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Arbeit und Soziales
Neues "Wirtschaftswunder“ auf dem Rücken sozialer Not?
Bundesregierung Ignoranz vorgeworfen
Von Peter Kleinert
„Da die offensichtlich unbelehrbare Bundessozialministerin von der Leyen die „tief besorgte“, wiederholte Kritik des neuesten Staatenberichts der Vereinten Nationen an Deutschlands sozialen Missständen wieder einmal als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet, wird es endlich höchste Zeit, dass ihr das Bundesverfassungsgericht noch einmal nachdrücklicher klar macht,
Hartz4-Plattform Sprecherin Brigitte Vallenthin
„Wir hatten schon geahnt, dass die Ministerin selbst dem Bundesverfassungs-gerichtsurteil in Sachen Hartz IV vom 9. Februar 2010 wenig Respekt zollen würde. Deshalb haben wir bereits un- mittelbar nach der Verabschiedung des nur mit der Note 6 zu beurtei-lenden neuen Hartz IV-Gesetzes begonnen, die brennendsten Einzel-Probleme für den Rechts- weg nach Karlsruhe vorzubereiten. Die von unserer Bürgerinitiative unterstützten Sozialge- richts-Klagen in drei Bundesländern betreffen die Höhe des Regel-satzes, die Sanktionen sowie das so genannte Bildungspaket – und zwar alle mit dem Antrag zur Vorlage und Überprüfung beim Bundesverfassungsgericht.“
Online-Flyer Nr. 310 vom 13.07.2011
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Arbeit und Soziales
Neues "Wirtschaftswunder“ auf dem Rücken sozialer Not?
Bundesregierung Ignoranz vorgeworfen
Von Peter Kleinert
„Da die offensichtlich unbelehrbare Bundessozialministerin von der Leyen die „tief besorgte“, wiederholte Kritik des neuesten Staatenberichts der Vereinten Nationen an Deutschlands sozialen Missständen wieder einmal als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet, wird es endlich höchste Zeit, dass ihr das Bundesverfassungsgericht noch einmal nachdrücklicher klar macht,
welche Verantwortung sie hier endlich übernehmen muss,“ empört sich Hartz4-Plattform Sprecherin Brigitte Vallenthin über "die Ignoranz der Bundesregierung" gegenüber Millionen Lebensschicksalen.
Hartz4-Plattform Sprecherin Brigitte Vallenthin
NRhZ-Archiv
Erschütterndes Sozialgerichtsurteil
Die Regelsatz-Klage habe im "vorgeschalteten Eilverfahren" zu einem erschütternden Ergebnis geführt: Das Sozialgericht meinte, fast 12 % Unterschreitung des „menschenwürdigen Existenzminimums“ könne keine Notlage und damit Eilbedürftigkeit begründen. Die Klage basierte auf den verfassungsrechtlichen Bedenken von Prof. Dr. jur. Johannes Münder, Technische Universität Berlin, der von einer Mindest-Regelsatzhöhe von
412 € ausgeht. Für eine Chance auf eine zuvor ermittelte Regelsatzhöhe um 600 € sieht die Hartz4-Plattform inzwischen ebenso wenig Aussicht in Karlsruhe wie auch für die Anfechtung der Einkommens- und Verbrauchs- stichprobe vom Statistischen Bundesamt zugunsten einer Warenkorb-Methode, mit der Ministerin von der Leyen versucht, Ihre Zahlen zu begründen. Denn dadurch dass der ehemalige Kläger beim Bundesverfas- sungsgericht die Weiterführung seiner Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurück genommen hat, dürfte eine solche rechtliche Prüfung gleichzeitig gekippt sein. „Die Annahme, dass die Verfassungsrichter ihr eigenes Urteil vom 9. Februar 2010 dahingehend korrigieren würden, dürfte im Reich der Illusionen angesiedelt sein“, resümiert Brigitte Vallenthin enttäuscht.
Der aktuelle Ablehnungsbeschluss des Sozialgerichts Hannover kommt zu folgendem Ergebnis:
- „Höhere Leistungen könnten dem Antragsteller (…) allenfalls aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die aktuelle Rechtslage für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt würde, zustehen.
