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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Inland
Die allgemeine Erweiterung des Diskursraums
Was man wieder sagen darf
Von Dr. Maryam Dagmar Schatz

In Österreich ist Wahlkampf und das, was der FPÖ dazu einfällt, ist seit einiger Zeit dort heftiger Diskussionen. Der aktuelle Tiefpunkt wurde mit einem Moorhuhn-artigen Spiel erreicht, bei dem man Muezzine abschießen kann, sobald sie „Allahu akbar rufen“. Dies folgt dem Schweizer Beispiel – dort wurde zum letzten Wahlkampf durch die SVP ein ebensolches Spiel (1) aufgelegt. Jetzt wurde in der Schweiz ein weiterer Versuchsballon gestartet: eine Volksinitiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe – da kommt noch Einiges auf uns zu. Der Diskursraum wird erweitert, man „darf“ immer mehr sagen.
Aber erstmal schießen wir Musels: Muezzine von Minaretten. Zunächst noch virtuell. Hinter diesem Spiel steckt ein alter Bekannter. Steckte er auch hinter der Schweizer Todesstrafen-Kampagne – ich wäre nicht überrascht.


 
Youtube-Video
 
Ganz Europa von Parasiten befallen?
 
In Österreich ist Wahlkampf und der treibt seltsame Blüten. Oder doch nicht, denn er fügt sich ja nahtlos, in die allgemeine Pogromstimmung ein – das Blog „Spreeblick“ hat hier ein wahrhaft erschreckendes Panoptikum zusammengestellt, das zu lesen sich lohnt (2). Und der Rassismus geht keinesfalls nur gegen MuslimInnen: das „Parasiten“-Label, nachdem „sie“ auf „unsere“ Kosten leben, wird mittlerweile den Sinti und Roma, den ImmigrantInnen aus Afrika und dem Maghreb und ganz Griechenland aufgeklebt. Das Land ist, wie der WDR (3) titelte, „zum Abschuss freigegeben“, und das sahen vielzitierte Wirtschaftsweise (4) genau wie ein notorisches, im Rheinischen geistig, in der Türkei providermässig und in den USA servermäßig beheimatetes Rassistenblog. Was einer schwedischen, rechtsextremen Partei dazu eingefallen ist, sieht man im obigen Video: die „Burkafrauen“ mit ihrem „Geburtenjihad“ gefährden die wohlverdienten Renten der „Autochthonen“.
 


Anschwellender Bocksgesang: Man muß nicht Muslim sein, um als Parasit zu gelten | Quelle: FPÖ-BILD-Welt
 
Die Freiheitskämpfer-Klartext-Pose
 
Wie schon Alan Posener in seinem legendären „Bullshit“-Clip vom 13. Oktober des letzten Jahres – ein absolutes must-see (5) – schon sehr richtig bemerkte, stilisiert sich jeder Rassist und jeder Rassist heute als Verkünder von Wahrheiten, der „bald nicht mehr sagen darf“. Im Falle des obigen Videos sogar zu innerskandinavischen Irritationen: die drei dänischen Regierungsparteien wollten, da seine Ausstrahlung in Schweden abgelehnt wurde, gar „Wahlbeobachter“ zur nächsten Schweden-Wahl schicken.(6) Und auch Herr Sarazzin wird als „mutig“, „Tabubrecher“ etc. gerühmt.
 
Robert Misik schreibt über den allgegenwärtigen Sarazzin-Hype (7), den das Magazin „Stern“ auf seiner Internet-Seite ebenfalls zutreffend beschreibt (8). Zunächst Misik: „Skandalös sind aber weniger seine Thesen. Viel skandalöser ist die Aufnahme, die sie erfahren. Wieso muss so ein Machwerk über Spiegel und Bild verbreitet und in Talk-Shows wie Beckmann oder "Hart aber fair" popularisiert werden? Wieso erfährt ein derart krauser Kopf die Ehre, auf zwei Zeit-Seiten interviewt zu werden?... Natürlich weil die Blattmacher wissen, dass es einen gesellschaftlichen Echo-Raum für die kalte Menschenfeindlichkeit gibt, die Sarrazin zum Ausdruck bringt. Weil es Milieus gibt, in denen dieser Rassismus blüht. Weil die Wortführer dieser Milieus, die sich immerzu überall äußern, der schrägen Auffassung anhängen, sie würden von der "Political Correctness" verfolgt. Deshalb schmücken sie sich mit dem Attribut, sie würden "unterdrückte" Meinungen äußern, und behaupten, dass es Mut bräuchte, "Klartext" zu reden. Als gäbe es in unserer Gesellschaft irgendeine Dummheit, die ungedruckt bliebe oder nicht via Trash-Shows ins letzte Wohnzimmer gesendet würde.“
 
