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Globales
Bürgerkriege für eine neue Form der Sklaverei in der Elfenbeinküste – Teil 1
Im Interesse des hungrigen Frankreich und der USA
Von Hans und Hosseini

„Du kannst dir gar nicht vorstellen wie gut es sein kann, wenn die Wahrheit erzählt werden darf. Ein großer Teil der Bevölkerung fühlt sich hier in der Elfenbeinküste wie im Gefängnis. Es ist nicht erlaubt, mit anderen um dich herum über Politik zu reden oder genau zu erzählen, was in den Städten geschieht, in den Dörfern oder wo auch immer Menschen sind. Und das, weil die Soldaten der Armee, welche seit 2002 als die normalen Rebellen von Ouattara Alassane angesehen werden, die Bosse der Straßen in allen anderen Orten des Landes sind“, mailte mir Hosseini (Name geändert) vor ein paar Wochen aus der Republik Elfenbeinküste (République de Côte d'Ivoire). „Niemand anderes ist frei irgendetwas zu tun oder zu sagen...“ – Hier der erste Teil einer Serie über die ehemalige französische Kolonie in Westafrika, über die ein deutscher privater "Entwicklungshelfer“ berichtet, dessen Namen wir ebenfalls lieber nicht nennen wollen, obwohl er sie längst wieder verlassen hat.


Kinder der Elfenbeinküste
Quelle: www.wildchimps.org
Ich selbst war im Jahr 2007 zuerst 6 Monate in Äthiopien und dann einen Monat in Mali, um mit den Menschen dort zusammen zu leben, und ihnen etwas zu helfen. Es sind dort so einige lokale Hilfsorganisationen entstanden. Danach bin ich, auf Bitte meines alten Freundes Hosseini zu ihm in die Elfenbeinküste gefahren. Aus der Hoffnung, ich könnte dort mit ihm zusammen helfen, sein Land nach dem ersten Bürgerkrieg wieder aufzubauen, wurde aber dann nichts, weil ich dort zweimal Malaria bekam. Doch letztendlich entstand durch diesen einmonatigen Aufenthalt in dem westafrikanischen Land doch die Hilfsorganisation meines Freundes, der in seiner Mail weiter schrieb:

„Wir können überall nur Militärkleidung und Waffen sehen. Bei den vielen Kontrollen und Überprüfungen nehmen sie meistens alles mit, was sie in deinen Taschen und im Gepäck finden können. Aber auch nachts ist es bei dem, was hier wirklich geschieht, nicht möglich, sich frei zu fühlen, weil die Ohren ständig geöffnet sind, um auf die Geräusche draußen zu hören wegen der fürchterlichen Angst. Bis jetzt können wir nicht sicher in unserem eigenen Haus schlafen, wo wir uns früher wohl gefühlt hatten, wegen der Anwesenheit von vielen vielen Gangstern und allen möglichen Kriminellen... gefährliche Diebe usw. Überhaupt nichts läuft richtig. Aber die Armee von Frankreich und die der Vereinten Nationen wollen der Welt vormachen, dass hier alles gut läuft.

Tatsächlich leben wir, wenn überhaupt, unter drei Armeen - denk daran, dass die dritte die Armee von Alassane Outtara ist, der von Nicolas Sarkozy und Obama geholfen wird. Es ist fürchterlich für uns, dass alle Welt nicht die Wahrheit über die Elfenbeinküste weiß, und ebenso wenig über die reale Politik in den Afrikanischen Ländern. Vor allem viele einst kolonisierte Länder werden weiterhin in Sklaverei gehalten - durch das "hungrige“ Frankreich. Das Beste, um ein wenig sicher zu sein, ist ein Leugner zu sein, wenn du die gefährlichen Soldaten siehst, welche viele Menschen, die aus dem Westen der Elfenbeinküste stammen, getötet haben, aber auch viele von denen, die bei den Wahlen nicht für Alassane Outtara gestimmt hatten. Die Leute von Alassane Outtara aber reden gleichzeitig von Vergebung oder vom Zusammenkommen in einer Gemeinschaft. Lieber Bruder, so leben wir zurzeit in der Elfenbeinküste. Du weißt, ich bin seit langer Zeit damit beschäftigt, für Frieden und Glauben zu leben, als ein spirituell guter Mensch. Ich lebe nicht für Politik oder Politiker. Ich möchte nur, dass das Leben leichter wird, frei und ehrlich für alle in dieser Welt. Danke vielmals dafür, dass Du nun soviel gelesen hast.“


