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Wirtschaft und Umwelt
Trotz Klage lange Gesichter bei den Wasserkonzernen VEOLIA und SUEZ
ARTE sendet "Water Makes Money" sogar zweimal
Von Peter Kleinert

Die französischen Konzerne VEOLIA und SUEZ gehören zu den ganz Großen im wachsenden Weltmarkt der privaten Wasserversorgung. "Sendet ARTE 'Water Makes Money'?" fragte die NRhZ, nachdem VEOLIA gegen die Filmemacher Klage wegen "Verleumdung“ eingereicht(1) und Suez-"Patron“ Gérard Mestrallet, sich bei ARTE- Präsidentin Véronique Cayla persönlich beschwert hatte.(2) Die Bremer Dokumentarfilmer Leslie Franke und Herdolor Lorenz können erstmal aufatmen, und auch die 665.000 Menschen, die den Volksentscheid des "Berliner Wassertisch" gegen VEOLIA und RWE durchgesetzt haben, werden sich freuen: ARTE sendet laut Programmankündigung den entlarvenden 75 Minuten-Film sogar zweimal: am Dienstag, 22.3. ab 20.15 und am Donnerstag, 24.3. ab 10.05 Uhr.


Braunschweiger Stadtentwässerung privatisiert
Alle Fotos: www.kernfilm.de/
 
Ausgerechnet in Frankreich verloren VEOLIA und SUEZ schon vor den anstehenden ARTE-Sendeterminen an Boden. Anfang 2010 mussten sie an ihrem Hauptsitz Paris die Wasserversorgung zähneknirschend an die Stadt übergeben – dank der zweiten Bürgermeisterin von Paris, Ann Le Strat, die sich dort, im Gegensatz zu Berlins OB Wowereit, den Ehrennamen "Die Jeanne d'Arc des kommunalen Wassers" verdient hat.(3)


Die Jeanne d'Arc des kommunalen Wassers – Pariser Bürgermeisterin Ann Le Strat
 
Private Konzerne versorgten bisher rund 80 Prozent der französischen Bevölkerung mit Trinkwasser. Doch im ganzen Land schwindet das Vertrauen in ihre Seriosität, denn die Wahrheit über das Gebaren der Konzerne drängt, wie der Film der Hamburger "kernfilm"-Produktion zeigt, an die Oberfläche: Wasserzähler werden dem Kunden faktisch doppelt berechnet, der Austausch von Bleileitungen erfolgt nur teilweise, dringende Reparaturen werden dem Verbraucher als Neuanschaffung in Rechnung gestellt. Inzwischen liegen die Wasserpreise bei privaten Betreibern in Frankreich um 20 bis 60 Prozent höher als bei öffentlichen Versorgern.


Dokumentarfilmer Leslie Franke und Herdolor Lorenz
 
Skandalös sind auch die üblichen geheimen Deals der Wassermultis mit den Kommunen, wogegen sich der nicht zuletzt durch öffentliche Veranstaltungen mit "Water Makes Money" erfolgreiche "Wassertisch"-Volksentscheid in Berlin richtete: Der Konzern kauft sich bei der Gemeinde ein, um Wasser zu liefern oder Abwasser zu entsorgen. Die gezahlten Hunderte Millionen Euro gelten als Kaufsumme oder auch als Geschenk an die Kommune. Doch die Zahlung der Konzerne entpuppt sich dann als Kredit, der von den Wasserkunden über 20 oder 30 Jahre mit Zins und Zinseszins in dreifacher Höhe zurückgezahlt werden muss.
 
An Beispielen in Frankreich und im deutschen Braunschweig macht der Film ein System erkennbar, das den Wasserkonzernen erlaubt, ihren globalen Expansionskurs zu finanzieren – was inzwischen viele Franzosen motiviert, die Rückkehr zur kommunalen Wasserversorgung anzustreben. Noch schockierender ist die Tatsache, dass in Frankreich die Ressource Wasser mittlerweile in einem bedenklichen Zustand ist. Dabei liegt die Lösung nah und ist absolut kostengünstig: die Ausweisung von Wasserschutzgebieten, auf denen nur Biolandwirtschaft erlaubt ist. Nur die Multis verdienen daran nichts.
 
