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Arbeit und Soziales
Rüstungskonzern Carlyle will Ökotextilunternehmen Hess-Natur schlucken
Globalisierungskritiker entwickeln Alternative
Von Peter Kleinert

Die bundesweite Attac-Arbeitsgruppe "Solidarische Ökonomie" und das Netzwerk Solidarische Ökonomie (SÖ) arbeiten gemeinsam an einem neuen Konzept für das Ökotextilunternehmen Hess-Natur. Am Montag trafen sich erstmals Mitarbeiter und Kunden von Hess-Natur mit Mitgliedern der Attac-AG und des Netzwerkes in Frankfurt. Im Anschluss an das Treffen kündigten die Attac-AG und das Netzwerk SÖ eine gemeinsame Kampagne für die Umwandlung von Hess-Natur in eine Genossenschaft an.
 

Hess-Natur-Gründer Heinz Hess
Der 1941 in Mittelfranken geborene und vom Angestellten bei einer Tochterfirma des amerikanischen Pharmakonzerns Ely Lilly zum Umweltaktivisten gewandelte Heinz Hess hat 1976 Hess-Natur gegründet. Nach der Geburt seines Sohnes hatte er "die Vision und das Bedürfnis nach reiner, natürlicher und unbehandelter Babybekleidung" und gab zusammen mit seiner damaligen Frau einen ersten Katalog für Hess-Natur heraus. "Auch heute" - Heinz Hess starb im März 2006 – "lebt seine Vision fort", heißt es auf der Internetseite www.hessnatur.info. "Auch heute hinterlassen wir sichtbar Spuren: für ein menschliches und natürliches Leben, eingebettet in eine gesunde Natur und eine lebendige Gemeinschaft. Dafür stehen wir. Unsere Nachhaltigkeitspolitik wurde im August 2010 von der Stiftung Warentest gelobt: Im Rahmen des Tests von Basic-T-Shirts hat hessnatur die CSR-Bewertung "Stark engagiert" erhalten: "Echtes starkes Engagement für Mitarbeiter und Umwelt zeigt allein Naturmodeanbieter hessnatur", heißt es in der Ausgabe 08/2010 der Stiftung Warentest.
 
Nicht zuletzt deshalb wollen die Öko-Aktivisten nun Absichtserklärungen von Mitarbeitern, Kunden und Interessierten sammeln, die einer späteren Genossenschaft beitreten wollen. Der Betriebsratsvorsitzende von Hess-Natur, Walter Strassheim-Weitz, kündigte am Montag zudem an, der Betriebsrat werde die wirtschaftlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten juristisch prüfen lassen.

"Wir arbeiten seit Jahren intensiv an Modellen, wie Beschäftigte, Kunden und Lieferanten ein Unternehmen in eigener Regie weiterführen können", sagte Dagmar Embshoff, Mitglied des Netzwerkes SÖ sowie der Attac-AG. "Sei es, dass ein Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht oder ihm wie im Fall von Hess-Natur die Übernahme durch einen Investor droht, der nur
auf kurzfristige Gewinne aus ist – es gibt kooperative Alternativen."

Bei dem Treffen stellte Hans Gerd Nottenbohm vom Netzwerk ÖS anhand der Geschäftszahlen von 2009 ein erstes Alternativ-Konzept für das Ökounternehmen vor. Ziel wäre die Umwandlung der Hess-Natur-Textil-GmbH in eine Genossenschaft. Für diese würde der Grundsatz "ein Mitglied, eine Stimme" gelten, wobei so genannte investierende Mitglieder laut Genossenschaftsgesetz nur eingeschränkte Gestaltungsrechte erhalten.
"Hess-Natur steht bereits für eine ökologische und faire Unternehmenspolitik. Eine Fortführung als demokratischer Betrieb wäre die konsequente Weiterentwicklung hin zu einem wirklich alternativen Wirtschaften", sagte Hans-Gerd Nottenbohm.

Die Anwesenden, darunter fünf Betriebsratsvertreter von Hess-Natur, beteiligten sich an der Diskussion mit großem Interesse. "Wir haben heute eine Alternative kennen gelernt, die wir so bisher noch nicht im Blick hatten. Wir befürworten auf jeden Fall eine weitere Diskussion in diese Richtung. Ein solches Konzept kann für alle Beteiligten Gewinn bringend sein", sagte Betriebsratsvorsitzender Walter Strasheim-Weitz.

Auch die Arbeit gegen eine Übernahme durch Carlyle geht weiter. Im Dezember hatte Attac die drohende Übernahme des Ökotextilunternehmens durch den Private-Equity-Fonds und Rüstungskonzern Carlyle öffentlich gemacht. Seitdem haben mehr als 4.000 Menschen angekündigt, Hess-Natur im Falle eines solchen Verkaufs zu boykottieren. Im Februar werden die gesammelten Erklärungen öffentlichkeitswirksam übergeben. Jutta Sundermann vom Attac-Koordinierungskreis: "Unser Protest ist bereits erfolgreich. Eigentlich kann Carlyle sich jetzt nur noch zurückziehen. Der Schaden für Hess-Natur wäre sonst zu groß."

Attac engagiert sich seit vielen Jahren gegen das Geschäftsmodell der Private-Equity-Fonds. Carlyle gehört zu den größten dieser Fonds und ist eng mit der US-amerikanischen Rüstungsindustrie verbunden. (PK)


Online-Flyer Nr. 284  vom 12.01.2011

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