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Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2024  

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Krieg und Frieden
Zum 54. Antikriegstag in Deutschland seit 1957
Frieden und Lügen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

„Nie wieder Krieg“ ist seit Anbeginn die gemeinsame Losung des einst durch den DGB initiierten Antikriegstags. Zeitweise wurde der Aufruf zum Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkrieges durch den Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen (am 1. September 1939) erweitert zu „Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus“. Diese Losung erschien wie die Zusammenfassung der Forderungen des Schwures von Buchenwald im April 1945. Im Jahr 1999 missbrauchte der deutsche Außenminister Joseph Fischer von den Grünen diesen Friedensruf, um Deutschland in den ersten Krieg nach 1945 zu führen.


Hartmut Barth-Engelbarth, Frankfurter Schriftsteller und Akteur im Programm zur Verleihung des Aachener Friedenspreises
 
Am 7. April 1999 sagte der damalige Bundesaußenminister Joseph Fischer: „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.“ Mit dieser Aussage wollte er den ersten deutschen Kriegseinsatz und den Einsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg als unvermeidbar darstellen: Aber er provozierte damit einen Sturm der Entrüstung der Auschwitz-Überlebenden, für die das Postulat „Nie wieder Auschwitz“ untrennbar mit „Nie wieder Krieg“ verbunden war. Ungeachtet des von Esther Bejerano, Kurt Goldstein und Peter Gingold im März 1999 veröffentlichten und in der Frankfurter Rundschau am 23. April 1999 ganzseitig abgedruckten offenen Briefes an die Minister Fischer und Scharping mit dem Vorwurf der „neuen Auschwitz-Lüge“, wurde die deutsche Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen NATO-Krieg durchgesetzt. Dieser Krieg ging als „Information War“, als Krieg, der mit Desinformation und Lügen geführt wurde, unter Nutzung der gerade erst für die Allgemeinheit zugänglich gewordenen  Internettechnik in die Geschichte ein.

Hein Kolberg, Gewerkschafter und 1957 Mitbegründer des Antikriegstags in Aachen, bei der aktuellen Antikriegstagskundgebung am Aachener Elisenbrunnen
 
Am 1. September 2011 ist der erste Redner am Aachener Elisenbrunnen unmittelbar nach der Begrüßung durch den DGB Regions-Vorsitzenden Ralf Woelk das „gewerkschaftliche und friedenspolitische Urgestein“ Hein Kolberg, der noch in diesem Jahr sein 90stes Lebensjahr vollendet: „Ich gehöre zu denen, die 1957 den Antikriegstag hier in Aachen mit organisiert haben. Wir waren sechs Jahre Soldaten unter dem Faschismus und haben damals gesagt - nach der Militarisierung, die in Deutschland von 1933 bis 1945 geschah: Die Armee darf niemals mehr in anderen Ländern sein! Ich stelle hier die Frage: Reden, Reden, Reden überall. Aber wie konnte das, was wir heute haben, geschehen, der Krieg in Libyen, Syrien…? Die Opposition sagt, die Bundeswehr muss so stark gemacht werden, dass sie im Ausland eingesetzt werden kann. Wofür, wofür muss eine deutsche Armee im Ausland eingesetzt werden? Wir haben uns damals geschworen: Das darf niemals mehr vorkommen.“

Antikriegstag in Dortmund - Menschen formieren sich zum Friedenszeichen
 
Bundesweit wird der Antikriegstag in den Regionen zu unterschiedlichen Schwerpunkten begangen. Aber ähnlich wie beim Ostermarsch sollte das Hauptanliegen sein, die aktuellen Kriege zu geißeln, die, an denen auch Deutschland offen oder getarnt auch als NATO-Mitglied beteiligt ist. Zehn Jahre Krieg in Afghanistan unter deutscher Beteiligung war das Thema in Nürnberg. Aber wer stellte dort die Frage nach zehn Jahren Krieg - begonnen mit Kriegslügen? Zehn Jahre Krieg gegen die afghanische Bevölkerung bedeuten zehn Jahre völkerrechtlich nicht legitimierten Krieg auf der Basis von Sippenhaft für ein Land, in dem sich - wie behauptet - der angeblich für die Anschläge vom 11. September verantwortliche Osama bin Laden aufgehalten haben soll. Und es bedeutet auch zehn Jahre Medienkrieg durch Verdrängung und Unterschlagung von - insbesondere in den USA - angehäuften Beweisen zum Geschehen um die Jahrhunderttat am 11. September 2001.


Antikriegstagsdemonstration von DGB und Aachener Friedenspreis - 10 Jahre Afghanistan-Krieg - 10 Jahre 9/11-Kriegslügen
 
An vielen Orten warfen Demonstranten die Frage auf, warum mit Libyen kein Waffenstillstand, keine Verhandlungen angestrebt wurden, wie die 54 Staaten der Afrikanischen Union sie vermitteln wollten.
 
