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Inland
Der reale Weg zu Volksentscheiden auf Bundesebene
Verfassungsrechtler geben neue Impulse
Von Marianne Grimmenstein

Eine Gruppe der Mitglieder von „Mehr Demokratie e.V.“ hat beschlossen, die Verfassungsfrage zu klären. Ist eine Grundgesetzänderung, die eine 2/3 Mehrheit im Bundestag benötigt, für die Durchführung bundesweiter Volksentscheide (= Volksabstimmungen) wirklich notwendig, wie die etablierten Parteien und ihre Anhänger es vertreten? Es wurden 100 Verfassungsrechtler, davon etwa 35 Professoren und 65 praktizierende Verfassungsrechtler, im Juni 2010 angeschrieben. Die Gruppe hat zahlreiche Antworten per E-Mail und Post erhalten, die einen großen Beitrag zur Klärung der Sachlage leisten und einen deutlichen Weg zeigen, wie eine fundierte Kampagne zur Einführung des Volksentscheids auf Bundesebene gestaltet werden könnte.


NRhZ-Archiv
 
Aus den Antworten geht ganz klar hervor, dass keine klaren Regelungen und so auch keine übereinstimmenden Meinungen hinsichtlich der Einführung bundesweiter Volksentscheide existieren: „Die Organisation und Durchführung eines Volksentscheids, also die Umsetzung dieses Verfassungsrechts ist nicht geklärt.“ (RA Jörg Schmidt-Wottrich, Berlin)
Es steht nirgends im Grundgesetz, dass Volksentscheide auf Bundesebene verboten wären und es für die Durchführung tatsächlich einer Grundgesetzänderung oder überhaupt eines Gesetzes bedarf. Rechtsanwalt Rudolf P. B. Riechwald aus München schreibt dazu: „Wie immer gibt es hier mindestens 2 klare Rechtsmeinungen, wobei nach einer Auffassung keine Grundgesetzänderung notwendig ist, sondern ein einfaches Gesetz ausreicht, d.h. der Bundesgesetzgeber könne auch für andere Fragen als die Neugliederung des Bundesgebiets Volksbefragungen und Volksentscheide einführen, sofern es sich nur um Materie handelt, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen (vgl. Stein in Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Luchterhand 1984, RdNr. 40 zu Art. 20 GG).“
 
Propaganda der etablierten Parteien
 
Die andere Meinung, dass die Regelungen für eine Volksabstimmung nur durch eine Grundgesetzänderung erfolgen können, ist durch die Propaganda der etablierten Parteien selbstverständlich mehr bekannt. In den etablierten Parteien sind die Juristen stark vertreten. Selbstverständlich konnten wir das in unserer Umfrage nicht berücksichtigen. Wir kannten die Personen nicht, die wir angeschrieben haben. Es ist auf jeden Fall bemerkenswert, dass die Professoren einheitlich die Meinung „Grundgesetzänderung“ vertreten. Die Gegenmeinungen kamen alle aus den Reihen der praktizierenden Juristen. Rechtsanwalt Dr. Thomas Gertner aus Bad Ems weist ganz offen auf die Unwahrscheinlichkeit der Grundgesetzänderung hin:
„Ich halte es jedoch für völlig unwahrscheinlich, dass sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages sowie des Bundesrates dazu bereit finden werden, die Gesetzgebungskompetenzen auf Volksbegehren zu erweitern. Beide Institutionen sowie Bundesregierung beanspruchen für sich das Monopol der Gesetzgebungszuständigkeit.“
 
Drei Vorschläge
 
Wie ich schon darauf hingewiesen habe, vertreten mehrere Verfassungsrechtler (z. B. RA Rainer Rothe aus Radolfzell, RA Jörg Schmidt-Wottrich aus Berlin, Dr. Dr. Dr. Wolfgang Pausch aus Darmstadt usw.) die Meinung, dass ein einfaches Gesetz vollkommen ausreicht. Drei Anwälte geben besonders konstruktive Vorschläge, die für eine erfolgsversprechende Kampagne außerordentlich wichtig sind.
 