Alassane Outtara – wurde inzwischen Präsident der ehemaligen französischen Kolonie
Quelle: www.newstimeafrica

Als ich Housseini vor ein paar Wochen antwortete, ich wolle einen Zeitungsartikel über die Situation in seinem Land veröffentlichen, antwortete er mit einer Mail. "Die "Besatzungsmächte“ versuchen zwar der Welt klar zu machen, dass seit dem Rücktritt von Präsident Gbagbo Laurent alles in Ordnung sei, aber das ist keineswegs der Fall.“ - Housseini ist Gründer einer Hilfsorganisation, welche den Kindern und Frauen hilft, die unter den Kriegsfolgen leiden. Er hat die Organisation im Jahr 2008, etwa ein Jahr nach dem Ende des ersten Bürgerkriegs in seinem Land gegründet, zusammen mit seiner Freundin.

Die Elfenbeinküste 1994 vor dem ersten Bürgerkrieg

Alle Länder Westafrikas, in denen Französisch gesprochen wird, gehören zur westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS - ähnlich der Europäischen Gemeinschaft - in der jeder frei wählen kann, wo er lebt und arbeitet, und die Elfenbeinküste gehört auch dazu. Jeder kann frei reisen und arbeiten in diesen Ländern, auch ohne Pass, und mein Visum für Mali war damals auch gültig für Burkina Faso und die Elfenbeinküste. Viele junge Westafrikaner verbringen Jahre in ihren Nachbarländern um dort zu arbeiten. Sie haben auch eine gemeinsame Währung.

In der Elfenbeinküste war alles viel weiter entwickelt, und die Natur gab viel mehr her als in anderen Ländern Westafrikas. Die Städte waren groß und hatten viele gute und saubere Straßen. Selbst im Dorf sah man ein paar Steinhäuser im modernen Baustil mit Fenstern und mehreren Zimmern. Aber man sah auch sehr viele Bauruinen, neue Häuser die im Rohbaustadium ohne Dach verlassen worden waren. Das passierte, weil die französische Regierung im Jahr 1993 ohne Ankündigung über Nacht die Westafrikanische Währung CFA-Franc um 100% entwertet hatte, und danach die importierten Baumaterialien zu teuer wurden. Trotzdem war die Elfenbeinküste noch das Vorzeigebeispiel bzw. das am besten entwickelte Land Westafrikas.

Die Menschen waren anders als im übrigen Westafrika: es gab niemanden, der an Geld dachte, keine Betrügereien, und sie wollten mir damals sogar ein Grundstück schenken, um mich für immer in ihrem Dorf zu haben. Sie legten viel Wert darauf, immer engen Kontakt zu allen zu haben, haben für alle selbstverständlich mit gesorgt. Hier war der Charakter der Menschen viel offener, aufnehmender und fürsorglicher als in irgendeinem anderen Westafrikanischen Land. Jeden Morgen hatte ich einen Rundgang durchs Dorf gemacht, um alle Verwandten der Familie, bei der ich wohnte, zu besuchen, und wenn ich das mal nicht tat, waren sie sehr enttäuscht. Um das Dorf herum war nur Urwald, in dem sich Reis-, Erdnuss- und Maisfelder, sowie Kakao-, Kochbananen- und Palmenplantagen befanden.
Aber schon damals hatte Frankreich öfter versucht, etwas gegen die Regierung der Elfenbeinküste zu unternehmen, da die Präsidenten der Elfenbeinküste die einzigen in Westafrika waren, die nicht alles taten, was die Franzosen von ihnen wollten, sondern selbst und für Afrika dachten.

Housseini ist 1998 nach Frankreich und anschließend nach Deutschland gegangen und hat eine Zeit lang in Köln gelebt. Als er im Jahr 2000 schließlich Asyl beantragte, wurde er kurz darauf in die Elfenbeinküste abgeschoben, ohne die Möglichkeit irgendetwas von seinem Besitz oder seinen Papieren mitzunehmen. Genau eine Woche nach der Abschiebung brach in seinem Land der erste Bürgerkrieg aus, der bis 2007 dauerte. Der zweite, wieder ein Krieg zwischen  den Interessen der Menschen der Elfenbeinküste - personifiziert von Laurent Gbagbo - und den Interessen von Frankreich und den USA - personifiziert durch Allassane Ouattara - begann im Jahr 2010 und endete 2011.