Nun der „Stern“: „Ob Eva Herman oder Thilo Sarrazin - regelmäßig tobt eine Skandaldebatte durch die Republik. Das Muster: Ein ‚Tabubrecher‘ spricht ‚unterdrückte Wahrheiten‘ aus und radikalisiert sich zunehmend.“ Ich denke, niemandem ist bekannt, dass auch dieser Topos, „…man darf ja nicht alles sagen…“ so neu nicht ist. Schon 1922 veröffentlichte Henry Ford sein Pamphlet „der internationale Jude“ ausdrücklich mit dem Anspruch, die „Zensur“ zu durchbrechen, dass man in zu kritisierenden Zusammenhängen Juden nicht einmal beim Namen nennen dürfe, damit nicht offenbar würde, wo sie überall ihre Finger drin hätten. Das spiegelt sich heute in der Behauptung, man dürfe z.B. bei Berichten über Kriminalität die Herkunft der Täter nicht nennen, damit nicht offenbar würde, dass die Mehrzahl von ihnen „mohammedanische“ Migranten sei. Die BILD-Zeitung vom 4. September greift das Thema auf drei Seiten wieder auf. „Vergleichen bedeutet nicht, gleichsetzen…“ , deswegen hier ein Ausschnitt aus dem antisemitischen Pamphlet des Henry Ford und die Titelgrafik der BILD-Zeitun. Dass Ford auch „beweist“, dass „die Juden“ per se integrationsunfähig seien, sei nur am Rande erwähnt.

 
Nicht gleichsetzen, aber vergleichen…
Quelle: „Der internationale Jude“, 1922/BILD v. 04. September 2010
 
Ratten rechts, Ratten links
 
Und oft sind es Leute, die als „links“ apostrophiert wurden, die diesen Echo-Raum bilden, oder erst eröffnen. Oriana Fallaci führte als erste das Ratten-Bild aus der Eingangssequenz des „Ewigen Juden“ an. In diesem Film sieht man in den ersten 15-20 Minuten, wie sich – anhand sich über Landkarten ausbreitender, recht deckungsgleicher Pfeile – Juden und Ratten gleichermaßen von Asien über die Welt ausbreiten. Ratten und Juden sind gleichermaßen Parasiten: „Die Juden sind ein Volk ohne Bauern, ohne Arbeiter, ein Volk von Parasiten…“ (12‘43‘‘)…Ratten stellen das heimtückische, unterirdische Element der Zerstörung dar – nichts anderes, als die Juden unter den Menschen. (18’18).“
Auch Oriana Fallaci stilisierte sich als mutige Tabubrecherin, als sie schrieb (die Kraft der Vernunft, S. 57): „…Tatsache, dass der Koran in einer Frau vor allem einen Bauch zum Gebären sieht.
Man riskiert den bürgerlichen Tod, wenn man dieses Thema anschneidet. Im unterjochten Europa ist das Thema der islamischen Fruchtbarkeit ein Tabu, an das niemand zu rühren wagt. Wenn du es versuchst, landest du geradewegs wegen Rassismus-Fremdenfeindlichkeit- Blasphemie vor Gericht. Nicht zufällig gehörte zu den Anklagepunkten des Prozesses, der mir in Paris gemacht wurde, ein brutaler Satz – das gebe ich zu – , mit dem ich mich ins Französische übersetzt hatte. „Ils se multiplient comme les rats.“ – „Sie vermehren sich wie die Ratten.“ Cicero, die Bildzeitung der Neocons und -liberalen, hat das heute noch online (9).
Neu ist das alles nicht. So liest man in einer Broschüre „SS-Rassenkunde und Richtlinien zur Gattenwahl (10)“, die für alle SS-Männer Pflichtlektüre war: „Die Fruchtbarkeit der Erbtüchtigen ist geringer als die der Minderbefähigten. Die ständig ungleiche Vermehrung der Begabten und Minderbegabten führt aber zu einer Verringerung der hervorragenden Erbanlagen im Volke und bedeutet zwangsläufig sein rassisches und damit kulturelles Absinken.“
 
