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Aktueller Online-Flyer vom 03. Dezember 2024  

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Inland
Grün-Rot-Regierung in BaWü soll ihre Wahlversprechen einlösen:
Friedenspolitische Kurskorrektur in den Hochschulen!
Von Peter Kleinert

Mehr als 20 Gruppen und 40 Personen, überwiegend Studierenden-Vertretungen, Friedensgruppen, Uni-Professoren, Gewerkschafter und Pfarrer, haben sich anlässlich des Antikriegstags mit einem Offenen Brief an die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer von den Grünen gewandt. Sie erwarten, dass den Wahlaussagen von Bündnis 90/Grüne und SPD zur Landtagswahl, die Hochschulforschung möge nur friedliche Zwecken verfolgen (Zivilklausel), nun auch Taten folgen.
 

Theresia Bauer (Grüne) zu Besuch beim Heidelberger
Institut für Theoretische Studien
Der Brief wendet sich gleichzeitig an die Präsidenten des Karlsruher Instituts für Technologie KIT und den Rektor der Universität Tübingen mit der Erwartung, eine friedenspoli-tische Kurskorrektur einzuleiten. Bei der Fusion des (Kern)- Forschungszentrums mit der Universität Karlsruhe zum KIT sei dessen über Jahrzehnte erfolgreich praktizierte Zivilklausel nicht auf die Universität übertragen worden, entgegen der Forderung der Studierenden und vieler anderer. Die bislang unvorstellbare Folge: Kern- und Waffenforschung unter einem Dach.
 
Chef der NATO-"Sicherheitskonferenz“ zum Honorarprofessor bestellt
 
Die Universität Tübingen habe mit der Bestellung des Chefs der NATO-"Sicherheitskonferenz“ zum Honorarprofessor gegen die Selbstverpflichtung der Ende 2009 beschlossenen Zivilklausel verstoßen. Das gleiche gelte für die wehrmedizinische Forschung, die vom Bundesverteidigungsministerium unter Geheimschutz gestellt worden ist, wie der DGB-Arbeitskreis Tübingen in einem Schreiben an den Rektor Anfang August festgestellt und deshalb Konsequenzen angemahnt hat. Die Unterzeichnenden erklären zivile und humanitäre Konfliktlösungen anstelle von Krieg und Militäreinsätzen als unabweisbares Gebot der Vernunft und die Friedensbeiträge der Wissenschaft als unverzichtbar. Dem möge die Landesregierung Baden-Württemberg bei den anstehenden Novellierungen des KIT-Gesetzes und des Landeshochschulgesetzes durch Einfügung der Zivilklausel Ausdruck verleihen.
 
Petition für eine KIT-Zivilklausel ignoriert
 
Einer der Initiatoren des Offenen Briefs, Dr.-Ing. Dietrich Schulze vom Beirat NaturwissenschaftlerInnen-Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“, erläutert dazu, dass die kurz vor der Landtagswahl an das KIT-Präsidium übergebene Petition für eine KIT-Zivilklausel mit 450 Unterzeichnern, darunter viele internationale Persönlichkeiten wie der Bürgermeister von Hiroshima und mehrere Nobelpreisträger sowie Ministerpräsident Kretschmann und die Minister Bauer und Schmid, ignoriert wurde und nun die Landespolitik gefordert sei, ebenso wie im Fall Tübingen. Die dreijährige Auseinandersetzung um Zivilorientierung und Friedensbindung des KIT habe den Anstoß für bundesweite und internationale Initiativen gegen Forschung und Lehre für militärische Zwecke an Hochschulen gegeben. Im Mai fand nach längerer Pause ein Kongress mit Studierenden aus 30 Hochschulen an der TU Braunschweig statt, der einerseits die ständig zunehmende Militarisierung in den Hochschulen, aber auch den anwachsenden Widerstand dagegen bilanzierte.
 
Stiftungsprofessur für Bremer Weltraumrüstungsfirma?
 
Dazu zählt die auf Initiative des AStA der Universität Bremen und des Bremer Friedensforums seit letztem Jahr geführte Kampagne, die dort seit 1986 bestehende Zivilklausel zu erhalten. Der AStA, unterstützt von einer größeren Bremer ProfessorInnen-Gruppe und der Friedensbewegung, erklärt die beabsichtigte Stiftungsprofessur der Bremer Weltraumrüstungsfirma OHB als unvereinbar mit der Zivilklausel und ruft zur Unterzeichnung einer Online-Petition www.petitiononline.com/astauniB/petition.html auf. Auf Druck der Firma will die Leitung der Universität die Zivilklausel mit der OHB-Rüstung und deren Bundeswehr-Kooperation vereinbar machen – das heißt: abschaffen. Seit kurzem gebe es an der Universität Konstanz, die seit 1991 eine Zivilklausel hat, eine ähnliche Auseinandersetzung wegen eines Kooperationsvertrags mit EADS. Erkennbare Erfolge, wie sie in der bundesweiten Bewegung gegen die Militarisierung der Schulen durch Streichung von Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr erzielt wurden, stehen hier allerdings noch aus, so Dietrich Schulze weiter. Die Initiative Nachrichtenaufklärung INA an der TU Dortmund hatte das Thema „Militärforschung an deutschen Hochschulen“ auf Platz 3 der vernachlässigten TOP-Themen 2011 gesetzt. Der Offene Brief diene der Information einer breiteren Öffentlichkeit und werde als Flyer am Antikriegstag verteilt.
 
Grüne Ministerin gegen Arbeitnehmerbeteiligung im KIT
 
Bei ihrem Besuch im KIT in der letzten Woche hatte sich Ministerin Bauer gegen eine Arbeitnehmerbeteiligung im KIT-Aufsichtsrat ausgesprochen. Vom Personalrat war ihr dafür ein Armutszeugnis ausgestellt worden. Eine weitere politische Kehrtwende in der Frage der Zivilklausel befürchtet Lothar Letsche, Vorsitzender der GEW-Fachgruppe Hochschule und Forschung, nach Äußerungen der Ministerin in einer kürzlichen Sendung von "Radio Regenbogen". Dort hatte sie erklärt, sie wolle "nicht als Gesetzgeber die Vorgaben machen, was das richtige Forschungsprogramm ist und was nicht". Seit 25 Jahren kämpfe die GEW darum, dass im Sinne einer zivilen Orientierung genau solche "Vorgaben" gemacht würden, und habe sich durch die Wahlaussagen der jetzigen Regierungsparteien und Verlautbarungen ihrer führenden Persönlichkeiten, auch von Frau Bauer, bestärkt gesehen. Im Anschreiben zum Offenen Brief sind die Ministerin und die Landesregierung wegen der bereits eingeleiteten Novellierung des KIT-Gesetzes aufgefordert worden, unverzüglich eine öffentliche Erklärung abzugeben. (PK)
 
Initiatoren des Offenen Briefs sind Dr.-Ing. Dietrich Schulze, Beirat NaturwissenschaftlerInnen-Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ und Lothar Letsche, Vorsitzender GEW Fachgruppe „Hochschule und Forschung“ Baden-Württemberg. Beide sind Mitglieder der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten.
Webdokumentation der Initiative zur Zivilklausel www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf
Wortlaut des Offenen Briefs www.stattweb.de/files/civil/Doku20110827.pdf
Wahlaussagen von Grün-Rot BaWü www.stattweb.de/files/civil/Doku20110130.pdf


Online-Flyer Nr. 317  vom 31.08.2011

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