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Aktueller Online-Flyer vom 14. April 2025  

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Lokales
Linkspartei vor Kölns McDonald's: Arbeit darf nicht arm machen!
Gesetzlichen Mindestlohn gefordert
Von Hans-Dieter Hey

Ob sie als Kellnerin für 5,20 Euro die Stunde, als Wachmann für 4,50 Euro oder als Fensterputzer für 4,07 Euro arbeiten müssen - sie haben eines gemeinsam: Das Geld reicht kaum, um ein angemessenes Leben zu garantieren. Deshalb taucht von Gewerkschaften und Linkspartei verstärkt die Forderung nach sicheren Mindestlöhnen per Gesetz auf. Die Gewerkschaft ver.di fordert mindestens 7,50 Euro, WASG und Linkspartei.PDS deutlich über 8,00 Euro.

Auf die Situation der Menschen, die zu Dumpinglöhnen arbeiten müssen, machten deshalb am Samstag die WASG und die Linke.PDS mit einer Aktion vor McDonald´s-Geschäften in Köln-Sülz und Mülheim aufmerksam. Der Frikadellen-Brater wurde ausgewählt, weil man dort am deutlichsten die Entwicklung von Armutslöhnen aufzeigen kann. Rund 45.000 Mitarbeiter sind bei McDonald´s beschäftigt, die zu Löhnen von 5,97 Euro bis 6,82 Euro 40 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Nach Auskunft der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) müssen die Mitarbeiter fast regelmäßig zum Gericht, um die ihnen zustehende höchste Gruppe der Vergütung von 7,26 Euro zu erhalten.

Doch auch diese niedrigen Löhne sind nur eine der Spitzen des Eisbergs. Längst werden in der BRD für manche Arbeiten nur noch 4,00 Euro die Stunde gezahlt. Bereits im Jahr 2000 hatte das Arbeitsgericht Bremen in einem Musterverfahren festgestellt, dass Löhne unter 5,87 Euro sittenwidrig sind. Heute - sechs Jahre später - scheinen sittenwidrige Löhne kein Tabu mehr zu sein. In einem der reichsten Länder der Welt verdienen viele nicht mehr genug, um ein angemessenes Leben zu haben. Die Zahl derer, die für so genannte Niedriglöhne arbeiten, liegt bei fast 7 Millionen. Die Zahl derer, die zu Armutslöhnen arbeiten müssen, wird auf fast 4 Millionen geschätzt. 21 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind also "working poor" in dieser Gesellschaft.

Die Entwicklung dieser Dumpinglöhne ist europaweit schon länger mit Sorge betrachtet worden, und inzwischen gibt es gesetzliche Mindestlöhne in einigen Ländern. In Irland werden 7,65 Euro, in Großbritannien 7,36 Euro, in den Niederlanden 7,96 Euro, in Frankreich 8,03 Euro und in Luxemburg 8,69 Euro gezahlt. Ausnahmen sind die südlichen Länder - Spanien mit 3,78 Euro, Portugal mit 2,62 Euro. Wenn die faktische Armutsgrenze in Deutschland auf Höhe des Niveaus des ALG II liegt, müssten gesetzliche Mindestlöhne deshalb deutlich höher liegen. Ob ALG II indessen zum Leben reicht, ist eine ganz andere. Nach Erika Biehn, der Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen (BAG-SHI), wären 7,50 Euro auf jeden Fall zu wenig. In einem Artikel der Sozialistischen Zeitung vom Mai 2006 weist sie nach, dass 10 Euro drin sein müssten. Denn schließlich bekämen auch Ungelernte im Baugewerbe bereits 10 Euro die Stunde.

Mindestlohn-Aktion vor McDonald´s
Mindestlohn-Aktion vor McDonald´s
Foto: Hans-Dieter Hey


Auch für WASG und Linkspartei.PDS ist die Zeit überfällig, dass der Gesetzgeber hierzulande endlich Mindestlöhne festschreibt. Ulla Lötzer aus Köln sitzt für die Linkspartei.PDS im Bundestag und ist aktive Gewerkschafterin. Sie beantwortete der NRHZ als Teilnehmerin an der McDonald´s-Aktion einige Fragen.

NRHZ: Warum sind für WASG und die Linkspartei.PDS Niedriglöhne notwendig?