 „Ils se multiplient comme les rats.“ – „Sie vermehren sich wie die Ratten.“ Oriana Fallaci | Quelle: Screenshot „der ewige Jude“ (18‘15‘‘)
 
Reconquista reloaded – die Reinheit des Blutes
 
In Österreich macht zur Zeit ein Plakat anlässlich der Neuwahl die Runde, dass die Reinheit des Blutes abfeiert: „Nur Mut für unser ‚Wiener Blut‘, zuviel Fremdes tut niemandem gut.“ Was lesen wir in den o.a. „Richtlinien“? „Dein Blut, Dein höchstes Gut!“ Blut, Mut und Gut. Reimte sich damals und reimt sich heute. Dass die „Reinheit des Blutes“ (limpieza de sangre) schon mal – gut katholisch! – vor dem Erstarken nationalistischer Ideen und einer ausformulierten Rassenlehre ausschloss und gemeinsam mit der Religion für Juden und Muslime zum unveränderlichen Schicksal wurde, sei nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt: Nach der Reconquista 1492 (11) wurden Juden und Muslime entweder vertrieben oder zwangskonvertiert. Den Zwangskonvertierten und ihren Abkömmlingen, Marranos (12) genannt, sofern sie jüdischer Herkunft waren, Moriscos (13), nahm man – in vielen Fällen zu Recht – die aufrichtige Bekehrung zum Christentum nicht ab.
 
Die Inquisition machte Jagd auf sie, wurden sie als Krypto-Juden bzw. Krypto-Muslime enttarnt, verfielen der Inquisition und wurden, falls ihre „Schuld“ bewiesen war, in einem Autodafé (14)(actus fidei, Glaubenshandlung) verbrannt. Mit Ausnahme der Basken, die als nicht durch arabische oder jüdische Gene infiziert galten, wurde deswegen von allen Spaniern, die in Ritterorden, Zünfte, Priesterseminare oder das Militär eintraten, der Nachweis einer ungetrübt christlichen Genealogie gefordert. Offiziere durften keine Frau heiraten, die diesen Nachweis – der gelegentlich auch gegen Geld zu kaufen war - nicht erbringen konnte. Kein Priester durfte in Spanien bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts in einer Kathedrale eine Messe lesen, sofern er ein Xueta war, ein Nachfahre einer zwangskonvertierten Judenfamilie der Insel Mallorca, und noch 2001 gaben in einer Umfrage 30 Prozent an, keinen Xueta heiraten zu wollen und 5 prozent, mit einem Xueta keine Freundschaft eingehen zu wollen. (15) Wie man sieht, ist die „Reinheit des Blutes“ auch ein zutiefst katholisches Motiv – womit die Überleitung zum zweiten großen Kernland der Habsburger geschafft wäre – Österreich.



Zwei Traditionslinien – die „Wiener Blut“-Kampagne der FPÖ
Quelle: Histoiredesjuifs.com/stol.it/Internet/Helge Fahrnberger
 
Dort stellt sich jetzt HC Strache zur Wiener Bürgermeisterwahl mit einem eindeutigen Wahlplakat. Der Blogger Helge Fahrnberger (16) fotografierte das Plakat, stellte es in Facebook und löste damit eine breite Diskussion aus (17). Strache versteht natürlich überhaupt nichts und nennt die Kritik eine „links-linke Perversion“(18).
 
Das Ballerspiel und sein Schöpfer
 
Der Gipfel der Perversion ist aktuell ein Moorhuhn-Artiges Ballerspiel, mit dem die FPÖ-Steiermark ihren Wahlkampf würzte. Untermalt mit der Schrammelmusik eines gemütlichen Hüttenabends in den Bergen, schaute man auf ein Alpenpanorama mit Sonnenuntergang. Plötzlich schossen raketengleich Minarette aus dem Boden, die Muezzine riefen „Allahu akbar“ und – Schuß!Anschließend erfuhr man seine Punktzahl und durfte an einer Abstimmung teilnehmen: über Gesetzestreue, Minarette und Burkas. In ganz Österreich (19)und im Ausland (20)schlug das hohe Wellen, bis hin zu Bundespräsident Fischer (21)und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon(22). So hat z.B. der „Stern“ ausführlich berichtet (23).
 
