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Aktueller Online-Flyer vom 20. Dezember 2024  

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Inland
Ausstellung über Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 darf stattfinden
Freiburgs grüner OB gerichtlich abgewatscht
Von Peter Adolphs

Freiburgs grüner OB Dr. Dieter Salomon hat vor ein paar Tagen die vom 12. bis 27. November angekündigte Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ in der Stadtbibliothek abgesagt. Seine öffentliche Erklärung über die Gründe entlarvt ein Symptom: Einseitigkeit zugunsten einer zionistischen Politik wird zur Neutralität erklärt. Nun aber hat das Verwaltungsgericht beschlossen, dass die Ausstellung doch stattfinden kann.

Nach der Logik des OB gehört der einseitige Israelkongress kürzlich in Frankfurt eben zu besagter Neutralität und soll wohl zur Normalität werden. Wenn nicht das Völkerrecht, sondern eine diffuse Israelsolidarität der Maßstab für "die Neutralität" ist, dann ist das Schicksal der Palästinenser per se schon antisemitisch.
 

Opfer der Vertreibung 1948
Quelle: http://palestine.91.free.fr/nakba33
Oberbürgermeister Dieter Salomons begründete die Absage der Ausstellung im ersten Satz der hier ebenfalls wörtlich zitierten Presseerklärung seiner Stadt so: „Einseitige Schuldzuweisungen und Freund-Feind-Schemata fördern nicht die Einsicht in die komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten und tragen nicht zu einer Verständigung und friedlichen Entwicklung in dieser Region bei.“ Weiter heißt es in der Presseerklärung: „Die Stadtbibliothek Freiburg hatte geplant, vom 12. bis 27. November die Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ in ihren Räumen zu zeigen. Die Ausstellung wurde vom Verein „Flüchtlingskinder im Libanon e.V.“ erstellt und für Freiburg von Seiten des Vereins Café Palestine veranstaltet. Auf insgesamt 14 Tafeln stellt die Wanderausstellung die Nahostgeschichte seit den ersten jüdischen Einwanderungen über die Staatsgründung Israels, die Flucht der Palästinenser bis zur Situation der Flüchtlinge heute dar.
 

OB Salomon: „Einseitige
Schuldzuweisungen“
Quelle: http://de.academic.ru/
Seit dem Jahr 2008 wurde sie in mehreren Dutzend Städten vor allem in evangelischen Kirchengemeinden gezeigt. Nach kritischer Durchsicht der Ausstellungstafeln durch mehrere Stellen in der Stadtverwaltung ist deutlich geworden, dass die Ausstellung trotz vieler zutreffender Aussagen die Gesamtsituation zu einseitig darstellt. Oberbürgermeister Dieter Salomon
hat daher die Ausstellung in den Räumen der Stadtbibliothek abgesagt. Die Stadtverwaltung bedauert allerdings, dass die Sichtung der Tafeln erst nach Zusage einer Ausstellung erfolgte. Inhaltlich lastet die Ausstellung die Alleinverantwortung für die Vertreibung der Palästinenser den Israelis an.
 
Die palästinensischen Araber als verantwortlich und aktiv Handelnde in diesem Konflikt kommen in der Präsentation nicht vor. Keine Rede ist beispielsweise von den antisemitisch motivierten arabischen Pogromen, die bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts und vor allem nach 1945 in den jüdischen Siedlungsgebieten des arabischen Raumes stattfanden. Diese andere “Nakba” (deutsch: Katastrophe) bedeutete Flucht und Vertreibung für Hunderttausende arabischer Juden, die ihre Heimat verlassen mussten und in Israel aufgenommen wurden.