Der Krieg begann mit Lügen
 
„Seit über fünf Monaten führen die USA, Frankreich und Großbritannien mit Unterstützung der NATO Krieg gegen Libyen und bombardieren Tag für Tag und Nacht für Nacht libysche Städte - im Schnitt fast 60 Angriffe pro Tag. Neben militärischen Zielen wurden dabei zunehmend zivile Einrichtungen, wie Häfen, Fabriken, Telefonanlagen, Raffinerien und sogar Nahrungsmitteldepots zerstört. Niemand hat die Opfer der Bomben gezählt. Insgesamt wird die gesamte Zahl der Kriegstoten auf 30.000 geschätzt. Von der UN-Resolution 1973 war dieser Krieg zum Sturz des libyschen Regimes zu keiner Zeit gedeckt“, heißt es im Aufruf des Heidelberger Forums gegen Militarismus und Krieg zum 1. September 2011 (1).

Aachener Friedenspreisträger Jürgen Grässlin bei der Antikriegstagskund-gebung am Aachener Elisenbrunnen - Aufschrei gegen Waffenhandel
 
Es war die Behauptung, Gaddafi lasse wehrlose Demonstranten durch Kampfflugzeuge bombardieren, die sich als Hauptkriegslüge herausgestellt hat. „Nach zweimonatigen Nachforschungen vor Ort kann ich selbst bezeugen, dass diese Beschuldigungen erfundene Propagandalügen der NATO-Mächte waren, die von ihnen nahe stehenden Fernsehsendern wie Al-Jazeera, CNN, BBC und France24 weltweit verbreitet wurden, um die Voraussetzungen für einen Krieg gegen Libyen zu schaffen.“ Das schrieb der französische Autor und Rechercheur Thierry Meyssan. „Die Journalisten, die diese Propaganda verbreitet haben, sind sogar noch schuldiger als die Militärs geworden, die in Libyen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschheit begangen haben, weil keines dieser Verbrechen möglich gewesen wäre, wenn die Journalisten nicht vorher das ’Verbrechen gegen den Frieden’ begangen hätten.“ (2)
 
Und auch die jüngste Behauptung, die so genannten Rebellen hätten beim Sturm auf die Residenz von Gaddafi eine große Anzahl von G36-Sturmgewehren erbeutet, mit denen der „libysche Diktator“ - wie Gaddafi propagandistisch wieder und wieder genannt wird - einen Vernichtungskrieg gegen die Aufständischen geführt habe, riecht nach Propaganda. Können sie die G36 nicht von ihren NATO-Unterstützern erhalten haben?
 
In Aachen kamen die diesjährigen Preisträger des Aachener Friedenspreises, Jürgen Grässlin und Tobias Pflüger (IMI), vor der festlichen Verleihung am Abend zu Wort. Aber auch der Preisträger von 2003, Reuven Moskovitz war eigens aus Jerusalem angereist, um sich an die Anwesenden zu wenden: „Wir müssen aufhören mit Waffenbauen und -verkaufen. Wir müssen Kindergärten bauen, Krankenhäuser, Ausbildungsstätten für die Jugendlichen, Arbeitsplätze schaffen...“ Aber das Gegenteil geschieht in den heutigen Kriegen. Die Zivilbevölkerung wird gezielt - mit welchen Waffen welcher Hersteller auch immer - ins Visier genommen. Das ist das allerorts zu beobachtende Vorgehen nach der Warden-Doktrin (US-Luftkriegsstrategie): in Jugoslawien 1999, in Gaza 2008/9 und nun auch in Libyen 2011. Die zivile Infrastruktur wird zerstört. Moskovitz hat sich 2010 an der Gaza-Flottille beteiligt, weil er nicht ertragen konnte, nur 70 km von einem Getto entfernt zu leben, weil er selbst fünf Jahre im Getto zugebracht habe: „Ein Talmud-Spruch sagt: Ein Held ist nicht jemand, der seinen Feind umbringt, sondern ein Held ist jemand, der sich ohne Unterlass bemüht, seinen Feind zum Freund zu machen. Das mache ich mein ganzes Leben lang. Ich widme es dem Frieden und der Versöhnung und der Liebe zu den Menschen.“

Walter Herrmann und Reuven Moskovitz, Träger des Aachener Friedenspreises aus Köln und Jerusalem - "Wir wollen Frieden für alle - Hevenu Shalom aleichem" - Frieden für Israel und Palästina
 
Dann packt er eine Mundharmonika aus, die er von palästinensischen Kindern geschenkt bekam und spielt die Melodie zu einem hebräischen Lied: „Wir wollen Frieden für alle - nicht nur für uns. Wir wollen Frieden, Frieden für die ganze Welt.“ Er fordert die versammelten Zuhörerinnen und Zuhörer auf mitzusingen. Der Friedenspreisträger zeigt sich in Wort und Tat keinen anderen Interessen verpflichtet, als den Frieden zu schaffen und zu erhalten. Er ist frei von Aggressivität und Lagerdenken. Dafür werden die Preisträger und Preisträgerinnen ausgezeichnet. Für wegweisendes Wirken. Die auf dem Platz versammelten Stimmen singen „Wir wollen Frieden für alle...“ - auch in der hebräischen Version: „Hevenu shalom alejchem“. Von Kriegstreibern und Unruhestiftern hört man nichts - in diesem bewegenden Moment. (PK)
 
 
(1) http://www.antikriegsforum-heidelberg.de
(2) http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_11/LP14211_280811.pdf


Online-Flyer Nr. 318  vom 07.09.2011

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