Mittlerweile hat, nachdem die österreichischen Grünen Anzeige wegen Volksverhetzung (24) gestellt haben, die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen und Antrag auf Aufhebung der Immunität des Steirischen FPÖ-Spitzenkandidaten, Gerhard Kurzmann gestellt. Inzwischen ist das Spiel von der Seite der steirischen FPÖ verschwunden und es wird selbstverständlich wieder gegreint, dass dies „Zensur“ sei (25). Wer war nun weiterspielen will, dem kann geholfen werden: eine bekannte österreichische Neonazi-Seite, alpen-donau.info, hat das Spiel wieder online gestellt (26) (27) Der „Spitzen“kandidat Gerhard Kurzmann erregte zuletzt im Juli diesen Jahres Aufsehen, als er gegenüber dem „Standard“ bestätigte, Mitglied der rechtsextremen Kameradschaft K IV zu sein. Über die K IV schreibt das „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes“, DÖW: „Die Kameradschaft IV (K IV) ist eine […] rechtsextreme Veteranenorganisation ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS. Die K IV versucht die Waffen-SS, die vom Nürnberger Gerichtshof als Teil der SS zu einer verbrecherischen Organisation erklärt wurde, als vierten Wehrmachtsteil und damit als unbedenklich hinzustellen und leitet ihren Namen daraus ab.“ Was Kurzmann jedoch etwas anders sieht: „Weil die Leute, die ich dort kennengelernt habe, anständige Leute sind. Sie haben als Soldaten in einer sehr schwierigen Zeit ihre Pflicht erfüllt und es nicht verdient, ständig angeschüttet oder vernadert zu werden.“(28)(29)

 Wie die FPÖ den Schutz der Menschenrechte diffamiert: die alte, rechte Leier von der Zensur | Quelle: Screenshot FPÖ-Steiermark
 
Wen das Spiel an die Schweizer Anti-Minarett-Kampagne erinnert, der erinnert sich richtig: es „lief“ zunächst erfolgreich in der Schweizer Anti-Minarett-Kampagne (30); geschaffen wurde das Spiel von dem, der auch die gesamten Kampagnenplakate, mit denen die Schweizerische SVP/UDP in den letzten Jahren die Negativschlagzeilen holte (31). Aber auch Nachahmer, zum Beispiel bei der hessischen NPD (32). Das „Moschee-Spiel“ wurde von dem Werbeunternehmer Alexander Segert an die FPÖ verkauft, die allerdings bestreitet davon überhaupt eine Kopie zu haben. Zwischenzeitlich wurde die Neonazi-Seite von der Türkei aus gehackt. Der Salzburger Verfassungsschutz ermittelt. Dies berichtet der „Standard“ am 6. September. (33)
 
Über Segert wird – offensichtlich seit dem 10. März diesen Jahres ohne jegliche Beanstandung – von der SPÖ Hohenems (34)(35) berichtet, dass er sich in einem Interview als Mitglied der mittlerweile aufgelösten „Vereinigung VPM, (Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis), laut Rechtsextremismus-Experten eine rechte Psycho-Sekte“ bekannt habe, die SPÖ Hohenems verlinkt auf einen inhaltsgleichen Artikel (36) des Standard, der seit dem 24. August 2009 im Netz steht. Vorsorglich erkläre ich, dass ich mich von den möglicherweise rechtsrelevanten Inhalten der weiteren Artikeln der „Emserchronik“, die in dem SPÖ-Artikel verlinkt sind, distanziere.

Das Duisburger „Institut für Sprach- und Sozialforschung (37) führte schon 1997 die VPM unter die „Politisierenden Psychosekten von rechts“ auf und schrieb: „Während die Sekte in ihrer Anfangszeit selbst eher im linken Milieu zu verorten war und sich antiklerikal gebärdete, vollzog sie … eine schroffe politische Neuorientierung. Verbreitet werden jetzt Heilslehren vom besseren Leben, Sauberkeit und Ordnung sowie ein elitäres Menschenbild. Vertreten wird von den Kämpfern wider alles Linke eine restriktive Drogen- und AIDS-Politik. Geführt wird ein fanatischer Kampf gegen angeblich linksextremistisch unterwanderte Kirchen, Medien, Schulen und andere gesellschaftliche Institutionen. Kritik an ihren Praktiken vergleichen die VPM-Jünger - ebenso wie die Scientologen - mit der Diffamierung der Juden, durch die der Holocaust vorbereitet wurde. Kritiker werden von dem Verein aufs schärfste verfolgt.
 
