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Lokales
SPD-Vorschlag für Kölner Bürgerbefragung zu Godorf wird im Rat ausgekungelt
Willy Brandt hinterhältig mißbraucht
Von Dieter Neef

"Kölner Bürgerbefragung zum Godorfer Hafen?" war der Titel einer Meldung, die wir am 26. Januar veröffentlichten(1). Dieser Vorstoß der Kölner SPD zur Durchführung einer Bürgerbefragung über den Ausbau des Godorfer Hafens wurde zwar von der Initiative „Mehr Demokratie“ begrüßt, doch warnte diese  gleichzeitig vor einem Scheitern durch die geplante Abstimmungshürde. Der Rat soll sich nämlich an das Ergebnis nur dann gebunden fühlen, wenn mindestens 20 Prozent aller Stimmberechtigten für oder gegen den Hafenausbau stimmen. Bei rund 90 Prozent aller Bürgerentscheide in NRW wurde dieses Quorum nicht erreicht. Eine erste Kommentierung der "Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen" können Sie im folgenden Text lesen. – Die Redaktion

 

Kölns SPD-Vorsitzender
Jochen Ott überlegt, ob die
Argumente der Bürgerinitiative
in das "Abstimmungsheft“ für
die Stimmberechtigten überhaupt
aufgenommen werden sollen.
Quelle: www.jochen-ott.de/
Es klingt, als hätte die SPD den Stein der Weisen gefunden. Sogar der KStA vom 27.1. schreibt begeistert, der Vorschlag der SPD "sei einfach klug und mutig“. Man kann es aber auch als eine Verzweiflungs- tat sehen. Die SPD hat inzwischen - auch aufgrund der ausführlichen Präsentation der Bürgerinitiative bei der SPD-Fraktions-spitze im vorigen Monat - erkennen müssen, dass bei rationaler Betrachtung der Alternativen zum Godorfer Hafen dieser völlig überflüssig ist. Denn mit der 60 bis 70 Millionen Euro-Investition in Godorf wird nicht nur eine überteuerte Variante verfolgt, sondern es werden auf Jahrzehnte hinaus Überkapazitäten im Hafen geschaffen und ein Naturschutzgebiet von 150.000 qm völlig unnötig zerstört. 

 

Diese Erkenntnis haben sich die Hafengegner nicht aus den Fingern gesogen. Sie haben nur das von der Hafengesellschaft HGK in Auftrag gegebene PLANCO-Gutachten „Zukunftsperspektiven der Kölner Häfen“ von 2008 gründlich gelesen und vom Kopf auf die Füße gestellt. 


Hochwasser in der Sürther Aue am 8.1.2011 - der Bauwagen wird weggefahren. Deshalb entfallen bis zum Frühjahr Informationstreffen der Aktionsgemeinschaft mit Bürgern im "Auen-Café".
Quelle: http://www.suerther-aue-retten.de/ 

Seit Jahren wird Godorf mit dem Totschlagargument "alternativlos“ gerechtfertigt und damit die Diskussion über die verfügbaren weiteren Lösungen wider jede Vernunft abgeschnitten. Auch die SPD kann nicht kann nicht leugnen, dass bei der Godorf-Entscheidung 2007 der Kölner Rat nur die künstlich verengte Fragestellung prüfte, ob Godorf rechtlich zulässig und wirtschaftlich sinnvoll ist. Verfügbare Alternativen oder eine optimale Lösung daraus wurden pauschal für irrelevant erklärt und unter den Teppich gekehrt. Stets gab es aber höchst respektable Alternativen. Was in Köln fehlte, waren nicht die Alternativen sondern der Wille, den Schleier zu lüften und klar zu sagen, welche Vor- und Nachteile mit diesen Logistiklösungen oder Kombinationen verbunden sind und welche das Optimum darstellt. 

Statt ihre Position gründlich zu überdenken ergreift die SPD nun die Flucht nach vorne und möchte in einem hektisch konstruierten Verfahren ihre unhaltbar gewordene Position von der "Alternativlosigkeit“ der Godorf-Lösung retten und vom Bürger bestätigen lassen. Die Gefahr, dass Köln zum x-ten Mal in den Geruch einer Bananenrepublik gebracht wird, ist unübersehbar. Die jetzt ins Spiel gebrachte Kölner Bürgerbefragung folgt ja keiner gesetzlich festgelegten Norm wie ein normales Bürgerbegehren, sondern wird im Kölner Rat ausgekungelt. Nach allem, was bisher bekannt wurde, lässt das nichts Gutes erwarten was z. B. das Quorum der benötigten Stimmen oder die Zeit für eine gründliche öffentliche Meinungsbildung ohne Hektik angeht. Der SPD-Vorsitzende Ott überlegt sogar noch, ob die Argumentation der Bürgerinitiative in das "Abstimmungsheft“ an die Stimmberechtigten überhaupt aufgenommen werden soll.  


Willy Brandt: „Mehr Demokratie
wagen!“
NRhZ-Archiv
Vom Grundsatz her entspricht die Bürgerbeteiligung der Forderung von Willy Brandt nach „Mehr Demokratie wagen“ und ist ganz aktuell dem Drehbuch der örtlichen SPD zu "Stuttgart 21" entnommen. In Köln wird diese geschichtsträchtige Forderung jedoch auf hinterhältige Art missbraucht, und Willy Brandt wird sich bei dieser interessengeleiteten Ausgestaltung durch seine Partei im Grabe umgedreht haben. Wenn die SPD es ehrlich meint, mit der Beteiligung der Bürger und der Weiterentwicklung der Demokratie, muss sie sich frei machen vom Manipulationsverdacht und die Bürger ergebnisoffen ehrlich, geduldig und ohne Zeitdruck beteiligen. Das heißt, einen Meinungsbildungsprozess organisieren, der die nötige Zeit für einen fairen Austausch und eine Konsolidierung der Informationen unter Einbeziehung von Fachexperten bietet, so wie es letztlich auch bei "Stuttgart 21" mit dem Schlichtungsverfahren unter Einbeziehung eines externen Mediators oder auch in der Vorphase des städtebaulichen Masterplans oder in der Nachphase der Schauspielentscheidung in Köln der Fall war. 

Erst wenn die relevanten Fakten über die Alternativen auf dem Tisch liegen und auf breiter Basis Transparenz herrscht, ist eine faire Bürgerbefragung gewährleistet. Möglicherweise erübrigt sich dann sogar die aufwendige Bürgerbefragung, weil der Kölner Rat im Laufe des Verfahrens endlich jene Klarheit erlangen konnte, die er für seine Entscheidung zur Stärkung des Logistikstandorts Köln schon immer gebraucht hätte aber aus eigener Kraft nie herstellen konnte oder wollte. Das Gemeinwesen hätte viel Zeit, Geld und staatsbürgerliche Energie gespart. (PK) 

(1) http://www.nrhz.de/flyer/suche.php?ressort_id_menu=-1&ressort_menu=News

Dr. Dieter Neef ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und hat gemeinsam mit Helmut Feld von der "Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen" unter dem Titel „Gezielte Irreführung“ bereits am 12.08.2009 in der NRhZ den Kölner IHK-Chefs schwere Vorwürfe für ihr Verhalten beim Thema Hafenausbau gemacht: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14111

Mehr Informationen über den Kampf gegen den Godorfer Hafen: http://www.suerther-aue-retten.de



Online-Flyer Nr. 287  vom 02.02.2011

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