Die Elfenbeinküste 2007 - 3 Monate nach dem ersten Bürgerkrieg

Die Grenzüberquerung von Burkina Faso zur Elfenbeinküste im Zug war für mich wie in ein gesetzloses Niemandsland zu gehen. Die Einreise erfolgte auch offiziell erst beim Erreichen der Stadt Dimbokro (an der Grenze im Süden des Landes), nach ca. 15 Stunden Zugfahrt. Dort war zwar kein Krieg mehr, aber das Verhalten vieler Menschen war sehr terrorisierend, besonders durch die vielen Banden von ehemaligen Soldaten (Rebellen), die dadurch nur Geld machen wollten. Während der Fahrt kam eine Bande nach der anderen in den Zug. Sie forderten einfach Geld von allen, beschlagnahmten als angeblich "Offizielle“ oft erst alle Ausweise und sonstigen Papiere und verlangten anschließend von jedem Fahrgast für die Rückgabe jedes Papieres Geld, oft 500 F CFA. Die meisten bezahlten immer wieder, aber manche konnten das irgendwann nicht mehr und verloren dadurch ihre Papiere. Als dann die richtige Grenze im Süden des Landes kam, wurden diese Leute von der Polizei mit Geldbußen bestraft, und wenn sie nichts hatten oder es erklären wollten, wurden sie geschlagen oder eingesperrt, alles ohne Grund, nur um den Banditen innerhalb eines Tages Millionen zu verschaffen...
Der Charakter aller Menschen hier war brutal geworden, sogar die Kinder hatten sich angewöhnt, jeden zu terrorisieren. Früher war dieses Land das Land mit den freundlichsten und ehrlichsten Menschen von Westafrika, nun ist diese Eigenschaft zerstört, wohl für viele Generationen... Überall dieses grässliche Gesicht von Brutalität und Beliebigkeit. Die Häuser hatten nicht viel gelitten, die standen alle noch so da wie früher, aber die Menschlichkeit war zerstört worden, man wusste nie, ob man nicht im nächsten Moment ein Opfer von Geldsucht und Hoffnungslosigkeit anderer würde. Ich wollte (konnte) hier nicht leben. Einen Monat später bin ich - angeblich wegen der Malaria aber eigentlich wegen anderen Gründen die mit den Menschen hier zu tun hatten - gegangen. Aber das hatte ich denen Leuten nicht so gesagt.
 
Was mir sehr deutlich wurde, war, dass die materielle Entwicklung keine Bedeutung für Lebensqualität hat, wenn die geistige Entwicklung so zerstört wird, oder Terrorisieren für Geld alles im Leben bestimmt. Wie muss es vorher gewesen sein, als hier noch Krieg war? Menschen erschossen und verstümmelten beliebig und grundlos andere Menschen, nur für Geld oder Material fürs momentane Überleben in einer großen Armut, nur weil ein Mensch (Alassane Outtara), der Präsident werden wollte, sie dafür bezahlte... Sinn spielt im Krieg keine Rolle... Die Leute sagten mir, so ist jetzt nun mal die Elfenbeinküste.

Früher, im Jahr 2000, vor dem ersten Bürgerkrieg, hatte dieses Land einen Militärischen Machthaber, Robert Guéï, der durch einen Putsch an die Macht gekommen und dessen Vater unbekannt war. Er galt daher als Ausländer, es war schon früher ein Gesetz umstritten, das Ausländern nicht erlaubte, Präsident der Elfenbeinküste zu werden. Dieser Machthaber wurde jedoch vor allem unbeliebt, da er die Staatsgelder privat benutzte, und als er merkte, er würde bei den nächsten Wahlen nicht wiedergewählt werden, holte er sehr viele Ausländer aus Burkina Faso und Mali ins Land. Er gab ihnen Personalausweise der Elfenbeinküste, denn diese Menschen befürchteten, aus dem reichen Land (die Elfenbeinküste war damals relativ reich) in ihre arme Heimat vertrieben zu werden, wenn ein Mensch aus der Elfenbeinküste Präsident würde. Sie würden deshalb nur einen "Ausländer" als Präsident wählen.