Vereinsmitglieder und Sympathisanten können sich regelmäßig einer Schulung unterziehen. So fand im September 1996 bereits zum 4. Mal der alljährlich abgehaltene Kongress ‚Mut zur Ethik‘ statt. Getagt wurde zum Thema: ‚Aufgaben der Gesellschaft zur Sicherung der Demokratie‘. Angereist zur Tagung war auch Dieter Stein, Chefredakteur der vom nordrhein-westfälischen Innenministerium als rechtsextremistisch eingestuften Wochenzeitung ‚Junge Freiheit‘ (JF). Als Veranstalter des Kongresses trat offiziell eine ‚Europäische Arbeitsgemeinschaft Mut zur Ethik' in Erscheinung. Deren Sitz befindet sich im schweizerischen Zürich und ist identisch mit der dortigen VPM-Anschrift. Für Veranstaltungen der "Europäischen Arbeitsgemeinschaft 'Mut zur Ethik'" wird regelmäßig in ultrarechten bzw. rechtsklerikalen Blättern wie ‚Criticon‘, ‚Das Ostpreußenblatt‘, ‚Kirche heute‘, ‚Deutschland Magazin‘, ‚Transparenz der Medien‘ (Herausgeber: ‚Bürger fragen Journalisten e.V.‘), den Informationen des ‚Arbeitskreises christlicher Publizisten‘ und der Tageszeitung FAZ per Anzeige geworben bzw. berichtet. Unterstützt wurden VPM-Kongresse auch schon durch das unionsnahe ‚Studienzentrum Weikersheim‘(SZW), eine deutschnationale Kaderschmiede. Regelmäßige Werbung für VPM-Veranstaltungen findet sich in der ‚Zeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung‘ mit dem unverfänglich klingenden Titel ‚Zeit-Fragen‘...“
 
Man sehe mir das lange Zitat nach – dringend lesenswert ist der gesamte Abschnitt. Da der Text ja schon seit 1997 auf dem Markt ist, bin ich sehr zuversichtlich, dass er nichts Justiziables enthält. „Zeit-Fragen“ organisiert die Kongresse „Mut zur Ethik“ weiter, und ist nach Autoren- und Themenspektrum heute aus meiner Sicht bestenfalls ein Querfront-Projekt. Unter den Mitgliedern der „Europäischen Arbeitsgemeinschaft „Mut zur Ethik“ finden sich Abtreibungsgegner (z.B.: Plattform Ärzte für das Leben), „Souveränisten“ (Les Etats-généraux de la Souveraineté nationale), Christenfundis (Pro Vita Bewegung für Menschenrecht auf Leben, Neuer Rütlibund ) (38), was zusammen mit immer noch als links wahrgenommenen Autoren wie – jüngste Veröffentlichung in Klammern) Volker Bräutigam (17/2010), Rolf Gössner (28/2010), Jochen Scholz (27/2010), Jürgen Elsässer (27/2010), sowie rechten Autoren, die auch links-offene Themen bedienen, wie Karl-Albrecht-Schachtschneider (26/2010), gestandene Rechte wie Wjatscheslaw Daschitschew,(39)(18/2010), Vorzeige-Autoren wie Joseph Stiglitz (21/2010), Edward Said (19/2010), Peter Scholl-Latour (3/2010) eine schwer verdauliche Mischung. Einer der immer wieder hochgehaltenen Begriffe ist der der „Direkten Demokratie“.
 
„Direkte Demokratie“ vs. Grundrechte und Sozialisten
 
„Direkte Demokratie“ – gepriesen wird hier meistens das Schweizer Modell – kann jedoch niemals heißen, dass über Grundrechte abgestimmt werden kann. Bekanntermaßen hat die Schweiz bereits zweimal das Grundrecht auf freie Religionsausübung zur Abstimmung gestellt, wobei die nachträglich nachgeschobenen Interpretationsversuche, worum es denn „eigentlich“ gegangen sei, an Inhalt und Ergebnis nichts ändern. Die 1993er Abstimmung gegen das Schächten war ausdrücklich antisemitisch konnotiert, und dass­ als Endergebnis der Minarettabstimmung liberale islamische Positionen zugunsten fundamentalistischer geschwächt wurden, habe ich schon andernorts (40) dargelegt.

