer des Autonomen Kulturzentrums zurückzuziehen. (PK)
(1) Das dpa-Foto, das wir als Beweis für die von der Rundschau-Redaktion dargestellte enge Verbindung zwischen dem Kardinal und Kölns SPD-OB in diesen Artikel gestellt hatten, mußten wir am Mittwoch aufgrund der Forderung eines dpa-Juristen durch ein eigenes ersetzen.
(2) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15342
(2) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15342
Offener Brief an OB Roters vom 4. Juli
Lieber Jürgen Roters,
als ehemaliges Mitglied und langjährige Unterstützerin des SSM bin ich mit der Geschichte der SSK-Bewegung vertraut, die zunächst begonnen hat mit "illegalen" Besetzungsaktionen. Die SSK-Gruppen sind ein sehr gutes Beispiel für ehemalige BesetzerInnen, die eben nicht den städtischen Haushalt plündern, sondern den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder eigenständig erwirtschaften sowie Suchtkranke, Behinderte u.a. integrieren, deren Unterbringung oder Alimentierung ansonsten sehr viele Kosten verursachen würde, die der Stadt hierdurch erspart bleiben.
Zum Abschluss der Sanierung Mülheim Nord wurden im Kölner Stadt-Anzeiger Paradebeispiele erfolgreicher Sanierungsprojekte vorgestellt. Angefangen von der Keupstraße, die -wenn nicht der SSM mit Besetzungen gedroht hätte- abgerissen worden wäre. Dann der Kulturbunker Mülheim, der auch nur durch Besetzung von Hallen erkämpft werden konnte oder das Projekt "Wohnen gegen den Strom" in der Holweider Straße, das mit Hilfe von Besetzungsaktionen des SSM gemeinsam mit den MieterInnen erkämpft werden konnte: ein Haus, das von den MieterInnen selbst saniert wurde und seit über 20 Jahren zu günstigsten Pachtpreisen bewohnt wird. Die Mütze in Köln-Mülheim, deren Tankstellenbesetzung legendär ist und Voraussetzung für den Erfolg des Projektes war und schließlich der SSM selbst mit seinen vier einst von Abriss bedrohten, eigensanierten Gebäuden einer ehemaligen Schnapsfabrik.
In Nachbarländern, z.B. in den Niederlanden, ist aus der Besetzungsszene nicht nur das eine oder andere Projekt entstanden, sondern beispielsweise in Utrecht und Nijmwegen ein komplettes solidarökonomisches Netzwerk (Solidair) mit hunderten von Betrieben und Projekten, einer eigenen Genossenschaftsbank usw. Die Kosten für die Politik bestanden wohl in der Hauptsache in der Überlassung von (Brach)geländen, leerstehenden Hallen und Gebäuden bzw. Baugrundstücken, die dann in Eigenarbeit bebaut wurden.
Aber dazu sind die Deutschen zu legalistisch, zu kurzsichtig oder vielleicht zu beschränkt, um Besetzer als Investoren und Unternehmer zu begreifen; und zwar in einem guten gemeinwesenökonomischen Sinne; als Menschen, die mit viel Engagement und Eigeninitiative etwas unternehmen und einen sinnvollen Beitrag für einen benachteiligten Stadtteil leisten wollen.
Lieber Jürgen Roters,
ich schreibe Ihnen, weil ich Ihnen eine gewisse geistige Flexibilität zutraue und einen Sinn für tolerante kölsche Lösungen, die keinem wehtun.
Angesichts zunehmender kommunaler Sparzwänge ist es an der Zeit, über neue Wege zur Rettung und zum Ausbau öffentlicher Infrastruktur nachzudenken. Falls rot-rot-grüne Umverteilungspläne zugunsten der Kommunen mittelfristig nicht realisiert werden können, benötigt die Kommunalpolitik eine Alternative zu marktorientierten Privatisierungs- oder destruktiven Schließungsszenarien.
Hier wären neue gemeinwohlorientierte Trägerschaften für z.B. soziokulturelle Einrichtungen, Schwimmbäder u.a. zu entwickeln. Damit dieser Vorgang nicht zu einer Entdemokratisierung der ehemals öffentlichen Infrastruktur führt, müssen solche Trägerschaften demokratisch verfasst sein und allen Menschen offen stehen. Hierzu eignen sich insbesondere Genossenschaften. Aber auch andere Lösungen sind denkbar, siehe der Verein des freien Ortskartells Dünnwald (von 1923) als Eigentümerin des Waldbades Köln-Dünnwald.
Dazu braucht es Menschen, die sich engagieren, also genau solche, wie es sie in Teilen der Sozialdemokratie und in der Genossenschaftsbewegung immer gegeben hat und wie sie im Kontext der grün-alternativen Bewegung in Aktion traten. Wir -und damit meine ich den emanzipatorisch gesinnten Teil der Gesellschaft- können doch froh sein, dass es im Jahre 2010 noch junge engagierte Leute gibt wie die BesetzerInnen der ehemaligen KHD-Kantine.
