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Globales
Offener Brief an die empörten Bürger Griechenlands und Europas
"Gegen die Marionetten-Regierung in Athen"
Von Mikis Theodorakis
Der berühmte 1925 auf der griechischen Insel Chios geborene Komponist, Schriftsteller und Politiker Mikis Theodorakis, hatte als Parteiloser für die Liste der Mitte-Rechts-Partei Nea Dimokratia ("Neue Demokratie") kandidiert, um dem Land zu helfen, aus einer schweren politischen Krise herauszukommen, die durch die zahlreichen Skandale der Regierung von Andreas Papandreou, dem Vater des aktuellen Ministerpräsidenten und seiner Pasok-Partei, ausgelöst worden war. Er half mit, eine große Koalition zwischen Konservativen, Sozialisten und Linken zu bilden: Erstmals seit dem griechischen Bürgerkrieg wurden damit die Kommunisten der KKE wieder an der Macht beteiligt. 1990 wurde Theodorakis ins Parlament gewählt und als Minister ohne Geschäftsbereich beim Premierminister in die Regierung von Konstantinos Mitsotakis berufen. In dieser Funktion setzte er sich gegen Drogen und Terrorismus, für Kultur und Erziehung sowie für verbesserte Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei ein. Nun hat Theodorakis einen Offenen Brief an die Griechen und an die Europäer geschrieben. – Die Redaktion
Online-Flyer Nr. 324 vom 20.10.2011
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Globales
Offener Brief an die empörten Bürger Griechenlands und Europas
"Gegen die Marionetten-Regierung in Athen"
Von Mikis Theodorakis
Der berühmte 1925 auf der griechischen Insel Chios geborene Komponist, Schriftsteller und Politiker Mikis Theodorakis, hatte als Parteiloser für die Liste der Mitte-Rechts-Partei Nea Dimokratia ("Neue Demokratie") kandidiert, um dem Land zu helfen, aus einer schweren politischen Krise herauszukommen, die durch die zahlreichen Skandale der Regierung von Andreas Papandreou, dem Vater des aktuellen Ministerpräsidenten und seiner Pasok-Partei, ausgelöst worden war. Er half mit, eine große Koalition zwischen Konservativen, Sozialisten und Linken zu bilden: Erstmals seit dem griechischen Bürgerkrieg wurden damit die Kommunisten der KKE wieder an der Macht beteiligt. 1990 wurde Theodorakis ins Parlament gewählt und als Minister ohne Geschäftsbereich beim Premierminister in die Regierung von Konstantinos Mitsotakis berufen. In dieser Funktion setzte er sich gegen Drogen und Terrorismus, für Kultur und Erziehung sowie für verbesserte Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei ein. Nun hat Theodorakis einen Offenen Brief an die Griechen und an die Europäer geschrieben. – Die Redaktion
Wir begrüßen die Zehntausende, sogar Hunderttausende von Bürgern, vor allem junge Menschen, die sich auf den Plätzen aller großen Städte versammelt haben, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen im Gedenken an das Memorandum (Rahmenvereinbarung zwischen der griechischen Regierung, EU, IWF und der EZB, seit Mai 2010 unterzeichnet und dann regelmäßig erneuert), und um den Abschied der Regierung der Schande und aller politischen Mitarbeiter zu fordern, die dem öffentlichen Wohl dienen sollten und denen es gelungen ist, Griechenland zu zerstören, zu plündern und zu versklaven. Anstatt ins Parlament gehören diese Leute alle ins Gefängnis.
Wir begrüßen die ersten Generalversammlungen, die in den Zentren unserer Städte stattfinden, und die direkte Demokratie, die die neuartige Bewegung der Jugend zu entdecken sucht. Wir begrüßen die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, welche Demonstrationen, Streiks und Besetzungen begonnen haben, um einen Staat zu verteidigen, der, statt einer Auflösung im Rahmen des IWF, eine Verbesserung und eine radikale Reform verzweifelt benötigt und sucht. Durch ihre Proteste verteidigen die Arbeiter der Hellenic Postbank, der National Elektrizitäts-Regie und der Gesellschaft der öffentlichen Lotterie- und Sport-Wetten das Erbe des griechischen Volkes, das die ausländischen Banken, mittels ihrer Marionetten-Regierung in Athen, zu plündern gedenken.
Der beispielhafte Pazifismus dieser Demonstrationen hat gezeigt, dass, wenn Polizei und Provokateure keinen Befehl erhalten, einzugreifen, auch kein Blut fließt. Wir appellieren an die griechische Polizei, nicht die Instrumente der dunklen Kräfte zu werden, die auf alle Fälle versuchen wollen, in einem gewissen Moment die Jugendlichen und Arbeiter blutig zu unterdrücken. Ihr Platz, ihre Pflicht und ihr Interesse ist es, an der Seite des griechischen Volkes, der Proteste und der friedlichen Forderungen und an der Seite Griechenlands zu stehen, und nicht an der jener dunklen Kräfte, die ihre Politik der jetzigen Regierung diktieren. Ein Jahr nach der Abstimmung über das Memorandum, scheint dies vor dem Scheitern zu stehen.