- Eine solche Entscheidung liegt aber nicht vor.
- Das Gericht sieht sich auch nicht veranlasst, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.“
Die Regelsatz-Klage habe im "vorgeschalteten Eilverfahren" zu einem erschütternden Ergebnis geführt: Das Sozialgericht meinte, fast 12 % Unterschreitung des „menschenwürdigen Existenzminimums“ könne keine Notlage und damit Eilbedürftigkeit begründen. Die Klage basierte auf den verfassungsrechtlichen Bedenken von Prof. Dr. jur. Johannes Münder, Technische Universität Berlin, der von einer Mindest-Regelsatzhöhe von
412 € ausgeht. Für eine Chance auf eine zuvor ermittelte Regelsatzhöhe um 600 € sieht die Hartz4-Plattform inzwischen ebenso wenig Aussicht in Karlsruhe wie auch für die Anfechtung der Einkommens- und Verbrauchs- stichprobe vom Statistischen Bundesamt zugunsten einer Warenkorb-Methode, mit der Ministerin von der Leyen versucht, Ihre Zahlen zu begründen. Denn dadurch dass der ehemalige Kläger beim Bundesverfas- sungsgericht die Weiterführung seiner Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurück genommen hat, dürfte eine solche rechtliche Prüfung gleichzeitig gekippt sein. „Die Annahme, dass die Verfassungsrichter ihr eigenes Urteil vom 9. Februar 2010 dahingehend korrigieren würden, dürfte im Reich der Illusionen angesiedelt sein“, resümiert Brigitte Vallenthin enttäuscht.
Der aktuelle Ablehnungsbeschluss des Sozialgerichts Hannover kommt zu folgendem Ergebnis:
- „Höhere Leistungen könnten dem Antragsteller (…) allenfalls aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die aktuelle Rechtslage für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt würde, zustehen.
- Eine solche Entscheidung liegt aber nicht vor.
- Das Gericht sieht sich auch nicht veranlasst, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.“
„Menschenwürdiges Existenzminimum“?
Das Verfahren befindet sich inzwischen in der Hauptsache-Klage der ersten Instanz beim Sozialgericht. Die Sanktions-Klage gegen den § 31 SGB II - alter und neuer Fassung - wurde ebenfalls als Eilklage beim Sozialgericht eingereicht. Hier liegt nach Ansicht der Hartz4-Plattform zweifelsfrei eine Notlage vor - und zwar im Sinne des vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 verkündeten Grundrechts auf unanfechtbares „menschenwürdiges Existenzminimum“.
Denn im Urteil der Verfassungsrichter heiße es:
- „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (...) sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
- Dieses Grundrecht (...) hat (...) neben dem absolut wirkenden Anspruch (...) auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden (...).“
Der verfassungsrechtliche Anspruch an die Festlegungen als „unerlässlich“ und
„unverfügbar“ sowie das „Muss“ an eine „Einlösung“ schließen nach Einschätzung der Hartz4-Plattform einen Eingriff in dieses Grundrecht durch die Hartz IV-Verwaltung zweifelsfrei aus. „Wir können uns nicht vorstellen, dass die Verfassungsrichter für den Hartz IV-Sanktions-Paragrafen-31 eine Ausnahme des verfassungsrechtlichen "Anspruchs“ bestätigen würden“, so Brigitte Vallenthin.
Das Verfahren befindet sich inzwischen in der Hauptsache-Klage der ersten Instanz beim Sozialgericht. Die Sanktions-Klage gegen den § 31 SGB II - alter und neuer Fassung - wurde ebenfalls als Eilklage beim Sozialgericht eingereicht. Hier liegt nach Ansicht der Hartz4-Plattform zweifelsfrei eine Notlage vor - und zwar im Sinne des vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 verkündeten Grundrechts auf unanfechtbares „menschenwürdiges Existenzminimum“.