Ein autonomes Zentrum kann sehr gute Jugend- und Kulturarbeit leisten, z.B. in Form einer Sozialgenossenschaft, die ihre Haupteinnahmen über geeignete Erwerbsstandbeine erwirtschaftet. Voraussetzung hierfür sind niedrigste Betriebskosten (etwa Mieten zu 20% des ortsüblichen Mietspiegels) und ein wenig Freiraum. Es würde auch nicht schaden, wenn sich die städtische Wirtschaftsförderung mit der Unterstützung von Selbsthilfe-Genossenschaften Erwerbsloser befassen und die Stadtsparkasse hierzu z.B. nach dem Vorbild der Bochumer GLS-Bank günstige Kredite finanzieren würde.
Es müssen nicht notwendigerweise Dauerbelastungen für den städtischen Haushalt entstehen.
In einer Zeit, in der die Politik nicht viel mehr zu bieten hat als sozialstaatliche Rückzugsstrategien, müssen doch wenigstens die Menschen vor Ort die Mittel an die Hand bekommen, um ihr Leben und ihren Stadtteil zu gestalten.
Das ist im eigentlichen Sinne Subsidiarität und dafür hat Kommunalpolitik zu sorgen, wenn sie schon ansonsten nicht viel ausrichtet für benachteiligte Bevölkerung.
Möglicherweise ist dieses Thema ein inhaltlicher Baustein eines neuen rot-rot-grünen Reformprojektes, das von den Selbsthilfe-Traditionen der Arbeiterbewegung über die alternativ-ökonomische Bewegung bis hin zu den Ideen der jungen Anarchokollektivisten einen gemeinsamen Werte-Kern und neue Handlungsperspektiven eröffnet.
Lieber Jürgen Roters,
Köln ist eine Stadt, die mit den Mächtigen nicht immer respektvoll umgegangen ist und durch die Jahrhunderte hindurch ein eigenes Toleranz- und Gerechtigkeitsprofil entwickelt hat. Erzbischhofsvertreibung, despektierliche Verulkung des preußischen Militärs im Karneval, die allgemeine Legalisierung des Mundraubs durch den Kölner Kardinal Frings in der Nachkriegszeit, die Besetzungen seit den 68ern und ihre oftmals produktive Integration in die Kölner Kultur prägen das Bild der Stadt. Selbst der Katholizismus ist in seiner einheimischen Erscheinungsform oftmals progressiv und renitent, wie man an Pfarrer Meurer sieht, und etliche Kölner Kirchengemeinden, Protestanten wie Katholiken, beheimaten von Zeit zu Zeit "illegal" Menschen, die von Abschiebung bedroht sind. Ganz Köln steht auf gegen Rassismus und verhindert rechtspopulistische Kundgebungen, die vor Gericht nicht zu verhindern waren.
Ich erinnere mich auch gerne an Ihre Zeit als Kölner Polizeipräsident und Ihre persönliche Variante des Umgangs mit unerlaubten Antifa-Demos, bei denen stets das leibliche Wohl der DemonstrantInnen und PolizistInnen durch Miteinkesselung von Cafés und Kiosken berücksichtigt wurde.
Lieber Jürgen Roters,
haben Sie den Mut, auch weiterhin Ihren eigenen Stil zu pflegen und Handlungsspielräume zu nutzen. Stehen Sie zur langen Tradition erfolgreicher "Besetzungs"projekte in Köln. Gehen Sie selbstbewusst mit den Leistungen dieser Projekte um. Die Stadt wäre bedeutend ärmer ohne sie.
Sorgen Sie für den Erhalt des Autonomen Zentrums in Kalk und für das Gedeihen der sich hier entfaltenden neuen Szene und Strukturen. Bestärken Sie die Menschen vor Ort, dass es sich lohnt, Eigeninitiative zu ergreifen und für die Belange des Stadtteils einzutreten.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Emons
Angesichts zunehmender kommunaler Sparzwänge ist es an der Zeit, über neue Wege zur Rettung und zum Ausbau öffentlicher Infrastruktur nachzudenken. Falls rot-rot-grüne Umverteilungspläne zugunsten der Kommunen mittelfristig nicht realisiert werden können, benötigt die Kommunalpolitik eine Alternative zu marktorientierten Privatisierungs- oder destruktiven Schließungsszenarien.