Nach dieser Erfahrung ist nicht mehr die geringste Illusion erlaubt. Der Weg, den die Regierung eingeschlagen hat und auch weiterhin einschlägt - unter der Aufsicht von Banken und ausländischen Unternehmen, von Goldman Sachs und seinen Mitarbeitern in Europa - führt Griechenland in die Katastrophe. Dies muss sofort aufhören, es ist unerlässlich, dass sie das Land sofort verlassen. Tag für Tag, offenbaren ihre Praktiken wie gefährlich sie für dieses sind. Es ist erstaunlich, dass der Generalstaatsanwalt noch nicht gegen den Minister für Wirtschaft und Finanzen, nach dessen jüngsten Aussagen über die drohende Insolvenz und das Fehlen von Haushaltsmitteln, eingegriffen hat. Warum hat er nicht auch eingegriffen als Reaktion auf die Äußerungen des Präsidenten des Bundesverbandes der Arbeitgeber der Industrie und der griechischen EU-Kommissarin Mari Damanaki über ein Verlassen des Euro? Warum hat er nicht gegen den Massenterrorismus eingegriffen, mit dem eine bankrotte Regierung unter dem Diktat der Troika [EU - IWF - EZB] wieder einmal versucht, das griechische Volk zu erpressen? Durch ihren Katastrophismus, ihre tragischen Anspielungen und alles, was sie erfinden und quasseln, um die Griechen aufzuschrecken, ist es ihnen gelungen, unser Land in der Welt zu demütigen und es tatsächlich an den Rand des Bankrotts zu bringen. Wenn ein Geschäftsmann in der gleichen Weise spräche, wie dies der Premierminister und seine Minister tun, wenn sie von Griechenland reden, würde er sich sofort wegen schwerer Unterschlagung hinter Gittern wiederfinden.
Wir wenden uns auch an die europäischen Völker. Unser Kampf ist nicht nur ein Kampf Griechenlands, er strebt ein freieres, unabhängigeres und demokratischeres Europa an. Glauben Sie Ihren Regierungen nicht, wenn sie behaupten, dass Ihr Geld dazu dienen könnte, Griechenland zu helfen. Glauben Sie nicht die groben und absurden Lügen der kompromittierten Zeitungen, die Sie überzeugen wollen, dass das Problem von der angeblichen Faulheit der Griechen herkommt, während tatsächlich - nach den Daten des Europäischen Statistischen Instituts - diese mehr arbeiten alle anderen Europäer! Die Arbeiter sind nicht verantwortlich für die Krise; der Finanzkapitalismus und die Politiker in ihrem Boot, sie sind es, die sie verursacht haben und sie ausnutzen. Ihre Programme "Rettung von Griechenland" helfen nur den ausländische Banken, und gerade denjenigen, die mittels Politikern und Regierungen in ihrem Sold, das politische Modell erzwungen haben, das zur aktuellen Krise geführt hat.
Es gibt keine Alternative zu einer radikalen Umstrukturierung der Schulden, nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa. Es ist undenkbar, dass Banken und Kapitaleigner, die die Verantwortung für die gegenwärtige Krise tragen, nicht einen Cent zahlen, um den Schaden, den sie angerichtet haben, gutzumachen. Es darf nicht sein, dass Banker der einzige sichere Beruf auf der Welt ist!
Es gibt keine andere Lösung als das aktuelle europäische Wirtschaftsmodell zu ersetzen, das entwickelt wurde, um Schulden zu erzeugen, und zu einer Politik der Ankurbelung der Nachfrage und der Entwicklung zurückzukehren, zu einem Protektionismus, der mit einer drastischen Kontrolle der Finanzen versehen ist. Wenn die Staaten sich nicht auf den Märkten durchsetzen, so schlucken diese sie auf, zusammen mit der Demokratie und den Errungenschaften der europäischen Zivilisation.
Die Demokratie wurde in Athen geboren, als Solon(1) die Schulden der Armen gegenüber den Reichen stornierte. Man darf heute nicht zulassen, dass die Banken die europäische Demokratie zerstören, um riesige Summen aus ihnen herauszupressen, die sie selbst als Schulden generiert haben. Wie kann man vorschlagen, dass ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs die Europäische Zentralbank führen soll? Welche Art von Regierungen, welche Art von Politikern haben wir in Europa?
Wir bitten Sie nicht, unseren Kampf aus Solidarität zu unterstützen, nicht, weil unser Land die Wiege von Platon und Aristoteles, Perikles und Protagoras, der Konzepte von Demokratie, Freiheit und Europa war. Wir bitten Sie nicht um eine besondere Behandlung, weil wir als Land eine der schlimmsten Katastrophen in Europa in den 1940er Jahren erlitten haben und vorbildlich gekämpft haben, damit der Faschismus sich nicht auf dem Kontinent etablieren konnte.
Wir bitten Sie, es in Ihrem eigenen Interesse zu tun. Wenn Sie heute die Opferung der griechischen, irischen, portugiesischen und spanischen Gesellschaft auf dem Altar der Schulden und die Banken zulassen, wird bald die Reihe an Ihnen sein. Sie werden nicht auf den Ruinen der europäischen Gesellschaften gedeihen.
Unsrerseits sind wir spät dran, aber wir sind aufgewacht. Lasst uns zusammen ein neues Europa bauen; ein demokratisches, wohlhabendes, friedliches, das seiner Geschichte, seinen Kämpfen und seines Geistes würdig ist. Widerstehen Sie dem Totalitarismus der Märkte, die drohen, Europa zu zerschlagen und in eine Drittwelt zu verwandeln, die die europäischen Nationen gegeneinander aufwiegeln und unsern Kontinent zerstören, indem sie die Rückkehr des Faschismus fördern. (PK)
(1) Solon (geb. 640 v. Chr. in Athen; † vermutlich um 560 v. Chr.) war ein griechischer Lyriker und athenischer Staatsmann. Mit seinem Namen verbinden sich vor allem die Reformen, die er in Athen durchführte. Er wird zu den sieben Weisen Griechenlands gezählt und gehört zu den Vorsokratikern.
Übersetzung: Guy Wagner
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