Der ultimative Versuchsballon wurde jetzt gestartet: eine Volksinitiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Es wurden bereits Unterschriften gesammelt, und wir erfahren (41): „Die Bundeskanzlei hat bei der Vorprüfung der Initiative keine formalen Hindernisse identifiziert, wie aus der am Dienstag im Bundesblatt veröffentlichten Bekanntmachung zur Vorprüfung hervorgeht. Damit kann das Komitee sofort mit der Unterschriftensammlung starten. Der Inhalt der Initiative wird erst nach dem Zustandekommen geprüft. Den Entscheid über die Gültigkeit des Volksbegehrens trifft das Parlament.“ War es nicht dieses „formal alles in Ordnung“, das saturierte „Nicht-Denken“, das Hannah Arendt als einen Aspekt der „Banalität des Bösen“ benannte? Niemand scheint sich die Frage zu stellen, was man eigentlich zum Plebiszit vorlegen darf und was nicht. Grundrechte sind aus meiner Sicht nicht abstimmbar, weder das Recht auf freie Religionsausübung, noch das Recht auf Leben. Das Menschenrecht, anderen die Menschenrechte zu beschneiden, gibt es nicht. Und es ist bemerkenswert, dass „Zeitfragen“ meint, das gegen „die Sozialisten“ tun zu müssen (42).
 
Zusammenfassung
 
Der Diskursraum, das, was man „wieder sagen darf“, wurde inzwischen erheblich erweitert. Doch das nicht erst seit Sarrazins neuem Buch. Als Sarrazin mit seinen unsäglichen Heizungs- und Diätvorschlägen für Hartz-4-EmpfängerInnen kam, erhob sich nicht gerade ein Sturm der Entrüstung und sein Posten als Finanzsenator einer rot-roten Koalition wankte nicht. Heinsohns Philippika gegen die reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung (43) trieb nur wenige Linke und keine Feministin an ihr Laptop. Gelegentlich wird er sogar in linken Kreisen wegen seiner Aktivitäten bei der Alternativwährung „Rheingold“ geschätzt und im Kommentarbereich verteidigt (44). Auch das Engagement gegen die Verfolgung von Sinti und Roma war eher lahm und die neun Thesen der BILDZeitung sind - auch in ihrer verkürzten Form - nach links anschlussfähig.

Wenn ich mir ansehe, was sich auf facebook an Antisemitismus tut, denke ich auch, dass nicht wenige dem „Judengen“ zustimmen und wissen, was „die“ mit ihren angeblich „15 Prozent mehr Intelligenz“ machen. 18 Prozent der Befragten einer von „Bild am Sonntag“ durchgeführten Umfrage würden eine Partei wählen, deren Chef Thilo Sarrazin hieße – wie unter anderem N24 (45) berichtet, erhielte er den meisten Zuspruch von Wählern der Linkspartei – worüber die „Junge Welt“ in ihrer ansonsten sehr guten Berichterstattung (46) eisern schweigt. Man muss sich der Tatsache stellen, dass die ganzen menschenfeindlichen Diskurse mittlerweile bis weit hinein ins sich links verstehende Lager zu finden sind. Auch bei „Feministinnen“, die wacker den Red Cell-Spin abarbeiten (47) oder gar zur Durchsetzung ihrer – oft klientelistischen – Forderungen gleich bei der Rechten andocken. Dieser Aufsatz (48) von Birgit Rommelspacher sei hier mit Nachdruck empfohlen.
 