Hier wären neue gemeinwohlorientierte Trägerschaften für z.B. soziokulturelle Einrichtungen, Schwimmbäder u.a. zu entwickeln. Damit dieser Vorgang nicht zu einer Entdemokratisierung der ehemals öffentlichen Infrastruktur führt, müssen solche Trägerschaften demokratisch verfasst sein und allen Menschen offen stehen. Hierzu eignen sich insbesondere Genossenschaften. Aber auch andere Lösungen sind denkbar, siehe der Verein des freien Ortskartells Dünnwald (von 1923) als Eigentümerin des Waldbades Köln-Dünnwald.
Dazu braucht es Menschen, die sich engagieren, also genau solche, wie es sie in Teilen der Sozialdemokratie und in der Genossenschaftsbewegung immer gegeben hat und wie sie im Kontext der grün-alternativen Bewegung in Aktion traten. Wir -und damit meine ich den emanzipatorisch gesinnten Teil der Gesellschaft- können doch froh sein, dass es im Jahre 2010 noch junge engagierte Leute gibt wie die BesetzerInnen der ehemaligen KHD-Kantine.
Ein autonomes Zentrum kann sehr gute Jugend- und Kulturarbeit leisten, z.B. in Form einer Sozialgenossenschaft, die ihre Haupteinnahmen über geeignete Erwerbsstandbeine erwirtschaftet. Voraussetzung hierfür sind niedrigste Betriebskosten (etwa Mieten zu 20% des ortsüblichen Mietspiegels) und ein wenig Freiraum. Es würde auch nicht schaden, wenn sich die städtische Wirtschaftsförderung mit der Unterstützung von Selbsthilfe-Genossenschaften Erwerbsloser befassen und die Stadtsparkasse hierzu z.B. nach dem Vorbild der Bochumer GLS-Bank günstige Kredite finanzieren würde.
Es müssen nicht notwendigerweise Dauerbelastungen für den städtischen Haushalt entstehen.
In einer Zeit, in der die Politik nicht viel mehr zu bieten hat als sozialstaatliche Rückzugsstrategien, müssen doch wenigstens die Menschen vor Ort die Mittel an die Hand bekommen, um ihr Leben und ihren Stadtteil zu gestalten.
Das ist im eigentlichen Sinne Subsidiarität und dafür hat Kommunalpolitik zu sorgen, wenn sie schon ansonsten nicht viel ausrichtet für benachteiligte Bevölkerung.
Möglicherweise ist dieses Thema ein inhaltlicher Baustein eines neuen rot-rot-grünen Reformprojektes, das von den Selbsthilfe-Traditionen der Arbeiterbewegung über die alternativ-ökonomische Bewegung bis hin zu den Ideen der jungen Anarchokollektivisten einen gemeinsamen Werte-Kern und neue Handlungsperspektiven eröffnet.
Lieber Jürgen Roters,
Köln ist eine Stadt, die mit den Mächtigen nicht immer respektvoll umgegangen ist und durch die Jahrhunderte hindurch ein eigenes Toleranz- und Gerechtigkeitsprofil entwickelt hat. Erzbischhofsvertreibung, despektierliche Verulkung des preußischen Militärs im Karneval, die allgemeine Legalisierung des Mundraubs durch den Kölner Kardinal Frings in der Nachkriegszeit, die Besetzungen seit den 68ern und ihre oftmals produktive Integration in die Kölner Kultur prägen das Bild der Stadt. Selbst der Katholizismus ist in seiner einheimischen Erscheinungsform oftmals progressiv und renitent, wie man an Pfarrer Meurer sieht, und etliche Kölner Kirchengemeinden, Protestanten wie Katholiken, beheimaten von Zeit zu Zeit "illegal" Menschen, die von Abschiebung bedroht sind. Ganz Köln steht auf gegen Rassismus und verhindert rechtspopulistische Kundgebungen, die vor Gericht nicht zu verhindern waren.
Ich erinnere mich auch gerne an Ihre Zeit als Kölner Polizeipräsident und Ihre persönliche Variante des Umgangs mit unerlaubten Antifa-Demos, bei denen stets das leibliche Wohl der DemonstrantInnen und PolizistInnen durch Miteinkesselung von Cafés und Kiosken berücksichtigt wurde.
Lieber Jürgen Roters,
haben Sie den Mut, auch weiterhin Ihren eigenen Stil zu pflegen und Handlungsspielräume zu nutzen. Stehen Sie zur langen Tradition erfolgreicher "Besetzungs"projekte in Köln. Gehen Sie selbstbewusst mit den Leistungen dieser Projekte um. Die Stadt wäre bedeutend ärmer ohne sie.
Sorgen Sie für den Erhalt des Autonomen Zentrums in Kalk und für das Gedeihen der sich hier entfaltenden neuen Szene und Strukturen. Bestärken Sie die Menschen vor Ort, dass es sich lohnt, Eigeninitiative zu ergreifen und für die Belange des Stadtteils einzutreten.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Emons
Online-Flyer Nr. 257 vom 07.07.2010
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