Denn im Urteil der Verfassungsrichter heiße es:
- „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (...) sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
- Dieses Grundrecht (...) hat (...) neben dem absolut wirkenden Anspruch (...) auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden (...).“
Der verfassungsrechtliche Anspruch an die Festlegungen als „unerlässlich“ und
„unverfügbar“ sowie das „Muss“ an eine „Einlösung“ schließen nach Einschätzung der Hartz4-Plattform einen Eingriff in dieses Grundrecht durch die Hartz IV-Verwaltung zweifelsfrei aus. „Wir können uns nicht vorstellen, dass die Verfassungsrichter für den Hartz IV-Sanktions-Paragrafen-31 eine Ausnahme des verfassungsrechtlichen "Anspruchs“ bestätigen würden“, so Brigitte Vallenthin.
Die Klage gegen das Bildungspaket erkläre sich schon fast allein durch dessen öffentliches Scheitern. Die Hartz4-Plattform empfinde es als Skandal, dass das neue Hartz IV-Gesetz nicht nur gegen die Vorgaben der Verfassungsrichter zur transparenten Ermittlung der Kinderregelsätze verstößt, sondern obendrein ihren individuellen Anspruch auf Bildung und Teilhabe vom Regelsatz abtrennt und auf Kosten der Steuerzahler zu einem "stigmatisierenden, bürokratischen Monster" aufbläht. „Es wundert deshalb nicht, dass diesen Datenschutz- und verfassungsfeindlichen Hürdenlauf aus vielen guten Gründen nur Wenige auf sich nehmen können“, stellt Brigitte Vallenthin fest. Deshalb werde die Eilklage zum so genannten Bildungspaket in Kürze eingereicht.
„Bei der UN-Kritik zum Thema Menschenwürde in Deutschland gehe es nicht um „wissenschaftliche Fakten“, mit deren Fehlen sich Ministerin von der
Leyen rauszureden versuche, es gehe vielmehr „um reales, individuelles, täglich gelebtes Leiden in Deutschland,“ fasst die Hartz4-Plattform Sprecherin zusammen. „Ich schäme mich für eine Bundesregierung, die andernorts Menschenrechte einfordert aber gleichzeitig die am weltweiten Maßstab der Menschenwürde gemessenen und mit Besorgnis wiederholt geäußerten Missstände im eigenen Lande lapidar mit „nicht nachvollziehbar“ beiseite schiebt. Und ich bin enttäuscht von Richtern, die den Wert von 48 € mehr im Monat offenbar nur am Maßstab ihres eigenen Einkommens als „Peanuts“ messen. Wir erwarten, dass sich die Richter in Sachen Sanktionen und Bildungspaket bereits im Eilverfahren eher dem Maßstab des Bundesverfassungsgerichts sowie des weltweiten Maßstabs der Menschenwürde der Vereinten Nationen verpflichtet fühlen“, hofft Brigitte Vallenthin. (PK)
„Bei der UN-Kritik zum Thema Menschenwürde in Deutschland gehe es nicht um „wissenschaftliche Fakten“, mit deren Fehlen sich Ministerin von der
Leyen rauszureden versuche, es gehe vielmehr „um reales, individuelles, täglich gelebtes Leiden in Deutschland,“ fasst die Hartz4-Plattform Sprecherin zusammen. „Ich schäme mich für eine Bundesregierung, die andernorts Menschenrechte einfordert aber gleichzeitig die am weltweiten Maßstab der Menschenwürde gemessenen und mit Besorgnis wiederholt geäußerten Missstände im eigenen Lande lapidar mit „nicht nachvollziehbar“ beiseite schiebt. Und ich bin enttäuscht von Richtern, die den Wert von 48 € mehr im Monat offenbar nur am Maßstab ihres eigenen Einkommens als „Peanuts“ messen. Wir erwarten, dass sich die Richter in Sachen Sanktionen und Bildungspaket bereits im Eilverfahren eher dem Maßstab des Bundesverfassungsgerichts sowie des weltweiten Maßstabs der Menschenwürde der Vereinten Nationen verpflichtet fühlen“, hofft Brigitte Vallenthin. (PK)
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