Lötzer: Als erstes begrenzt ein gesetzlicher Mindestlohn Armut mit Arbeit. Allein in NRW gibt es 1,5 Millionen Menschen, die zu Niedriglöhnen und über 500.000, die zu Armutslöhnen arbeiten. Das heißt, sie bekommen weniger als 50 % des Durchschnittslohnes. Für uns ist es auch eine Frage der Würde, mit einem gesetzlichen Mindestlohn einen Lohn durchzusetzen, der zum Leben reicht. Wir wollen auch gewerkschaftliche und tarifliche Macht wieder stärken. Das geht offensichtlich heute nicht mehr so einfach, ohne eine gesetzliche Untergrenze zu schaffen. Und die muss auch mit den Gewerkschaften in einem Mindestlohnrat diskutiert und mit ihnen eingeführt werden, auch die später Fortschreibung des Mindestlohnes. Der freie Fall der Tariflöhne soll damit auch begrenzt werden. Ich will nur an etwas erinnern, was völlig vergessen wird. Die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen schreibt sogar vor, dass der Lohn zum Überleben nicht nur Einzelner, sondern auch der Familie ausreichen muss. Beschäftigte in Armutslöhnen können sich inzwischen kaum selbst ernähren, geschweige denn ihre Familien. Jetzt muss endlich mal dieser Verfassungsauftrag wahrgenommen werden!

NRHZ: Aber zur Zeit wird doch von der Schwarz-Roten Regierung wieder der so genannte Kombilohn diskutiert und weniger der gesetzliche Mindestlohn.

Lötzer: Das ist sehr schlimm. Wir lehnen Kombilöhne, wie sie auch der Arbeitsminister von NRW, Laumann (CDU), vorschlägt, ab. Und zwar erstens, weil sie zur Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse führen und zu einer Ausweitung des Niedriglohnsektors. Und zweitens haben wir längst Kombilöhne in Form von Hartz IV. In Köln gibt es ca. 11.000 Familien, die zusätzlich zu ihrem Lohn noch Hartz IV beziehen, weil dieser Lohn nicht zum Überleben reicht. Das kostet den Staat Unsummen an Geld. Und hier sollte man sparen, statt bei den Arbeitslosen.

Ulla Lötzer im NRhZ-Interview
Ulla Lötzer im NRhZ-Interview
Foto: Hans-Dieter Hey


Offensichtlich finden WASG und Linkspartei.PDS Rückhalt für ihre Forderungen in der Bevölkerung. Nach einer Umfrage von Infratest unterstützen 84 % der Linkspartei.PDS und WASG-Anhänger, 63 Prozent der SPD-Anhänger und sogar 46 % der CDU-Anhänger gesetzliche Mindestlöhne. Selbst bei Nichtwählern ist die Zustimmung mit 59 % hoch, und noch klarer haben sich die Unentschlossenen mit 69 % dafür ausgesprochen.

Karl-Josef LaumannTrotz dieses klaren Votums in der Bevölkerung ist fraglich, ob die Schwarz-Rote Regierung in Berlin letztlich Mindestlöhne wirklich durchsetzten will. Am 11. April erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber der FAZ-Online: "Wir wollen keinen gesetzliche festgelegten Mindestlohn". CDU-Generalsekretär Volker Kauder hatte sich genauso gegen einen allgemeinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn ausgesprochen wie der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann. Offensichtlich hat der die Verfassung seines Landes nicht gelesen. Zu seiner Erinnerung hier einige Zitate, die wir ihm mit dieser NRhZ-Ausgabe zukommen lassen werden:


Auszug aus der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950

Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat am 6. Juni 1950 folgendes Gesetz beschlossen, das gemäß Artikel 90 am 18. Juni 1950 durch Volksentscheid von der Mehrheit der Abstimmenden bejaht worden ist:

Präambel

In Verantwortung vor Gott und den Menschen, verbunden mit allen Deutschen, erfüllt von dem Willen, die Not der Gegenwart in gemeinschaftlicher Arbeit zu überwinden, dem inneren und äußeren Frieden zu dienen, Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle zu schaffen, haben sich die Männer und Frauen des Landes Nordrhein-Westfalen diese Verfassung gegeben:...

Artikel 24

(1) Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit.

(2) Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familie decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn. Das gilt auch für Frauen und Jugendliche.

Online-Flyer Nr. 48  vom 14.06.2006

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