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Inland
Wie man in Deutschland um die Zustimmung für Kriegseinsätze werben soll
Die Presse als "Teil des Schlachtfeldes"
Von Hans Georg
Die Bundeswehr treibt mit Hilfe von "Friedensforschern" und Sozialwissenschaftlern ihren "Medienkrieg um die öffentliche Meinung" voran. Ein aktuelles propagandistisches Mittel hierfür ist ein im Internet präsentierter "Reader Sicherheitspolitik", der "Meinungsführer" in der deutschen Gesellschaft ansprechen und für die Ziele der Bundeswehr gewinnen soll.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wirbt
mit US-General David H. Petraeus für
den NATO-Gipfel in Lissabon 2010
In dem "Reader" finden sich nicht nur Analysen von Armeeangehörigen, sondern auch Beiträge von leitenden Mitarbeitern regierungsnaher Thinktanks, zahlreichen Universitätsprofessoren und sogenannten Friedensforschern; auch die Wissenschaftsministerin des Bundeslandes Sachsen zählt zu den Autoren. Da die deutsche Bevölkerung nicht wie in anderen Staaten "selbstverständlich mit patriotischer Gesinnung" hinter ihren Streitkräften stehe, müsse eine "proaktive" Medienpolitik betrieben werden, heißt es: Die Presse sei "Teil des Schlachtfeldes" und müsse benutzt werden - "von innen heraus".
Online-Flyer Nr. 290 vom 23.02.2011
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Inland
Wie man in Deutschland um die Zustimmung für Kriegseinsätze werben soll
Die Presse als "Teil des Schlachtfeldes"
Von Hans Georg
Die Bundeswehr treibt mit Hilfe von "Friedensforschern" und Sozialwissenschaftlern ihren "Medienkrieg um die öffentliche Meinung" voran. Ein aktuelles propagandistisches Mittel hierfür ist ein im Internet präsentierter "Reader Sicherheitspolitik", der "Meinungsführer" in der deutschen Gesellschaft ansprechen und für die Ziele der Bundeswehr gewinnen soll.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wirbt
mit US-General David H. Petraeus für
den NATO-Gipfel in Lissabon 2010
Quelle: "Reader Sicherheitspolitik"
Meinungsführer
Wie die Informations- und Medienzentrale der Bundeswehr in Sankt Augustin (Nordrhein-Westfalen) schreibt, hat sie für ihren ausschließlich online verfügbaren "Reader Sicherheitspolitik" zahlreiche "Experten aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich" als Autoren gewonnen. Diese werden als "Meinungsführer in der Strategic Community" bezeichnet und sollen die Transformation der Bundeswehr zur jederzeit weltweit einsatzfähigen Interventions- und Besatzungsarmee wissenschaftlich begleiten.[1] Mit Beiträgen im "Reader" vertreten sind Professoren und Mitarbeiter der Universitäten in Trier, Halle-Wittenberg, Dresden, Kiel, Bochum, Bonn, Bremen und Heidelberg. Hinzu kommen Angestellte regierungsnaher Thinktanks, etwa von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Zu den Autoren zählen darüber hinaus namhafte "Friedensforscher" sowie eine amtierende Ministerin: Die Professorin Sabine von Schorlemer ist Ordinaria für Völkerrecht, Recht der Europäischen Union und Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Dresden, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF), Mitglied im Beirat der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) und Mitglied im UN-politischen Beirat des Auswärtigen Amtes. Seit September 2009 fungiert sie als Wissenschaftsministerin des Bundeslandes Sachsen.
Teil des Schlachtfeldes
Ausdrückliches Ziel des "Readers Sicherheitspolitik" ist es laut Bundeswehr, dem "mediale(n) Krieg" eine "theoretische Unterfütterung" zu geben. Da die Öffentlichkeit in den westlichen Gesellschaften einen "Machtfaktor" darstelle, komme "Informationen in Printmedien, Rundfunk und Internet" eine zentrale Bedeutung für die politisch-militärische Führung zu. Als Vorbild dient den Redakteuren des "Readers" der ehemalige Oberbefehlshaber der NATO während des Krieges gegen Jugoslawien 1999, US-General Wesley Clark. Dieser wird zustimmend mit folgender Handlungsanweisung zitiert: "Die Presse ist kein Hindernis, sondern Teil des Schlachtfeldes. Sie müssen sie benutzen, von innen heraus. Wie Sonne, Nebel oder Schnee sind auch die Medien eine Rahmenbedingung der Schlacht."[2]
Die Opfersensibilitätsfalle
Einen zentralen Stellenwert im "Medienkrieg um die öffentliche Meinung" messen die Redakteure des "Readers Sicherheitspolitik" der Bearbeitung "politisch sensible(r) Themen" bei. Hierzu zählen ihrer Ansicht nach insbesondere die "Opferzahlen unter den eigenen Streitkräften". Diese brächten die für Kriegsoperationen wie in Afghanistan verantwortlichen westlichen Regierungen "in Rechtfertigungsnöte gegenüber der eigenen Bevölkerung". Zu erforschen seien daher Mittel und Wege, die es der politisch-militärischen Führung erlaubten, der "Opfersensibilitätsfalle" zu entkommen.[3] Der Autor des entsprechenden "Reader"-Beitrags ist Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK).
Nicht patriotisch
Mit der "proaktive(n) Aufklärung der Bevölkerung" befasst sich auch der wissenschaftliche Redakteur des "Readers Sicherheitspolitik", Dr. Hans-Joachim Reeb. Der pensionierte Oberstleutnant der Bundeswehr spricht in seinem Beitrag sogar von einem regelrechten "Zwang", in der deutschen Gesellschaft um die Zustimmung für Kriegseinsätze zu werben. Dies gelte insbesondere, da die deutschen Streitkräfte "gegen Widerstände in der eigenen Bevölkerung" aufgebaut worden seien und bis heute die "Verankerung des Militärs als vorurteilsfreier Gegenstand in der Wissenschaft" fehle. "Typisch für die deutschen Verhältnisse" sei außerdem, schreibt Reeb, "dass die Bevölkerung (...) nicht wie in anderen Ländern selbstverständlich mit patriotischer Gesinnung hinter ihren Streitkräften steht". Die soziale "Integration" der Bundeswehr müsse daher immer wieder "durch politische Überzeugungskraft und mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit erarbeitet werden".[4]
Krise des Interventionismus
Besonders kritisch sehen die Autoren des "Readers Sicherheitspolitik" die in Deutschland geführte Mediendebatte um einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Diese wird als "Reaktion auf sinkende innenpolitische Unterstützung" gewertet sowie als "Eingeständnis des mangelnden politischen Willens, die notwendigen politischen, militärischen und finanziellen Mittel über einen langen Zeitraum bereitzustellen". Gewarnt wird in diesem Zusammenhang vor einer "tiefen Krise des westlichen Interventionismus": "Die Erkenntnis, dass auch in einem Zeitraum von über zehn Jahren kein automatischer Erfolg von Auslandseinsätzen garantiert werden kann und diese innenpolitisch zunehmend zur Belastung werden können, dürfte mit Blick auf weitere Einsätze künftig für deutsche Entscheidungsträger abschreckend wirken."[5] Um "erkennbare Vorbehalte für den offensiven Gebrauch militärischer Mittel" zu zerstreuen [6], dürfe das "kommunikative Feld" daher auf keinen Fall antimilitaristischen "Parolenrufern" überlassen werden [7]. (PK)
[1] Reader Sicherheitspolitik Teil 3 - "Transformation im 21. Jahrhundert"; www.readersipo.de
[2] Internationale Kommunikation in der Sicherheitspolitik; www.readersipo.de
[3] Opfersensibilität westlicher Demokratien; www.readersipo.de
[4] Innere Führung als ein Garant vernetzter Sicherheit; www.readersipo.de
[5] Benjamin Schreer: Kriterien und Realitäten von Exitstrategien im Auslandseinsatz; www.readersipo.de
[6] Akzeptanz und Interesse der Öffentlichkeit an der Bundeswehr; www.readersipo.de
[7] Die Bundeswehr in Afghanistan; www.readersipo.de
Diesen Beitrag und mehr finden Sie unter http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58009
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