Erster Vorschlag von Dr. Hans Reis aus Berlin: „Im Übrigen würde ich eine Gesetzgebung des Bundes über Volksentscheide auch nicht für sinnvoll halten, wenn nicht wenigstens drei Alternativen zur Abstimmung gestellt werden.“ Es müssten also mehrere Gesetze für die Bürger zur Auswahl angeboten werden, damit die Bürger wirklich frei entscheiden können.
 
Zweiter Vorschlag von Dr. Stephen Lampert aus München: „Ihr Anliegen, die verfassungsrechtlichen Fragen zu klären, ließe sich daher am ehesten dadurch erreichen, dass man den Weg einer Volksabstimmung gestützt auf ein entsprechendes Gesetz geht. Es würde sich dann schon zeigen, wie die Gerichte diese Fragen letztlich entscheiden. Ich kann Sie bei
Ihrem Vorhaben, die entsprechenden politischen Mehrheiten zu organisieren, daher nur bestärken.“ Das ist schon ein eindeutiger Hinweis auf die Notwendigkeit einer vom Volk organisierten Volksabstimmung.
 
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus
 
Der dritte Vorschlag kommt von Rechtsanwalt Jörg Schmidt-Wottrich aus Berlin. Er erklärt am besten die wahren Rechte des Volkes, die das Volk noch nicht richtig benutzt: „Das Volk ist oberstes Verfassungsorgan („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Die Staatsgewalt wird vom Volk und durch weitere Organe (Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung) ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 S.2 GG), die also neben dem Volk als Verfassungsorgan existieren und nicht anstelle oder für das Volk. Die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk geschieht in Wahlen und Abstimmungen. Die weiteren Organe erlassen Gesetze (Parlamente) und überprüfen (Gerichte) deren rechtmäßigen Vollzug (Verwaltung). Also etwas platt ausgedrückt: das Volk wählt und stimmt ab, die anderen Organe machen die Detailarbeit.
 
Nicht an der Nase herumführen lassen!
 
Aus der Arbeitsteilung, die das GG für das Volk als oberstem Souverän vorgesehen hat, ist leider weitgehend eine Abstimmungsmasse“ geworden, die alle vier Jahre mit Wahlversprechen an die Abstimmungsurnen gelockt wird, um ihre Unmündigkeit an einen Parteienvertreter zu delegieren. Das Grundgesetz verbietet keine Volksentscheide und es ist auch kein Gesetz erforderlich, das derartige Referenden regelt, denn Art. 20 Abs. 2 GG steht unter keinem Gesetzesvorbehalt. Das Volk hat hier bereits uneingeschränkte Kompetenz. Es muss sie nur ausüben und sich nicht an der Nase herumführen lassen.“
 
Fazit:
 
Vor allem die Auswertung der Antworten der praktizierenden Juristen im
Zusammenhang mit Art. 20 Abs. 2 GG lassen den Schluss zu, dass Volksentscheide auf Bundesebene ab sofort möglich sein sollten. Damit sind alle wichtigen verfassungsrechtlichen Fragen hinsichtlich der Einführung des bundesweiten Volksentscheids geklärt. Die Weichen für eine neue fundierte und effiziente Kampagnenstrategie sind gestellt. Wir müssen nur miteinander kooperieren und uns richtig organisieren, wenn wir etwas erreichen wollen. Wer an der Ausarbeitung einer ganz neuen fundierten Kampagnenstrategie gestützt auf die Vorschläge der Verfassungsrechtler bereit wäre, mitzuwirken, ist herzlich willkommen und sollte mich kontaktieren:
Marianne Grimmenstein
EMail: loesungsideen@web.de,
 Tel. (02351) 27573


Marianne Grimmenstein ist Musiklehrerin und seit etwa 15 Jahren Mitglied in dem gemeinnützigen Verein „Mehr Demokratie“, dessen Mitteilungen die NRhZ schon seit Jahren gelegentlich veröffentlicht. Außerdem ist sie aktiv in dem bundesweiten Netzwerk www.jetz-helfen-wir-uns-selbst.de, wo neue Lösungskonzepte für die Sachprobleme der Gesellschaft ausgearbeitet werden, eine der Hauptinitiatoren des Internetparlaments www.iparlament.de und hat 2008 das Buch „Quo Vadis Deutschland? – Was sich ändern muss“ im STENO-Verlag herausgegeben. (PK)


Online-Flyer Nr. 257  vom 07.07.2010

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