Gehörten zu den Gründern Israels: Zionistenführer Chaim Weizmann und Amandus Kupfer | Quelle: http://4.bp.blogspot.com/
 
Unerwähnt bleibt auch die Tatsache, dass Hitlerdeutschland die Gründung des Staates Israel verhindern wollte und dabei mit den palästinensischen Arabern, allen voran mit dem geistigen und politischen Führer und Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, aufs engste kooperierte und sowohl ideologisch wie materiell unterstützte. Und keine Rede ist davon, dass die arabischen Anrainerstaaten die Palästinenser zur Evakuierung der Kampfgebiete vor dem Angriffskrieg auf Israel 1948 aufforderten. Seit Jahrzehnten bilden die palästinensischen Flüchtlinge eine politische Manövriermasse, die den arabischen Staaten als politisch-moralisches Druckmittel gegen Israel dient.
 
Ebenfalls ist nicht erwähnt, dass die PLO als politische Repräsentanz der Palästinenser das Existenzrecht Israels in ihrer Gründungserklärung verneinte, so wie es heute noch Hamas, Hisbollah oder manche arabische Staaten tun und mit Attentaten und Raketenagriffen auf Israel unterstreichen. Die Ausstellung berücksichtigt überdies nur den Zeitraum vor 1949 sowie die Gegenwart, nicht jedoch die dazwischen liegenden 60 Jahre, in denen sich das Flüchtlingselend und die Unversöhnlichkeit der Lager noch verschärft haben. Auch an dieser Entwicklung waren die Palästinenser und ihre arabischen Unterstützer nicht unbeteiligt.
 
Erst mit der Gründung des Staates Israel konnte die tausendjährige Zeit der Pogrome gegen das jüdische Volk beendet werden. „Dass Auschwitz sich nicht wiederholen darf und auch der Staat Israel hierfür ein Garant ist, ist die zentrale Lehre, die aus dem Nationalsozialismus zu ziehen ist“, so Oberbürgermeister Salomon. „Einseitige Schuldzuweisungen und Freund-Feind-Schemata fördern nicht die Einsicht in die komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten und tragen nicht zu einer Verständigung und friedlichen Entwicklung in der Region bei“, erklärt Salomon zur Absage der Ausstellung. „Die Stadt möchte daher eine verzerrende und polarisierende Darstellung in einer ihrer wichtigsten Bildungseinrichtungen, der Stadtbibliothek, nicht zeigen.“
 
Kommentar der Redaktion:
 
Dieses Mantra des OB Salomon trifft also mindestens auf die Absagenden selbst zu: „Einseitige Schuldzuweisungen und Freund-Feind-Schemata fördern nicht die Einsicht in die komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten und tragen nicht zu einer Verständigung und friedlichen Entwicklung in dieser Region bei.“

Ohrfeige für den OB vom Gericht

Dieser Meinung ist offenbar auch das Freiburger Verwaltungsgericht: Wie die NRhZ-Redaktion einen Tag nach Veröffentlichung dieses Beitrags erfuhr, hat das Freiburger Verwaltungsgericht OB Salomon abgewatscht. Das Café Palestine Freiburg teilte uns mit, die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts habe beschlossen, dass die Ausstellung doch stattfinden kann. Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts, Sennekamp, der Richter am Verwaltungsgericht, Knorr, und die Richterin am Verwaltungsgericht, Doetsch, hätten den Beschluss gefasst, „dass die Ausstellung "Die Nakba - Flucht und Vertreibung der Palästinenser" wie von der Stadt Freiburg ursprünglich zugelassen, in der Stadtbibliothek Freiburg stattfinden muss“. Nach Informationen der Badischen Zeitung werde die Stadt Freiburg dieses Urteil akzeptieren.
Mitorganisatorin Dr. Gabi Weber bedankte sich bei allen UnterstützerInnen: "Ich hatte von vornherein das Gefühl, dass wir Recht haben."
(PK)

Kommentar eines Lesers:

OB Salomon folgt in seiner Begründung gegen die Ausstellung "Die Nakba-Flucht und Vertreibung der Palästinenser" einem klassischen, wiewohl verwerflichen Denkmuster: Die (palästinensischen) Opfer sind die Täter". Dass er damit in Gefahr gerät, in gefährliche Nähe des braunen Klüngels zu geraten, fällt ihm nicht auf - oder es stört ihn nicht.

Günter Schenk, Straßburg



Online-Flyer Nr. 275  vom 10.11.2010

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