Eine Debatte innerhalb aller linken und fortschrittlichen Kräfte ist dringend erforderlich. Und wir „dürfen“ dann sagen, mit wem was geht und mit wem nicht. Wir müssen es sogar. Dringend! (HDH)
 
 
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(1) http://swiss-lupe.blogspot.com/2007/09/svp-game-grne-berfahren-auslnder.html
(2) http://www.spreeblick.com/2010/08/23/wohin-europa/
(3) http://www.wdr5.de/sendungen/toene-texte-bilder/s/d/01.05.2010-15.05/b/griechenlandkrise.html
(4) http://www.bild.de/BILD/politik/wirtschaft/2010/04/24/hans-werner-sinn-warnt-vor-griechenland-hilfen/wir-sehen-unser-geld-nicht-wieder.html
(5) http://www.welt.de/videos/debatte/article4835598/Sarrazins-Rassismus-bleibt-Bullshit.html
(6) http://german.irib.ir/radioislam/aktuell/item/145895-schweden-wahlspot-sorgt-für-aufregung-bei-dänen
(7) http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/sarrazynismus/
(8) http://www.stern.de/kultur/buecher/parallelen-zwischen-sarrazin-und-herman-die-eitle-geste-der-tabubrecher-1599277.html
(9) http://www.cicero.de/97.php?item=334&ress_id=1
(10) Aus rechtlichen Gründen wird hier kein Link gesetzt
(11) http://en.wikipedia.org/wiki/Limpieza_de_sangre
(12) http://de.wikipedia.org/wiki/Marranen
(13) http://en.wikipedia.org/wiki/Morisco
(14) http://de.wikipedia.org/wiki/Autodafé
(15) http://de.wikipedia.org/wiki/Xueta
(16) http://www.helge.at/2010/08/reines-wiener-blut/
(17)
http://derstandard.at/1281829236346/Blog-Wiener-Wahlnotizen-Strache-will-das-Wiener-Blut-schuetzen?_blogGroup=1
(18) http://kurier.at/nachrichten/wien/2024295.php
(19) http://derstandard.at/1282978721489/Einserkastl-RAU-Muslime-abknallen
(20) http://english.aljazeera.net/news/europe/2010/09/201092112448282972.html
(21) http://derstandard.at/1282978939280/Fischer-Anti-Minarettspiel-eine-wirkliche-Geschmacklosigkeit
(22) http://kurier.at/nachrichten/2029173.php
(23) http://www.stern.de/politik/ausland/abschiessspiel-der-fpoe-onlinekanonen-fuer-spatzenhirne-1600108.html
(24) http://www.gruene.at/skandale/artikel/lesen/64641/
(25) http://www.stmk-wahl.at/zensur_startseite.php
(26) http://derstandard.at/1282978952502/Moschee-baba-Neonazi-Homepage-stellt-umstrittenes-FPOe-Spiel-erneut-online
(27) http://derstandard.at/1282978957343/Moschee-baba-Verbotenes-FPOe-Spiel-auf-illegaler-Neonazi-Homepage-wieder-online
(28) http://www.stopptdierechten.at/2010/07/02/der-fpo-kamerad-kurzmann-alpen-donauinfo-und-die-wehrsportler/#more-357
(29) http://derstandard.at/1277336848470/STANDARD-Interview-Die-Familie-ist-blitzartig-abzuschieben
(30) http://derstandard.at/1254311736265/Schweiz-Anti-Minarett-Initiative-als-Online-Spiel
(31) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,507481,00.html
(32) http://www.persoenlich.com/news/show_news.cfm?newsid=70783
(33) http://derstandard.at/1282979051637/Neonazi-Seite-nimmt-FPOe-Spiel-wieder-vom-Netz
(34) http://www.emserchronik.at/Einzelansicht.44+M5a347403bc4.0.html
(35) http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/VPM.htm
(36) http://derstandard.at/1250691147402/Kopf-des-Tages-Rattenwerber-fuer-FPOe-Vorarlberg
(37) http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Artikel/Politisierende_Psycho-Sekten.htm
(38) http://www.mut-zur-ethik.ch/mze_mitg.htm
(39) http://de.indymedia.org/2007/11/200499.shtml
(40) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14551
(41) http://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/Sammelstart-von-Initiative-fuer-Wiedereinfuehrung-der-Todesstrafe/story/16704924
(42) http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2010/nr2-vom-1112010/demontage-versuch-der-direkten-demokratie-durch-sozialisten/
(43) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15025
(44) http://rheingoldblog.wordpress.com/2010/01/07/der-rheingolder-gunnar-heinsohn-in-der-zeitschrift-cicero/
(45) http://www.n24.de/news/newsitem_6309422.html
(46) http://www.jungewelt.de/2010/09-06/042.php
(47) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15540
(48) http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/ungebrochene-selbstidealisierung/
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


Online-Flyer Nr. 266  vom 08.09.2010

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