Laurent Gbagbo – im Jahr 2000
zum Präsidenten gewählt
Quelle: wikipedia
Präsidentschaftskandidat Laurent Gbagbo, welcher sein Leben lang als Aktivist für Gerechtigkeit in seinem Land gekämpft hatte und dafür misshandelt und verbannt worden war, wurde schließlich im Jahr 2000 von der Bevölkerung gewählt. Allassane Ouattara, dessen Eltern aus Burkina Faso hier her gekommen waren, durfte damals nicht kandidieren. Aber der alte Machthaber wollte die Macht nicht abgeben, und als die Menschenmassen dagegen protestierend über die Brücke in die Innenstadt von Abidjan einzogen, ließ er durch die Armee alle auf der langen Brücke der Stadt erschießen. Viele sprangen ins Wasser und ertranken da sie nicht schwimmen konnten.

Als der Machtwechsel durch die Wahl schließlich doch stattfand, erklärte der neue Präsident Laurent Gbagbo, er wolle den Ausländern helfen, wieder in ihre Heimat zu gehen. Daraufhin starteten die "Ausländer" im Jahr 2000, eine Woche nachdem mein Freund Housseini aus Deutschland abgeschoben worden war, unter der Führung von Allassane Ouattara (alle im Norden, da sie Moslems sind und im Norden bereits einheimische Moslems lebten) den ersten langjährigen Bürgerkrieg. Sie zogen in Banden als plündernde Soldaten durch die Städte und Dörfer, ermordeten viele Menschen oder hackten ihnen die Hände ab. Auch viele Kinder wurden gezwungen, an diesem Krieg teilzunehmen. Sehr viele Menschen flohen entweder in den Süden, aus dem die Armee die Rebellen schnell vertreiben konnte, oder in die Nachbarländer Burkina Faso und Mali. Es gab jeden Tag sehr grausame Bilder in den Zeitungen. Dann kam die Französische Armee ins Land, und deren Soldaten erschossen an einem Tag 60 junge Leute, die sich um den Präsidentenpalast geschart hatten, um Präsident Laurent Gbagbo vor den Franzosen zu schützen, welche ihn umbringen wollten. Alle diese 60 jungen Leute waren unbewaffnet. Grund für das Verhalten der Französischen Armee: Sie wollten ihre Rohstoffe aus Côte d’Ivoire für ihr Land sicherstellen.

Wieder Frieden im Land

Schließlich rief Präsident Laurent Gbagbo die Rebellen unter der Führung von Allassane Ouattara zu Verhandlungen, aber diese haben ihm misstraut, sind nicht gekommen, haben weiter gekämpft. Erst als Gbagbo allen Rebellen offiziell alles vergeben hatte, kamen sie zu den angebotenen Diskussionen. Er fragte sie: Was habt ihr gegen mich? Sie hatten keine Antwort. Er fragte: Wen wollt ihr statt mir als Präsidenten? Sie fanden niemand. So beschlossen sie im Jahr 2007, bis zu den Neuwahlen, die im folgenden Jahr sein sollten, aber erst 2010 stattfanden, zusammen zu regieren, und einer der Rebellenführer, Alassane Ouattara, wurde Ministerpräsident. Seitdem gab es wieder Frieden im Land, durch Verzicht und die grenzenlose Vergebung des Präsidenten.

Während dieses Krieges hatte die christliche Kirche viele neue Mitglieder bekommen, das Land, zumindest der Süden, war viel religiöser geworden, fast alle Läden hatten draußen etwas Christliches angeschrieben. Während des Krieges waren die Menschen meist nur in ihrem Haus geblieben, niemand auf der Straße, außer den Soldaten die sich beschossen, und jeden der sich auf die Straße wagte. Nun wurde jede dritte Straße wieder eine Marktstraße, überfüllt mit Menschen, es sah wieder so aus, als wäre die ganze Stadt ein Markt. Die Menschen hofften, dass mehr Ausländer ins Land kommen würden, um die Situation zu verändern.

Im Fernsehen sah es zu dieser Zeit so aus, als gäbe es im Land überhaupt keine Probleme mehr, es wurde ja nur über den Süden des Landes berichtet, den geregelten offiziellen Teil. Der Norden, der größte Teil des Landes, wo immer noch Chaos herrschte, wo kein Gesetz sondern Banden alles bestimmten, wurde nicht erwähnt - als gäbe es ihn nicht. (PK)


Teil 2 berichtet in der nächsten Ausgabe über die soziale Arbeit der Organisation, die Housseini gegründet hatte, welche auch während des zweiten Bürgerkrieges weiter den Kindern und Frauen im ganzen Land half, die unter dem Krieg litten.

Online-Flyer Nr. 316  vom 24.08.2011

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