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Aktueller Online-Flyer vom 21. Dezember 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
„Bienen, Hummeln, Vögel, Menschen sollen leben“
Folgt dem Dioxin-Skandal ein Bienen-Skandal?
Von Hans-Dieter Hey

Dass es nicht gut um unsere Honigbienen steht, wird erneut diskutiert. Es steht schlimmer, als gedacht: Die Imker stehen seit Jahren vor einem massiven Problem, vor einem ansteigenden Verlust an Bienenvölkern, vor allem über den Winter. Mittlerweile häufen sich aber auch die Sommerverluste. In USA ist nach einer im Januar veröffentlichten Umfrage 1) bei ca. 4.000 Imkern eine Verlustrate im Winter 2009/10 von ca. 35Prozent ermittelt worden. In Deutschland lagen im gleichen Zeitraum nach Angabe des deutschen Berufsimkerbundes keine genauen Zahlen vor, aber die Auskünfte der großen Berufsimker berichten von einer Spanne zwischen 15 und 50 Prozent.

Nahrungssicherheit weltweit in Gefahr
 
Diskutiert wird dieses Problem der Bienenvolkverluste von den Imkerverbänden seit Jahren, aber verstärkt seit die Ergebnisse des Deutschen Bienenmonitorings (DEBIMO) 2010 publiziert sind.
Eine Kritik an dieser Studie wurde gestern über die Umweltverbände BUND und NABU veröffentlicht, und dürfte weder den beteiligten Bienenforschungsinstituten gefallen, noch dem Bauernverband und den an der Studie als Finanziers beteiligten Chemiefirmen Bayer, Syngenta, BASF. 

Bienenvolksterben gab es immer. Doch bei Honigbienen, aber auch Wildbienen und Hummeln ist das seit ca. 10 Jahren besonders dramatisch geworden. Seit etwa dem Jahr 2000 werden in der Landwirtschaft verstärkt besonders hoch wirksame Pestizide aus der Klasse der Neonikotinoide eingesetzt – Verkaufsschlager der Chemieindustrie. Ist also das paralelle Auftreten höherer Bienenverluste nun reiner Zufall oder gibt es einen Zusammenhang zu anderen Verursachern, wie der Zunahme der Varroa-Milbe?
 
Als Bestäuber sind die Honigbienen die Existenzgrundlage für viele Landwirte, und Voraussetzung für die Produktion aller auf Fremdbestäuber angewiesenen Pflanzen. Obst und Gemüse hängen davon ab, und damit ein wichtiger Teil unserer Ernährung und der anderer Lebewesen. Weltweit ist die Lebensmittelsicherheit gefährdet. Es gibt sogar Stimmen im Konzert der Umweltverbände im Hinblick auf Bienenvolkverluste, die die Lage noch dramatischer sehen.


Angriff in der Aktionärsversammlung: Manfred Gerber
Foto: Umweltbund e.V.

Für den „Winter 2009/2010 sind nach Schätzungen von Fachleuten des Umweltbund e.V. in Deutschland je nach Region zwischen 30 und 60 Prozent der Bienenvölker verendet. Das sind im Schnitt etwa 20 - 50 Prozent mehr als üblich“, berichtete Imker Manfred Geber auf einer Bayer-Aktionärsversammlung Ende April 2010 (Siehe NRhZ v. 5.5.2010). Im vorangangenen Jahr waren es noch einmal 15 – 20 Prozent. Eine Untersuchung in den USA habe zudem ergeben, dass in Bienen, Bienenwachs, Pollen oder Pflanzenproben im Schnitt etwa 7 Wirkstoffe gefunden worden, die dort nicht hingehören. Gerber macht die Pestizide von Bayer mitverantwortlich für die Situation. Agrarminister und Europäische Union schlagen Alarm und fordern gegen die „rätselhaften Erkrankungen“ Medikamente für Bienen genau von der Chemischen Industrie, die höchst wirksame Pestizide in Natur und Landwirtschaft verbreitet.
 