Weil seit 1993 jedes Jahr am 22. März der "Weltwassertag" stattfindet, beleuchtet ARTE neben der im Film nachgewiesenen für die Bürger kostspieligen Privatisierung in Städten und Gemeinden, durch die das kostbare Gut Trinkwasser immer mehr zur Ware verkommt, im anschließenden "Themenabend" noch ein zweites Problem: den wachsenden internationalen Handel mit in Flaschen abgefülltem Wasser, der sich zu einer gravierenden Umweltsünde auswächst. Dokumentiert wird hier der arglose Umgang mit abgefülltem Trinkwasser, der zu erheblichen Umweltschäden führt.
 
Durch die breite Öffentlichkeit, die das profitgierige Verhalten der Wasserkonzerne durch die erfolgreiche Berliner Volksabstimmung gewonnen hat und nun durch "Water Makes Money“ und den "Themenabend" weiter gewinnen dürfte, bläst den Klägern gegen den Film ein immer schärferer Wind ins Gesicht. VEOLIA kann in Berlin die 1,3 Mrd. € schwere Profitmaschinerie der letzten 10 Jahre auf der Basis der öffentlichen Wasserversorgung nicht länger hinter Geheimverträgen verstecken. Die Berliner haben in ihrer Volksabstimmung die Aufdeckung dieser Verträge mit Gesetzeskraft verfügt. Und schon passiert das, was der Film an den Beispielen Paris, Bordeaux und Toulouse zeigt: Wache Juristen decken die juristischen Untiefen und Tricks im Konsortialvertrag auf, die es den Globalplayern erlauben, Milliarden aus der kommunalen Wasserversorgung zu generieren.


Jean-Luc Touly hat von seinem Arbeitgeber VEOLIA 1 Mio. € geboten bekommen, wenn er seine Recherchen über VEOLIA nicht veröffentlicht. Er arbeitete aber lieber an dem Film mit.
 
Die Filmemacher wissen inzwischen, dass Hans-Peter Schwintowski, Leiter des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht an der Berliner Humboldt-Universität, darauf hingewiesen hat, dass eine saubere juristische Bewertung der Verträge von VEOLIA und RWE keinen anderen Schluss zulässt, als dass sie von vornherein ungültig sind. Die Gewinngarantie in den Geheimverträgen sei faktisch eine EU-genehmigungspflichtige Beihilfe und schon die Ausschreibung sei nicht rechtsgültig gewesen. Damit sei die Teilprivatisierung der Wasserversorgung in Berlin von vornherein ungültig und der Rekommunalisierung der Weg geebnet. Der Kaufpreis von rund 1,8 Mrd. € müsse dann zwar an VEOLIA & Co zurückgezahlt werden, doch auch die Gewinne, immerhin 1,3 Mrd. €, müssen zurück gezahlt werden. Die Filmemacher: "Noch ist es in Berlin nicht so weit mit der Rekommunalisierung. Aber der wichtige Anfang ist gemacht wie damals in Paris, Bordeaux vor 5 Jahren."


Das Wasser in Paris ist zurück in kommunaler Hand
 
Auf die Nachricht von der juristischen Attacke VEOLIAS gegen "Water Makes Money" haben unerwartet viele Menschen reagiert "Es ist einfach wunderbar, wie die Zivilgesellschaft unabhängig denkender und zum verantwortlichen Handeln bereiter Menschen in letzter Zeit an Kraft und Breitenwirkung zugenommen hat", freuen sich die "Kernfilmer" Und: "Es gibt jetzt enorm viele neue Aufführungen des Films – wunderbar!"
 
