NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

zurück  
Druckversion

Wirtschaft und Umwelt
Agrosprit-Strategie von Bundesregierung und EU eine Täuschung der Verbraucher
"E10“ führt zu Landraub und nicht zum Klimaschutz
Von Peter Kleinert

Schon im Januar warnte der ADAC Autofahrer, die sich beim Ausgleich des Ökohaushalt beteiligen wollen, beim Tanken des neuen angeblich das Klima schonenden Benzins "E10" zur Vorsicht. Mehr Bio im Sprit könne zu Motorschäden führen. Nach Kenntnis des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist dieser "Biotreibstoff" nicht nur teuer, sondern leistet auch keinen Beitrag für den Klimaschutz: "Was die Umweltbilanz betrifft, ist "E10" eine Mogelpackung und ein Fall von Verbrauchertäuschung." Außerdem führt es zu Landraub in Entwicklungs- und Schwellenländern
 
"Die Ausweitung der Ethanol-produktion aus Weizen, Zuckerrüben oder Mais und die damit ausgelöste Nutzung zusätzlicher Anbauflächen für Getreide und andere Pflanzen zur Ernährung könne im Vergleich zu herkömmlichem Kraftstoff insge- samt sogar höhere Kohlendioxid-Emissionen verursachen", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in Berlin. Agrosprit sei aus Umweltsicht nicht besser als herkömmliches Benzin. Den Auto- herstellern und der Bundesregie- rung biete die Einführung von "E10“ außerdem ein Alibi, sich von der schnel- len Entwicklung sparsamerer Fahrzeuge zu verabschieden.
 
Allein in Deutschland seien 2010 rund 600.000 Tonnen Ethanol aus Weizen, Zuckerrüben und Mais hergestellt und die doppelte Menge dem Benzin beigemischt worden. Bei einer Erhöhung des Ethanolanteils auf 10 Prozent rechnet der BUND mit einem Bedarf von insgesamt rund fünf Millionen Tonnen Getreide, Zuckerrüben und Mais für „E10“.
 
"Flächennutzung“ des Autoverkehrs verdoppelt
 
Da jeder benzingetriebene Pkw auf Grund der "E10“-Beimischung landwirtschaftliche Flächen benötige, verdoppele sich mit einer Verdoppelung des Biospritanteils auch die "Flächennutzung“ des Autoverkehrs. Das Ziel der Bundesregierung, den Flächenverbrauch entscheidend zu senken, werde so konterkariert. Außerdem zwinge das zu erwartende Anwachsen von Importen großer Mengen von Bioethanol die Landwirtschaft in den Ursprungsländern zum Ausweichen auf bisher ungenutzte Flächen. Dies führe zur Vernichtung wertvoller Biotope und zum Abholzen von Wäldern und Urwäldern. "Auch dies erhöht die C02-Emissionen und wird bei der Zertifizierung von Agrokraftstoffen nicht berücksichtigt“, erklärt der BUND-Vorsitzende Weiger.
 
"landgrabbing“
 
Weiger weist auch darauf hin, das bereits rund 35 Millionen Hektar Ackerland in Entwicklungs- und Schwellenländern für die Länder der Europäischen Union genutzt würden, um die Nachfrage nach Agrarprodukten, zu denen ein wachsender Anteil Agrarsprit gehöre, zu decken. Das Anlegen von Großplantagen zur Produktion von Energiepflanzen gehe außerdem mit dem sogenannten "landgrabbing“ einher.(1) Dieser "Landraub“ von Flächen in Entwicklungsländern durch ausländische Großinvestoren zerstöre die dortigen bäuerlichen Agrarstrukturen. Der Energiepflanzen-Anbau in Monokulturen führe außerdem zum Einsatz von mehr Düngemitteln und Pestiziden. Die Folgen seien zunehmende Schadstoffbelastungen von Gewässern, höhere Lachgasemissionen und das Aussterben seltener Pflanzen und Tiere. 
 
"E10 ist auch für den Verbraucher eine Mogelpackung“, sagt der BUND-Verkehrsexperte Werner Reh. Nach der für Biosprit geltenden DIN-Norm könne der tatsächliche Ethanolanteil auch weit unter 10 Prozent liegen. "Wo E10 draufsteht, ist nicht unbedingt zehn Prozent drin. Es können auch drei oder sieben Prozent Ethanol sein.“ Reh kritisiert die Agrosprit-Strategie von Bundesregierung und EU grundsätzlich: "Anstatt mehr Bioethanol ins Benzin zu mischen wäre es wesentlich sinnvoller, auf EU-Ebene und in Deutschland Alternativen zum Auto attraktiver zu machen, die Verbrauchsvorgaben zu verschärfen und effizientere Fahrzeuge zu bauen.“ Wichtigster Blockierer strengerer Verbrauchsvorgaben auf EU-Ebene sei jedoch ausgerechnet die deutsche Bundesregierung. Die Entwicklung wesentlich sparsamerer Fahrzeugmodelle könne zur Halbierung des Spritverbrauchs führen. Dies würde auch eine Halbierung der zur Beimischung erforderlichen Ethanol-Mengen bedeuten. (PK)
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16108
 
Ein BUND-Hintergrundpapier zu „E10“ finden Sie im Internet unter: http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/verkehr/autoverkehr/20110224_verkehr_autoverkehr_kohlendioxid_hintergrund_e10.pdf


Online-Flyer Nr. 291  vom 02.03.2011

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE