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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Erfolg im Berliner Wasser-Volksentscheid stärkt Widerstand gegen PPP
Wowereit soll seine Politik ändern!
Von Peter Kleinert

Zum Berliner Volksentscheid "UNSER WASSER" hatten Bürgermeister Wowereit und seine Landesregierung 2,47 Millionen Wahlberechtigte schriftlich und persönlich dazu aufgerufen, mit Nein zu stimmen. Nur 12.200, also 0,5 Promille, sind diesem Aufruf gefolgt. Dagegen haben 665.713 BerlinerInnen dem Senat am Sonntag ihr Mißtrauen ausgesprochen, der Anteil der Ja-Stimmen betrug also 98,2 Prozent.. Dieses Votum bedeute: "Wir glauben euch nicht, wenn ihr uns sagt, alle Verträge sind offen", erklärte Carl Waßmuth vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) dazu und forderte Wowereit auf, seine Rekommunalisierungspolitik zu ändern.
 
RWE keine Milliarden in den Rachen werfen

GiB-Sprecher Carl Waßmuth, Unterstützer des Volksentscheids: "Geheimverhandlungen zum Anteilsrückkauf von RWE gehen gar nicht. Die BerlinerInnen wollen ihr Wasser zurück, aber sie wollen RWE keine Milliarden dafür in den Rachen werfen. Durch den Volksentscheid muss der Rückkauf billiger werden, nicht teurer. Bevor die Verträge nicht offen sind, darf gar nicht verkauft werden, erst muss jede juristische Rückabwicklungsmöglichkeit geprüft werden. Dazu haben wir die Offenlegung der Verträge durchgesetzt. In Frankreich wird vor Rekommunalisierungen ein zwei Jahre dauerndes Audit gemacht. Außerdem fordern wir: Auch Veolia muss raus, und zwar zusammen mit RWE."

Gleichzeitig wies GiB die Vereinnahmungsversuche von Wowereit scharf zurück: Nach dessen Darstellung fühle sich der Senat durch das Ergebnis in seinem Ziel unterstützt, ehemals privatisierte Anteile an den Wasserbetrieben zurückzukaufen. Dazu Carl Waßmuth: "Wowereit wollte auf einmal angeblich schon immer, was die Initiatoren des Volksentscheids bisher vergeblich von ihm gefordert haben. Dabei hat Wowereit die Anliegen dieses Volksentscheids bisher massiv bekämpfen lassen. Gleichzeitig redet die SPD nur von Rekommunalisierung, echte eigene Initiativen gibt es nicht. Die Rückkaufsverhandlungen der RWE-Anteile kamen auf Betreiben von RWE zustande, die Kasse machen wollen." Der zweite private Investor, Veolia Wasser, hat einen Verkauf seiner Anteile bislang kategorisch ausgeschlossen.
Echte Rekommunalisierung in Wahlprogramme aufnehmen!

Gemeingut in BürgerInnenhand fordert die politischen Parteien in Berlin auf, nun eine echte Rekommunalisierung in ihre Wahlprogramme aufzunehmen. Carl Waßmuth: "Das Berliner Wasser wurde per Gesetz privatisiert, es kann auch per Gesetz zurück unter demokratische Kontrolle geführt werden. Gleiches ist auch für Gas, Strom und die Berliner S-Bahn möglich. Das Votum der BerlinerInnen dazu ist eindeutig: Fensterreden zu Rekommunalisierung reichen ihnen nicht mehr."

Gemeingut in BürgerInnenhand hatte den Volksentscheid mit der Kampagne "Wollt ihr wissen?“ unterstützt. Der Verein wendet sich damit gegen die fortschreitende Privatisierung der Daseinsvorsorge und setzt sich dafür ein, dass Gemeingüter wie Wasser, Bildung, Mobilität und vieles andere zurück unter demokratische Kontrolle geführt werden.

Die 665.713 BerlinerInnen, die den Volksentscheid am Sonntag unterstützten, sind 241.659 mehr als die 424.054, die bei den letzten Wahlen die SPD gewählt haben. Und es haben 56.474 mehr Menschen für die Offenlegung der Wasserverträge gestimmt, als die amtierende Regierung von SPD und LINKE 2006 zusammen an Stimmen bekommen hat.

Präzedenzfall gegen die Geheimhaltung aller PPP-Verträge

Für das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist dieser große Erfolg des Berliner Wasser-Volksentscheids ein "wichtiger Meilenstein im bundesweiten Kampf gegen Public Private Partnerships (PPP)". Die nun erzwungene Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe werde "ein Präzedenzfall gegen die Geheimhaltung aller PPP-Verträge hier zu Lande werden und den Widerstand gegen PPP-Projekte im ganzen Land stärken", sagte Laura Valentukeviciute von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Privatisierung. "Das Berliner Votum zeigt, dass es den Bürgerinnen und Bürgern möglich ist, sich gegen den Privatisierungswahn zu wehren. Wir müssen nicht länger hinnehmen, dass Politiker über unsere Köpfe hinweg die Interessen der Konzerne bedienen."

Bundesweit gebe es derzeit etwa 200 PPP-Projekte, die zusammen auf ein Volumen von schätzungsweise 27 Milliarden Euro kommen. Die organisierte Geheimhaltung der Verträge zwischen der öffentlichen Hand und den privaten Investoren sei eine zentrale Voraussetzung für das Zustandekommen und die hohen Gewinnmargen bei den meisten PPP-Projekten. Selbst die Abgeordneten, die über die Projekte entscheiden, kennen die Verträge in der Regel nicht. Die für die öffentliche Hand meist ungünstigen Vereinbarungen würden so erst gar nicht bekannt.
Ausverkauf öffentlichen Eigentums beenden

"Ohne die Geheimhaltung könnten PPP-Verträge mit Kommunen, Bundesländern oder dem Bund für die privaten Investoren gar nicht zu einem solch lukrativen Geschäft werden, weil die darin ersichtlichen Gewinnmargen auf massiven öffentlichen Widerstand stoßen würden", betonte Mike Nagler vom bundesweiten Koordinierungskreis von Attac. "Public Private Partnership ist eine harmlos klingende Umschreibung für den fortgesetzten Ausverkauf öffentlichen Eigentums."

Initiiert wurde der erste erfolgreiche Volksentscheid in Berlin vom Bündnis "Berliner Wassertisch", das von Attac Berlin ins Leben gerufen wurde und dem auch der Attac nahestehende Verein "Gemeingut in BürgerInnenhand" angehört. Ziel des Wassertisch ist die Rekommunalisierung der teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe. Mit der nun erzwungenen Offenlegung ist der Weg frei, die bisher geheim gehaltenen Verträge vor Gericht überprüfen zu lassen. (PK)
Mehr Informationen www.berliner-wassertisch.net und www.gemeingut.org
 
 
 
 
 
 
 


Online-Flyer Nr. 288  vom 14.02.2011

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