Verdeckte Karten
 
Auf welche konkreten Punkte im Film sich die Klage VEOLIAS bezieht, werde offiziell erst im Prozess in Paris eröffnet. So kann es der Konzern vermeiden, sich rechtzeitig in die "Karten“ schauen zu lassen. (Nach deutschem Recht wäre das gar nicht möglich!) Unter dem Eindruck der großen Öffentlichkeit wurde der VEOLIA-Anwalt inzwischen jedoch konkreter: Man wolle einen angemessenen Schadensersatz für die Verleumdung des Konzerns einklagen. Man klage gegen den Vorwurf der Korruption, vor allem die Verwendung des Begriffs "Korruption“ im Film. Frage der Filmemacher: "Die Bestechung gewählter Gemeindevertreter, die Besetzung von EU-Gremien mit Konzern-Vertretern, die über die eigene Beauftragung entscheiden, Berichte über die Einladung hoher Staatsbeamter und Ausschussmitglieder auf Yachten in St. Tropez kurz vor der Entscheidung einer milliardenschweren Ausschreibung, all diese und andere Beispiele im Film sollen nichts mit "........“ zu tun haben?" Aber man müsse wohl sowieso davon ausgehen, dass VEOLIA zum Prozess noch einige andere Klagepunkte präsentieren werde.
 
Weitere Einschüchterungsversuche durch Klagen
 
Im Gegensatz zum NDR, bei dem nach Angaben von VEOLIA 2006 eine Intervention des Konzerns genügte, um den Vorgängerfilm "Wasser unterm Hammer“ von der Mattscheibe zu verbannen, stehen ARTE und seine Präsidentin offenbar weiter hinter "Water Makes Money" und den Sendeterminen, obwohl von SUEZ auch gegen den Wasser-Film "Flow“ nach einer Ausstrahlung bei ARTE geklagt wurde. In der ersten Instanz hat dieser 2008 von Irena Salina in den USA produzierte Film gewonnen. Doch SUEZ hat bereits Berufung eingelegt.
 
Was bei dem Verleumdungsprozess mit Schadensersatzforderungen gegen "Water Makes Money" möglich ist, zeigte dieser Tage auch das Beispiel des Canal+ Autors Denis Robert. Auch er wurde wegen Verleumdung angezeigt und schließlich mit hohen Schadensersatzforderungen eingedeckt, nachdem er die Geldwäsche bei Clearstream aufgedeckt hatte. In den Verfahren trieb der Konzern ihn an den Rand des Wahns und Ruins. Er verlor in allen Instanzen. Erst jetzt, nach 10 Jahren, hat ein Kassationsgericht festgestellt, dass alle seine Darstellungen im Wesentlichen richtig waren. Der Umgang der französischen Justiz mit Journalisten wurde von europäischen Instanzen immer wieder gerügt.
 
Aufruf zur Solidarität
 
Bis der Prozess gegen „Water Makes Money“ eröffnet wird, kann es noch ein Jahr dauern. Deshalb hier ein Appell an unsere Leser: Verbreiten Sie diese Infos weiter! Jede weitere Aufführung des Films, jede bestellte DVD machen VEOLIA und SUEZ einen Strich durch die Rechnung! Informieren Sie Ihre Freunde, Bekannten und die Medien über den ARTE-Sendetermin am 22.3. um 20h40! Je mehr Menschen diesem Termin "entgegenfiebern“, desto sicherer wird er. Und der 22.3. soll ARTE den Zuschauererfolg bescheren, den dieser Sender und die zuständigen Redakteure schon jetzt mehr als verdient haben! (PK)
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16081
(2) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16224
(3) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15395
 
Leslie Franke und Herdolor Lorenz erreichen Sie z. B. wegen Filmveranstaltungen oder DVDs unter
film@watermakesmoney.org, mail@kernfilm.de
Mehr Informationen
www.watermakesmoney.com/
Postanschrift:
Kernfilm
Brennerstraße 58 d-
20099 Hamburg / Germany
Tel: (+49) 040/ 24 12 90
Fax: (+49) 040/ 24 12 96


Online-Flyer Nr. 293  vom 16.03.2011

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