Viele Untersuchungen – dürftige Ergebnisse
 
Bislang gibt es zahlreiche Hypothesen, unzusammenhängende Untersuchungen, Befunde zu den Ursachen. An wirklichen Erklärungen fehlt es allerdings. Viele Einflüsse könnten am Bienenvolksterben schuld sein und das Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Allerdings – so die Ursachenforschung von DEBIMO - sei nicht ganz klar, warum die Ergebnisse so dramatisch ausgefallen sind. Eins sei aber sicher, „dass (die Milbe) Varroa destructor der dominante Killer während des Winters ist“. „Ein negativer Einfluss von Pestizidrückständen im Bienenbrot…konnte nicht bewiesen werden.“ Genau deshalb regt sich jetzt öffentliche Kritik an den Methoden der Untersuchung von DEBIMO. Eigentlich hättes das Projekt die Aufgabe gehabt, die Verlustursachen aufzuklären. Es stellte aber nur Winterverluste fest, im Schnitt der Winter 2004/2005 bis 2007/2008 etwa 10 Prozent,  genauer zwischen 4 und 15 Prozent. Das klingt nicht dramatisch. Aber Imker und Imkerverbände berichten von deutlich höheren Zahlen. Doch wie lässt sich das erklären?
 
Das Kritikpapier listet als Mangel unter anderem auf, dass lediglich mit ca. 120 Handverlesenen Imkern gearbeitet wurde, die ohnehin schon mit den Bienenforschungsinstituten gearbeitet hatten. Und von denen durfte jeder selbst seine 10 Monitoring-Stöcke aussuchen, von denen die Daten erhoben wurden. Das Problem liegt darin, dass dieses Verfahren keine repräsentative Stichprobe erzeugt. Das wäre so, als würde man aus seinem persönlichen Telefonregister 120 Personen aussuchen, die Daten von je 10 Autos daraus erheben und Rückschlüsse auf die Verteilung der Automarken bei allen Bundesbürgern ziehen. Es ist offenkundig, dass eine solch zufällige Stichprobe aus wissenschaftlicher Sicht „schief liegt“. Die Zahlen aus dem DEBIMO sagen zwar etwas über die Monitoring-Imker aus, aber nichts Zuverlässiges über die Imker im Bundesgebiet. DEBIMO weist zwar zaghaft auf den Mangel hin, diskutiert die Ergebnisse aber so, als wären sie repräsentativ.


Nahrungssicherheit durch Sterben der Honigbiene in Gefahr
Foto: JPW Pete/pixelio

Die Imker berichten allerdings von viel höheren Völkerverlusten. Doch es wurde nicht einmal ansatzweise versucht, diese Unstimmigkeiten aufzuklären. Von den bei DEBIMO erwähnten Völkerverlusten sind bei gerade einmal 80 Fällen die Ursachen geklärt worden. Mehr als 5-mal so viele Fälle blieben in der Veröffentlichung ungeklärt. Man ist nicht einmal auf die sehr nahe liegende Idee gekommen, bei den 424 über die Wintermonate zu Grunde gegangenen Stöcken aus Bienenbrot, Honigresten und toten Bienen die Proben zu entnehmen. Daraus hätte man die Spuren von Parasiten, Erregern bestimmen, sowie die Chemikalienrückstände leicht messen können. Interessant ist daher die Frage, warum man das nicht wollte und wem das Ergebnis dienen sollte.
 
Imkerverbände haben mit Auszug gedroht
 
Die chemische Analytik ist ein weiterer Krimi: Im Jahr 2004 wurden keine Rückstandsproben genommen. In den Jahren 2005 und 2006 wurde erstmals das Bienenbrot auf Rückstände untersucht, offenbar in den Labors von Bayer, die sich gern „kostenlos“ anboten, wie der Redaktion über informierte Kreise bekannt wurde. Auch im Jahr 2007 wurden ganze 110 Proben bei ca. 1.200 Bienenstöcken genommen und laut Studie bei der LUFA Speyer (Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Speyer) analysiert. Das Kritikpapier hält den bemerkenswerten Umstand fest, dass die Konzentrationen der gefundenen Rückstände verheimlicht wurden, und nur die Zahl der „positiv“ getesteten Proben angegeben wurde, die mit ungenau beschriebenen Messverfahren ermittelt wurden. Die Imkerverbände, im Projektrat vertreten, mussten erst mit dem Auszug aus dem Projekt drohen, damit überhaupt Proben für die Rückstandsmessung gezogen wurden – nur ein Mal, und das bei spärlichen 5 Prozent der zu untersuchenden Bienenstöcken. Offenbar wurde auffällig intensiv versucht, nichts zu finden. Und so taucht die Frage auf, ob die DEBIMO-Studie nicht vom Ergebnis her für die Pestizidhersteller gedacht war.


Imker in Zeidlertracht - Zeidler beraubten die Wildbienen
Foto: NRhZ-Archiv

Das Kritikpapier listet zudem mehrere gravierende statistische Mängel auf, die weit über die falsche Stichprobenziehung hinaus gehen. So wurde auf wechselnden Datenmengen gearbeitet. Ungefähr 30 Prozent der Datensätze wurde mit der nebulösen Begündung „Plausibilitätsprüfung“ schlichtweg nicht berücksichtigt. Die kritischen Wissenschaftler können dies nicht nachvollziehen. Bezogen auf Datensätze im DEBIMO-Papier fehlen beim Befall mit der Varroa-Milbe Daten von 17 Prozent aller Bienenstöcke. Beim Befall mit Nosema-Pilz sind es schon 55 Prozent und bei der Messung von Virenbefall wurde bei 75 Prozent bis 87 Prozent aller Stöcke keine einzige Probe genommen.
 
Besonders dreist ging man offenbar bei der Rückstandsuntersuchung auf Chemikalien vor. 95 Prozent aller Bienenstöcke wurden nicht ein einziges Mal in den vier Untersuchungsjahren auf Rückstände überprüft. Dennoch wurde auf den äußerst dürftigen Teil der Proben ein statistischer Test ausgeführt. Dies sei völlig unsachgemäß, wird daher die DEBIMO-Studie kritisiert. Denn so konnte das Ergebnis als „nicht signifikant“ ausfallen. Für die Pestizidindustrie ein überaus erfreuliches Ergebnis.

Kritische Wissenschaftler fordern korrekte Methoden
 
Für sie stand deshalb fest: die Milbe ist schuld. Hinzu kommen ein paar Faktoren, die neben Varroa-Befall unbestreitbar eine Rolle gespielt haben dürften: Koloniestärke zu Winterbeginn und das Alter der Königin. Bei den Viren kamen zwar für zwei Arten signifikante Korrelationen heraus – aber wie das Kritikpapier feststellte, sind Korrelationen keine Ursachenklärung. Denn es korreliert auch signifikant die Anzahl der Störche mit der menschlichen Geburtenziffer.
 
Die beteiligten DEBIMO-Imker, die soviel Arbeit und Hoffnung für einen guten Zweck in die DEBIMO-Studie gesetzt hatten, dürften sich jetzt missbraucht fühlen. Missbraucht für eine Studie, die offenbar vom Ergebnis her zugunsten der Marketinginteressen der Pestizidhersteller gedacht war. Für sie ist herausgekommen, was herauskommen sollte: Pestizide sind zwar vorhanden, aber sie spielen keine Rolle beim Bienenvolksterben. Für die beiden Kritiker der DEBIMO-Studie ist eindeutig, dass die Anlage der Studie und der Umgang mit Daten und Bewertungen des Bienenmonitorings fundamental gegen die Grundsätze wissenschaftlicher Untersuchungen verstoßen. Sie fordern, dass die Propaganda für die angebliche Unschädlichkeit der Pestizide und Neonikotinoide endgültig eingestellt und das Bienenvolksterben endlich mit korrekten Methoden erforscht wird.
 
Bayer, BASF und Syngenta fühlen sich durch das Bienenmonitoring gestützt: "Der Bericht stellt fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Neonikotinoiden und den Winterverlusten bei sachgerechter Anwendung der Produkte nicht nachgewiesen werden konnte", so Bayer Crop Science. Aus gutem Grund, wie man leicht einsehen kann, wenn Profite aus dem Verkauf erst von Pestiziden und dann aus Bienenmedikamenten locken.
Die Autoren des Kritikpapiers am Bienenmonitoring wissen sich einig mit Imkern und Naturfreunden - sie „wollen nicht, dass Mensch und Natur weiterhin geschädigt werden: Bienen, Hummeln, Vögel, Menschen sollen leben!“ - so ihr Aufruf. (HDH)

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1) Engelsdorp et al. (2011), Journal of Apicultural Research 50(1):1-10.

Weiterführende Informationen:

Presseerklärung des Umweltbundes
Unbeantwortete Fragen zum Bienensterben


Online-Flyer Nr. 286  vom 27.01.2011

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